Arbeitnehmerüberlassung – Teil 12 – Vollständige Eingliederung in den Betrieb

4.1.1.5 Vollständige Eingliederung in den Betrieb

Ob ein Werkvertrag oder eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, kann anhand der Eingliederung des Fremdpersonals in den Entleiherbetrieb unterschieden.

Wurde das Fremdpersonal in die fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingebunden und kann es die betrieblichen Einrichtungen nutzen, ist in der Regel eine Arbeitnehmerüberlassung anzunehmen.
Eine Eingliederung liegt vor, wenn das Fremdpersonal zusammen mit den Stammmitarbeitern im Betrieb des Entleihers den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeiten verwirklicht. Das gilt auch, wenn der Leiharbeitnehmer und die Stammmitarbeiter die gleichen Arbeitsräume, Pausenräume und Aufgabengebiete teilen. Ein Indiz für die Eingliederung ist, wenn das Fremdpersonal Arbeiten übernimmt, die früher von Stammmitarbeitern ausgeführt wurden.

Beispiel 1
Ein Automobilhersteller in Leipzig beschäftigt ca. 3400 Stammmitarbeiter, 2400 Werkvertragsmitarbeiter und 1800 Leiharbeitnehmer. Die Leiharbeiternehmer müssen im Betrieb dieselben Einrichtungen nutzen dürfen, wie die Stammmitarbeiter. Sie müssen völlig in die Arbeitsorganisation eingebunden sein.

  • Erhält einer der Leiharbeitnehmer Aufgaben, die zuvor von einem Stammmitarbeiter ausgeführt wurden, spricht dies für das Vorliegen eines Arbeitnehmerüberlassung.

Äußere Umstände, die bestimmen wann, wo und wie Arbeiten aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrags im Betrieb des Bestellers zu erbringen sind, reichen nicht aus, um die Eingliederung der tätig werdenden Person in dem Betrieb des Dritten zu begründen.
Der Werkunternehmer kann im Betrieb des Bestellers tätig werden, auch wenn der Besteller damit den Ort der Leistung vorgibt. Die Vorschriften zum Werkvertrag schließen nicht aus, dass alle Einzelheiten bezüglich Ausführung, Umfang, Zeit und Ort detailliert vereinbart werden können. Der Entscheidungsspielraum des Werkunternehmers darf aber nie soweit eingeschränkt werden, dass der Werkunternehmer keine selbständige, erfolgsorientierte Leistung mehr erbringen kann.
Eine Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung wäre nur noch schwer vorzunehmen, wenn der Dritte bei beiden Vertragsarten ausgiebig über die Ausführung, Umfang, die Zeit und den Ort der Vertragserfüllung bestimmen könnte. Will der Dritte solche Bestimmungen treffen und die Organisationshoheit ausüben, hat er dafür Rechnung zu tragen, dass eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt und der Leiharbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert wird. Geboten ist das vor allem, wenn er das Fremdpersonal und die Stammmitarbeiter eng zusammenarbeiten. Dann trägt er die Personalhoheit.

Beispiel 2
Einige der Stammmitarbeiter von in Leipzig arbeiten zusammen mit einigen Leiharbeitern im selben Aufgabenbereich am selben Fließband.

  • Die Leiharbeiter und die Stammmitarbeiter arbeiten damit eng zusammenarbeiten, um den Betriebszweck zu erfüllen. Die Eingliederung des Leiharbeiters in den Betrieb des Entleihers wurde erfüllt und eine Arbeitnehmerüberlassung ist anzunehmen.

Eine vollständige Eingliederung des Fremdpersonals in den Betrieb liegt vor, wenn der Dritte das Fremdpersonal nach seinen Vorstellungen und Zielen innerhalb seiner Betriebsorganisation wie eigene Arbeitnehmer zur Förderung seines Betriebszwecks einsetzt.
Das gilt vor allem, wenn der Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers unter dessen Weisungen und für seine unternehmerischen Ziele arbeitet.

Arbeitet das Fremdpersonal im Betrieb eines Dritten, während es die unternehmerischen Ziele des Werkunternehmers fördert, liegt ein Werkvertrag vor. Der Werkunternehmer trägt die Personalhoheit. Eine Eingliederung in den Betrieb des Werkbestellers findet nicht statt.

Beispiel 3
Die Leiharbeitnehmer, die zusammen mit einigen Stammmitarbeitern die Reifen montieren, erfüllen diese Arbeiten für den Automobilhersteller.

  • Die Erfüllungsgehilfen, die im selben Betrieb die Lackierarbeiten vornehmen, erfüllen damit die im Werkvertrag vereinbarte Werkherstellung. Damit arbeiten sie für die unternehmerischen Ziele des Werkunternehmers. Eine Eingliederung der Erfüllungsgehilfen in den Bestellerbetrieb findet nicht statt.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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