Steuerberaterhaftung – Teil 15 – Kausalität: Ursachenzusammenhang

4.4 Kausalität

Die Pflichtverletzung des Steuerberaters muss für den Schaden kausal gewesen sein. Hierzu muss zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ein Ursachen- und Zurechnungszusammenhang bestehen.

4.4.1 Ursachenzusammenhang

Ein Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden besteht, wenn der Schaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre.

4.4.1.1 Pflichtverletzung durch positives Tun

Ursächlich ist eine Pflichtverletzung durch positives Tun für den eingetretenen Schaden, wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der tatsächliche Schaden in seiner konkreten Gestalt entfiele (Äquivalenztheorie).[1] Alle Ereignisse, die für den Schaden ursächlich sind, werden als äquivalent betrachtet. Entscheidend ist, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Steuerberaters genommen hätten.[2]

Beispiel
Steuerberater B hat in der Steuererklärung seines Mandanten A aus Unachtsamkeit Einkünfte in Höhe von 20.000,- € zu viel angegeben, wodurch die Steuer des A zu hoch festgesetzt wurde.

  • Hätte B die Einkünfte des A richtig angegeben, wäre die Steuer in zutreffender Höhe festgesetzt worden. Seine pflichtwidrige Handlung ist daher ursächlich für den Schaden.

Grundsätzlich sind ursächlich für einen Schaden nur solche Ereignisse, die zur Zeit der Haftung objektiv zur Herbeiführung des betreffenden Erfolgs geeignet erscheinen (Adäquanztheorie).[3] Ein Ursachenzusammenhang besteht dementsprechend nicht, wenn außergewöhnliche Umstände bei der Herbeiführung des Schadens mitgewirkt haben.

Beispiel
Steuerberater B wurde von Mandant A mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das dem A aufzeigen soll, welche Rechtsform für sein Unternehmen am steuergünstigsten wäre. Aufgrund einer plötzlich eingetretenen schweren Erkrankung stellt A ein halbes Jahr später seine unternehmerische Tätigkeit ein. Die Einkünfte aus der Auflösung des Unternehmens werden besteuert. Bei der Wahl einer anderen Rechtsform des Unternehmens wäre beim Verkauf eine geringere Steuer angefallen.

  • Zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung war nicht bekannt, dass A sein Unternehmen ein halbes Jahr später auflösen würde. Bei der plötzlichen Erkrankung des A handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand, der für B nicht vorhersehbar war. Aufgrund dessen ist die Handlung des A für den Schaden nicht adäquat kausal.

Bei Vorsatz haftet der Steuerberater stets. Hierbei ist gleichgültig, wie unwahrscheinlich der Eintritt des Schadens war.

4.4.1.2 Pflichtverletzung durch Unterlassen

Ursächlich für den Schaden ist eine Pflichtverletzung durch Unterlassen des Steuerberaters, wenn pflichtgemäßes Handeln den Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte.[4]

Beispiel
Steuerberater B hat die Einspruchsfrist des Steuerbescheides seines Mandanten A versäumt. Der Steuerbescheid des A war aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen fehlerhaft. Aufgrund dessen ist eine Steuermehrbelastung eingetreten.

  • Hätte B die Einspruchsfrist nicht versäumt, wäre der Einspruch höchstwahrscheinlich erfolgreich gewesen. Die Fristversäumnis ist daher ursächlich für den Schaden.

4.4.1.3 Gesamt- und Doppelkausalität

Ein Schaden kann mehrere Ursachen haben, beispielsweise wenn mehrere Steuerberater tätig werden.

4.4.1.3.1 Gesamtkausalität

Bei der Gesamtkausalität entsteht der Schaden dadurch, dass mehrere Ursachen bei der Schadensentstehung zusammenwirken.[5] Hierbei verletzen dementsprechend mehrere Personen ihre Pflichten.

Beispiel
Steuerberater B und Mandant A haben einen umfassenden Steuerberatervertrag geschlossen. Unter anderem soll B für A einen Jahresabschluss erstellen. Diesen erstellt B fehlerhaft. Dadurch, dass B - unabhängig davon - einen Rechtsstreit für A vor dem Finanzgericht verliert, kündigt A dem B das Mandat und beauftragt Steuerberater C mit der weiteren Wahrnehmung seiner steuerlichen Interessen. C soll im Wege dessen den von B bereits erstellten Jahresabschluss prüfen. C fallen die Fehler des B nicht auf. Die Steuer wird durch das Finanzamt zu hoch festgesetzt.

  • Ohne die Fehler bei der Erstellung des Jahresabschlusses durch B und bei der Prüfung des Jahresabschlusses durch C wäre die Steuer in zutreffender Höhe festgesetzt worden. Der Schaden ist dementsprechend sowohl von B als auch von C verursacht worden.

Die Verursacher haften in diesem Fall als Gesamtschuldner.[6] Dies bedeutet, dass der geschädigte Mandant von jedem der Schadensverursacher den gesamten Schaden ersetzt verlangen kann, allerdings nur bis zur Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens. Er kann die ihm zustehende Summe nicht verdoppeln, weil er zwei Anspruchsgegner hat. Der in Anspruch genommene Schädiger kann einen Teil des ersetzten Schadens im Anschluss von dem anderen Schädiger ersetzt verlangen.

4.4.1.3.2 Doppelkausalität

Bei der Doppelkausalität haben mehrere Ereignisse den Schaden herbeigeführt, von denen jedes allein den Erfolg hätte bewirken können.[7] In diesem Fall sind beide Ereignisse für den Erfolg ursächlich geworden.

Grundsätzlich würde der Schaden bei Wegfall der einen Pflichtverletzung in gleicher Höhe eintreten, sodass beide Verursachungsbeiträge als nicht ursächlich für den Schaden klassifiziert werden könnten. Da in diesem Fall eine Verantwortung der Pflichtverletzung für beide Verursacher entfallen würde, sind im Fall der Doppelkausalität beide Verursachungsbeiträge für den Schaden kausal. Zur Bestimmung der wesentlichen Verantwortung für den Schaden erfolgt eine Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge im Rahmen des Mitverschuldens.[8]

Beispiel
Mandant A hat Steuerberater B einen Buchführungsauftrag erteilt. Die Buchführung führt der Steuerberater nicht ordnungsgemäß aus. Darüber hinaus sind die Grundaufzeichnungen des A mangelhaft. Das Finanzamt verwirft die Buchführung und gewährt A einen Steuervorteil nicht.

  • Dies kann sowohl auf den mangelhaften Grundaufzeichnungen des A als auch auf der nicht ordnungsgemäßen Ausführung der Buchführung des B beruhen. Sind in beiden Ereignissen Mängel vorhanden, sind beide geeignet, den Schaden herbeizuführen. A hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen B, muss sich aber seinen Verursachungsbeitrag im Rahmen des Mitverschuldens anrechnen lassen, so dass er lediglich einen Teil seines Schadens von B ersetzt bekommen kann.


[1] Vgl. BGH, Urteil vom 11.05.1951, I ZR 106/50.

[2] Vgl. BGH, Urteil vom 04.03.2011, IX ZR 82/10.

[3] BGH, Urteil vom 25.09.1952, III ZR 322/51.

[4] BGH, Urteil vom 14.01.1993, IX ZR 76/92.

[5] Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, 3. Aufl. 2014, S. 73.

[6] Vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2007, IX ZR 44/04.

[7] BGH, Urteil vom 08.05.2008, IX ZR 211/07.

[8] Vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1994, IX ZR 46/93.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
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Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
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  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
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  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
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