Das Widerrufsrecht – Teil 05 – nicht als Verbraucherdarlehen zu qualifizierender Vertrag, verbundener und zusammenhängender Vertrag

2.1.2.2.1.2 Nicht als Verbraucherdarlehen zu qualifizierender Vertrag

Das Widerrufsrecht ist bei Darlehensverträgen grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt (§§ 491 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB). Ein Verbraucherdarlehensvertrag i.S.v. § 491 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn

  • der Darlehensgeber ein Unternehmer (§ 14 BGB),
  • der Darlehensnehmer ein Verbraucher ist (§ 13 BGB) und
  • das Darlehen verzinst wird.

Darlehensverträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden und

  • einen bestimmten Nettodarlehensbetrag nicht überschreiten (Bagatellgrenze),
  • durch einen Pfandgegenstand gesichert werden (Darlehen mit Pfandsicherung),
  • eine besonders kurze Laufzeit haben (kurzzeitiges Darlehen),
  • vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer gewährt werden (Arbeitgeberdarlehen) sowie
  • Darlehensverträge welche die Gewährung eines Förderdarlehens beinhalten

sind keine Verbraucherdarlehensverträge und nicht vom Widerrufsrecht erfasst (§ 491 Abs. 2 BGB). Dies begründet sich damit, dass der Verbraucher bei den aufgezählten Darlehensverträgen nur vermindert schutzwürdig ist. Ausnahmsweise gelangt das Widerrufsrecht bei den eben aufgezählten Darlehensverträgen nur dann zur Anwendung, wenn der Darlehensvertrag entweder als Fernabsatzvertrag (§§ 312c, 312g, 355 ff. BGB) oder als Außergeschäftsraumvertrag (§§ 312b, 312g, 355 ff. BGB) zustande kommt.

2.1.2.2.1.2.1 Bagatellgrenze

Ein Darlehensvertrag, dessen Nettobetrag geringer als 200 € ist, ist kein Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der Nettodarlehensbetrag ist der Betrag, auf den der Verbraucher nach Abzug sämtlicher Kosten und Gebühren einen Anspruch hat (Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB). Es ist der tatsächlich ausgezahlte Geldbetrag.

2.1.2.2.1.2.2 Darlehen mit Pfandsicherung

Beschränkt sich bei einem Darlehensvertrag die Haftung des Darlehensnehmers auf eine dem Darlehensgeber zum Pfand übergebene Sache, so liegt kein Verbraucherdarlehen vor (§ 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Regelung hat die sog. Leih- und Pfandhäuser im Blick.[1] Das sind typischerweise solche Verträge, bei denen ein Gelddarlehen gegen ein Pfandrecht vergeben wird.

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Beispiel: A hat kurzfristige finanzielle Engpässe und benötigt dringend 300 € um seine Schulden bei B zu begleichen. Daraufhin verpfändet er einige Antiquitäten bei Pfandleiher C und erhält von diesem ein Gelddarlehen i.H.v. 300 € zu einem Zinssatz von 1% und zzgl. Gebühren i.H.v. 6.50 €.

  • Hierbei haftet der Darlehensnehmer mit seinen zum Pfand übergebenen Antiquitäten. Ein Verbraucherdarlehensvertrag liegt nicht vor.

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2.1.2.2.1.2.3 Kurzzeitiges Darlehen

Vereinbaren die Parteien das Darlehen spätestens nach drei Monaten zurück zu zahlen und entstehen dem Verbraucher nur geringe Kosten, liegt kein Verbraucherdarlehensvertrag vor (§ 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Der Begriff der "geringen Kosten" bezieht sich auf alle dem Darlehensnehmer obliegenden Kosten. Es wird der effektive Jahreszins sowie die Höhe des Verzugszinses berücksichtigt.[2] Die Vorschrift nimmt insbesondere Bezug auf Darlehen, die über Kreditkarten vergeben werden.[3]

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Beispiel: A, dessen Girokonto nur noch 100 € Guthaben aufweist, möchte sich ein neues Möbelstück i.H.v. 450 € kaufen. Bis zur nächsten Gehaltszahlung dauert es noch 10 Tage. Da A Inhaber einer Kreditkarte ist, erwirbt er das Möbelstück unter Verwendung der Kreditkarte. A muss die Kreditsumme monatlich begleichen. A begleicht die Kreditkartenbelastung sofort nach dem Eingang seines Gehalts.

  • Es liegt ein kurzfristiges Darlehen vor, da es innerhalb von 3 Monaten (hier 10 Tagen) zurückgezahlt wird.

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2.1.2.2.1.2.4 Arbeitgeberdarlehen

Darlehensverträge, die zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber geschlossen werden, sind keine Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB). Die Voraussetzungen eines Arbeitgeberdarlehens sind, dass

  • der Darlehensvertrag anderen nicht angeboten wird,
  • der effektive Jahreszins geringer ist als der marktübliche Jahreszins
  • und der Darlehensvertrag eine Nebenleistung zum Arbeitsvertrag darstellt.

Die Voraussetzung "anderen nicht angeboten" bedeutet, dass das Darlehen nur für Betriebsangehörige angeboten wird und für Personen außerhalb des Betriebes unzugänglich ist.[4]

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Beispiel: Arbeitnehmer A ist in Geldnot. Er möchte jedoch kein Darlehen eines Kreditinstituts aufnehmen. Der marktübliche effektive Jahreszins liegt bei 4%. Als A von einem Programm zur Unterstützung von "in Not geratenen Arbeitnehmern" seines Arbeitgebers hört, möchte er dieses gerne in Anspruch nehmen. Arbeitgeber B gewährt dem A einen Kredit i.H.v. 5.000 € zu einem Zinssatz von 1%, ohne ihm weitere Gebühren zu berechnen.

  • Es liegt ein Arbeitgeberdarlehen vor, da nur Mitarbeiter des Unternehmens Zugang zu diesem Darlehensangebot haben. Das Darlehen stellt eine Nebenleistung zum Arbeitsvertrag dar und es wird zu günstigeren als den Marktüblichen Konditionen vergeben.

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2.1.2.2.1.2.5 Förderdarlehen

Darlehensverträge, die mit einem begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen werden, sind keine Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Förderdarlehensverträge setzen voraus, dass der Kredit zu günstigeren als den marktüblichen Bedingungen gewährt wird. Dazu zählen Darlehen, die ausschließlich einem bestimmten Kundenkreis im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen zum Zwecke des Gemeinwohles gewährt werden.

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Beispiel: A ist Studierender. Einen Anspruch auf Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) hat er nicht. Deswegen muss er sein Studium durch ein Darlehen bei der KfW-Bank (Kreditanstalt für Wideraufbau) finanzieren. Dies wird durch das zuständige Studentenwerk vermittelt. A bekommt ein Darlehen zu einem Zinssatz von 1,5%. Der Marktübliche Zinssatz liegt bei 5%.

  • Der § 18c Abs. 1 BAföG sieht als alternative Finanzierungsmöglichkeit ein Bankdarlehen der KfW-Bank vor. Das Darlehen wird zu günstigeren als den marktüblichen Bedingungen und auf Grund von Rechtsvorschriften im öffentlichen Interesse an einen begrenzten Personenkreis vergeben. Damit liegen die notwendigen Voraussetzungen eines Förderdarlehens vor.

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2.1.2.2.1.3 Verbundener Vertrag

Ein Verbrauchervertrag, der die Lieferung einer Sache oder die Erbringung einer Dienstleistung zum Inhalt hat (Primärvertrag) und mit einem Darlehensvertrag (Sekundärvertrag) verbunden ist, wird als verbundener Vertrag bezeichnet (§ 358 Abs. 3 BGB). Beide Verträge müssen eine wirtschaftliche Einheit bilden (§ 358 Abs. 3 S. 1 BGB). Eine wirtschaftliche Einheit liegt vor, wenn der Unternehmer selber die Gegenleistung des Verbrauchers (Kaufpreiszahlung) finanziert. Der Primärvertrag muss durch Darlehensvertrag finanziert werden. Übernimmt ein Dritter die Finanzierung des Primärvertrages, so muss dieser sich bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Vertrages der Mitwirkung des Unternehmers bedienen (§ 358 Abs. 3 S. 2 BGB). Welcher Vertrag zuerst abgeschlossen wird ist unerheblich.[5]

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Beispiel: Über einen Onlinehändler bestellt der Verbraucher eine Soundanlage. Da der Verbraucher finanzielle Engpässe hat, greift er auf ein Finanzierungsangebot des Unternehmers zurück. Der Unternehmer kooperiert für solche Zwecke mit einer Bank. Der Unternehmer vermittelt dem Verbraucher für die Finanzierung der Ware ein Bankdarlehen zu einem Zinssatz i.H.v. 1%.

  • Der Darlehensvertrag dient zur Finanzierung des Warenlieferungsvertrages. Durch die Kooperations- und Vermittlungstätigkeit des Unternehmers bedient sich die Bank (der Dritte) der Mitwirkung des Unternehmers. Eine wirtschaftliche Einheit beider Verträge liegt vor. Damit liegt ein verbundener Vertrag vor. Darüber hinaus liegt durch die Vermittlung des Darlehens ein Darlehensvermittlungsvertrag vor (§ 655a BGB).

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2.1.2.2.1.4 Zusammenhängender Vertrag

Sobald der Darlehensvertrag einen Bezug zu einem widerrufenem Vertrag aufweist und die Voraussetzungen des verbundenen Vertrages nicht erfüllt sind, liegt ein zusammenhängender Vertrag vor (§ 360 Abs. 1 S. 1 BGB).

Die beiden Verträge müssen einen tatsächlichen und wirtschaftlichen Bezug zueinander haben. Im Vergleich zum verbundenen Vertrag fehlt hier jedoch das Merkmal der wirtschaftlichen Einheit. Eine weitere Voraussetzung des zusammenhängenden Vertrages ist, dass der Darlehensvertrag eine Leistung betrifft, die vom Unternehmer des widerrufenen Vertrages erbracht wird (§ 360 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Leistung kann auch von einem Dritten auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Unternehmer erbracht werden.

Ein zusammenhängender Vertrag liegt auch dann vor, wenn das Darlehen ausschließlich der Finanzierung des widerrufenen Vertrages dient und die Leistung des Unternehmers aus dem widerrufenen Vertrag im Verbraucherdarlehensvertrag genau angegeben wird (§ 360 Abs. 2 S. 2 BGB).

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Beispiel: K erwirbt im Rahmen eines Fernabsatzvertrages ein Neufahrzeug. Die Finanzierung des Fahrzeugs übernimmt seine Hausbank. Zwischen der Bank und dem Verkäufer des Fahrzeuges besteht kein Informationsaustausch. Im Darlehensvertrag wird der Zweck der Finanzierung angegeben: "Finanzierung des Neufahrzeuges X". Eine Kopie des Kaufvertrages liegt dem Darlehensvertrag als Anlage bei.

  • Ein zusammenhängender Vertrag liegt auf den ersten Blick nicht vor, da eine Vereinbarung zwischen der Bank und dem Händler fehlt. Allerdings wurde der Darlehensvertrag zum Zwecke der Fahrzeugfinanzierung geschlossen. Da eine Kopie des Kaufvertrages den Darlehensunterlagen beiliegt, wurde die Leistung des Verkäufers genau im Darlehensvertrag angegeben (Verkauf des Neufahrzeuges X). Somit hat der Darlehensgeber Kenntnis vom Zweck des Darlehens. Aufgrund dessen liegt ein zusammenhängender Vertrag nach § 360 Abs. 2 S. 2 BGB vor.

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[1] Vgl. BT-Drs 16/11643, S. 76.

[2] Vgl. BeckOK BGB § 491, Rn 46 – 47.

[3] Vgl. BT-Drucks 16/11643, S. 76.

[4] Vgl. BT-Drucks 16/11643, S. 77.

[5] Vgl. jurisPK-BGB Band 2 § 358 Rn. 23.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Widerrufsrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Pascal Schöning, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-56-4.


 

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Stand: Januar 2016


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