Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 06 – Verschmelzung durch Neugründung, Verschmelzungsplan

4.1.2 Verschmelzung durch Neugründung

Im Rahmen einer Verschmelzung durch Neugründung wird das Unternehmen, auf das das Vermögen übertragen werden soll, neu gegründet. Es entsteht eine neue SE. Das Vermögen aller übertragenden Gesellschaften geht dabei auf die neu gegründete dritte Gesellschaft über. Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaften werden Aktionäre der neu gegründeten SE. Die beiden übertragenden Gesellschaften erlöschen. Für die neue SE besteht die Möglichkeit das Mitgliedsland ihres Sitzes frei wählen.(Fußnote)

Beispiel
Der deutsche Reifenproduzent X-AG und der Felgenhersteller Y N.V. mit Sitz in den Niederlanden möchten sich gerne zu der Allround-Reifen A-SE verschmelzen. Das neue durch Verschmelzung gegründete Unternehmen soll seinen Firmensitz in Ungarn haben, da dort bessere Produktionsbedingungen vorzufinden sind.

  • Eine Verschmelzung durch Neugründung gem. Art. 17 I b SE-VO ist in diesem Fall möglich. Die X-AG und die niederländische Y N.V. übertragen das jeweilige Vermögen auf die neu zu gründende Allround-Reifen A-SE. Da das neue Unternehmen seinen Sitz innerhalb der Mitgliedsstaaten frei wählen kann, ist es ebenso möglich den Hauptsitz nach Ungarn zu verlegen.

4.1.3 Verschmelzungsplan

Eine Verschmelzungsgründung gliedert sich in folgende vier Phasen:

  • Planungsphase
  • Vorbereitungsphase
  • Beschlussphase
  • Vollzugphase

4.1.3.1 Planungsphase

In der Planungsphase wird ein Zeitplan für die Verschmelzung aufgestellt und sich detailliert über die Möglichkeiten der Ausgestaltung der SE informiert, beziehungsweise durch externe Experten beraten.

4.1.3.2 Vorbereitungsphase

In der Vorbereitungsphase wird

  • die Form der angestrebten Verschmelzung (Aufnahme oder Neugründung) festgelegt,
  • ein Verschmelzungsplan aufgestellt, d.h. ein Plan, der durch die Leitungsorgane bzw. die Verwaltungsorgane der verschmelzenden Gesellschaften ausgehandelt wird und das Erlöschen der ursprünglichen Gesellschaften, den Vermögensübergang und die Gründungsmodalitäten der SE enthält sowie
  • ein Satzungsentwurf ausgearbeitet.

4.1.3.2.1 Zwischen- und Schlussbilanzen

Darüber hinaus müssen Zwischen- oder Schlussbilanzen aufgestellt werden. Sofern die übertragende Gesellschaft eine deutsche Aktiengesellschaft ist, muss für diese in Vorbereitung auf die Verschmelzungsgründung eine Schlussbilanz aufgestellt werden. Sofern ein Verschmelzungsplan erst sechs Monate nach dem Stichtag des letzten Jahresabschlusses aufgestellt wurde, ist für die betroffene deutsche Gesellschaft eine Zwischenbilanz aufzustellen.

4.1.3.2.2 Verhandlungsverfahren zur Regelung der Beteiligung der Arbeitnehmer

Ebenso muss das Verhandlungsverfahren zur Regelung der Beteiligung der Arbeitnehmer durch die Leitungs- bzw. Verwaltungsorgane der verschmelzenden Gesellschaften eingeleitet werden. Dabei sind die Arbeitnehmervertretungen der betroffenen Gesellschaften über den Gründungsvorgang zu informieren und diese schriftlich aufzufordern das besondere Verhandlungsgremium zu bilden, um auch in der neu entstehenden Gesellschaft die Mitbestimmung zu sichern. Ein besonderes Verhandlungsgremium hat dabei die Aufgabe mit den jeweiligen Leitungs- bzw. Verwaltungsorganen der zu verschmelzenden Gesellschaften eine schriftliche Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer abzuschließen.

4.1.3.2.3 Verschmelzungsplan

Der Verschmelzungsplan ist das Kernstück der Verschmelzungsgründung und regelt das Erlöschen der ursprünglichen Gesellschaften, den Vermögensübergang und die Gründungsmodalitäten der SE. Der Verschmelzungsplan muss vor der Einberufung der Hauptversammlung zum Handelsregister eingereicht werden. Das Registergericht macht im Bundesanzeiger bekannt, dass der Verschmelzungsplan eingereicht wurde.

Vor der Hauptversammlung ist der Verschmelzungsplan in den Räumlichkeiten der zu verschmelzenden Gesellschaften auszulegen und sodann in der Hauptversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen.(Fußnote)

4.1.3.3 Beschlussphase

In der Beschlussphase werden Hauptversammlungen in beiden Unternehmen durchgeführt, auf denen die Aktionäre jeweils dem Verschmelzungsplan zustimmen müssen. Ebenso müssen in der übernehmenden Gesellschaft bzw. in der neu zu gründenden SE die Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans bestimmt werden. Die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung sind abzuschließen.

4.1.3.4 Vollzugsphase

In der Vollzugsphase ist gem. Art. 25 SE-VO eine Prüfung der einzelnen Verfahrensschritte der verschmelzenden Gesellschaften vorzunehmen. Die Rechtmäßigkeitsprüfung der Verschmelzung der SE ist nach national zuständigem Recht durchzuführen. Die Prüfung fällt bei einem beteiligten deutschen Rechtsträger in die Zuständigkeit des Registergerichts. Es folgt die Prüfung der ordnungsgemäßen Gründung der SE gem. Art 26 SE-VO, die ebenfalls in die Kompetenz des zuständigen Registergerichts fällt. Daraufhin kann die neue SE in das Register des Sitzstaates eintragen werden. Mit Eintragung der SE in das Handelsregister ist die Verschmelzung vollzogen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.


 

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Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

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  • Wahl des Firmennamens
  • Gesellschaftsgründungen:
    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
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  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
  • Due Diligence
  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: Art. 25 SE-VO

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