Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 25 – Rechte und Pflichten der Behörde, Einleitung und Gang des Strafverfahrens

9.2 Rechte und Pflichten der Behörde

Finanzbehörde im Sinne des Steuerstrafverfahrens sind gemäß § 386 Absatz 2 AO das Hauptzollamt, das Finanzamt, das Bundeszentralamt für Steuern und die Familienkasse. Die Steuerfahndung sind dabei untergliederte, unselbstständige Dienststellen der Landesfinanzbehörden.(Fußnote) Die organisatorische Eingliederung in die Finanzbehörden differiert zwischen den Bundesländern.(Fußnote)
Aufgaben der Steuerfahndung sind nach § 208 Absatz 1 AO

  • die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten
  • die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in Nummer 1 bezeichneten Fällen
  • die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle.

§ 404 Satz 1 AO ordnet die Gleichstellung mit dem Polizeidienst an. Die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten haben dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach den Vorschriften der StPO. Sie dürfen beispielsweise Zeugen vernehmen, Gegenstände beschlagnahmen und allgemein Sachverhaltsermittlung durchführen.

Die Steuerfahndung kann neben der Ermittlung rund um die Steuerstraftaten und deren Besteuerungsgrundlagen auch bisher unbekannte Steuerfälle aufdecken und ermitteln. Für diese sogenannten „Vorfeldermittlungen“ muss jedoch ein hinreichender Anlass bestehen und es stellt noch kein Strafverfahren, sondern ein normales Steuerermittlungsverfahren dar.(Fußnote)
Dabei ist § 208 Absatz 1 Satz 3 AO zu beachten, der einige Regelungen zum Schutz von Steuerschuldnern, also des Bürgers, für nicht anwendbar erklärt. Der Steuerfahndung sind im Ergebnis einige Kompetenzen eingeräumt worden, die im regulären Steuerermittlungsverfahren nicht gelten würden:

  • Ein nicht unmittelbar Beteiligter Dritter kann durch die Fahndung sofort befragt werden.
  • Das Auskunftsersuchen muss nicht auf Wunsch hin schriftlich erfolgen.
  • Die Vorlage von Urkunden kann sofort, ohne vorheriges Auskunftsersuchen verlangt werden.
  • Urkundenvorlage an Amts Stelle kann auch ohne Einverständnis des Betroffenen verlangt werden.

Außerdem haben Steuerfahnder dieselben Rechte wie Außenprüfer aufgrund der entsprechenden Anwendung von § 200 AO:

  • Die Steuerfahndung darf Geschäftsräume betreten (Keine Privaträume!).
  • Der Steuerpflichtige hat umfassend und vollständig mitzuwirken, das heißt er muss Unterlagen vorlegen und notwendige Auskünfte erteilen.
  • Es können Betriebsangehörige befragt werden, soweit der Steuerpflichtige keine Auskunft erteilt oder erteilen kann.

9.3 Einleitung und Gang des Strafverfahrens

Jeder Entscheidung über die Ahndung geht ein formelles Strafverfahren voraus. Dieses muss korrekt eingeleitet und durchgeführt werden, unter Wahrung der Rechte und Pflichten der Beteiligten.

9.3.1 Einleitung des Verfahrens

Das Strafverfahren ist gemäß § 397 Absatz 1 AO eingeleitet, sobald eine Maßnahme getroffen wird, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen. Dies ist schon bei der faktischen Erkennbarkeit einer solchen Maßnahme der Fall.

Strafrechtliches Vorgehen und die damit verbundene Einleitung des Strafverfahrens ist gegeben bei(Fußnote)

  • Durchsuchung
  • Beschlagnahme
  • Vernehmung des Beschuldigten im Sinne der StPO
  • Vernehmung von Zeugen.

Problematisch ist die Situation, wenn der Steuerpflichtige selbst zur Aufklärung bestimmter Fragen vorgeladen wird. Es kann sich entweder um ein Auskunftsverlangen im normalen Besteuerungsverfahren oder um die verantwortliche Vernehmung als Beschuldigter im Sinne der StPO handeln. Die Einleitung des Strafverfahrens ist dem Beschuldigten spätestens mitzuteilen, wenn er dazu aufgefordert wird, Tatsachen zu äußern oder darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtig ist. Wird gegen diese Mitteilungspflicht des § 397 Absatz 3 AO verstoßen, zieht dies gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot nach sich.(Fußnote) Ein solches Verbot besteht ebenfalls, wenn der Beschuldigte nicht umfassend über seine Rechte aufgeklärt, wie z.B. das Recht, einen Anwalt hinzuziehen, oder sein Recht zu Schweigen.
Bei der Frage, ob eine Einleitung vorliegt oder nicht, ist wichtig, ob ein konkreter Tatverdacht besteht:(Fußnote) Der konkrete Tatverdacht meint hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat, wobei die bloße Möglichkeit oder Vermutung einer Straftat nicht ausreicht. Dies stellt dann wiederrum sog. Vorfeldermittlungen dar (siehe bereits unter Kapitel 9.2).

Beispiel
Die Staatsanwaltschaft fordert im Rahmen einer Untersuchung eines bestimmten Geschäftes auf strafrechtliche Relevanz gegen A die Steuerakte des B an, weil sie den Verdacht hat, B sei unter Umständen Mittäter.

  • Diese Anforderung bedeutet die Einleitung des Strafverfahrens gegen B, da der Anforderung schon ein Verdacht gegenüber B vorausging.

Beispiel
Die Staatsanwaltschaft benötigt für das Strafverfahren gegen A die Steuerakte des B. Bei Durchsicht der Akte ergibt sich der Verdacht, dass B selbst Mittäter sein könnte.

  • Diese Anforderung bedeutet als solche noch keine Einleitung des Strafverfahrens gegen den B.

Zur Einleitung des Strafverfahrens sind berechtigt:

  • der Strafrichter
  • die Polizei
  • die Staatsanwaltschaft
  • die Steuerfahndung (Siehe oben, § 208 Absatz 1 Nr. 1 AO)
  • die Finanzbehörde

Was die Finanzbehörde angeht, ist das Finanzamt und damit auch der Außenprüfer gemeint.(Fußnote) Die Finanzbehörde ist allerdings nur bezüglich Steuerstraftaten berechtigt, nicht hinsichtlich anderer Straftaten, z.B. Urkundenfälschung als Tat im Umfeld der Steuerstraftat. Diese muss sie an die Staatsanwaltschaft abgeben.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.


 

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Stand: Januar 2016


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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

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Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9

 

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Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 386 Abs. 2 AO, § 208 Abs. 1 AO, § 200 AO, § 397 Abs. 1 AO

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