Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 06 – Inhaber des Stimmrechts und Stimmrechtsausschluss

4 Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung

Das Stimmrecht ist das zentrale Recht der Gesellschafter einer GmbH. Es ist Grundlage der Teilhabe an der innergesellschaftlichen Willensbildung. In bestimmten Konstellationen kann dieses Recht aus höherwertigen Gründen Einschränkungen erfahren.

4.1 Inhaber des Stimmrechts

Inhaber des Stimmrechts können nur Gesellschafter sein. Maßgeblich ist die reine Stellung als Gesellschafter, sodass selbst im Falle einer Pfändung des Geschäftsanteils das Stimmrecht beim Gesellschafter verbleibt. Im Rahmen der Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers oder Insolvenzverwalters nimmt hingegen dieser das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung wahr.[1]

Beispiel

Der Geschäftsanteil des Gesellschafters A an der X GmbH wird im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens gepfändet.

  • Die Pfändung betrifft nur die vermögensrechtliche Seite. Im Rahmen der Gesellschafterversammlung bleibt das Stimmrecht des A unberührt.

Beispiel

Anders als im obigen Beispiel befindet sich A in der Privatinsolvenz.

  • Während dieser Zeit wird das Stimmrecht gemäß § 80 Abs. 1 InsO durch Insolvenzverwalter I wahrgenommen.

Für jeden Euro eines Geschäftsanteils kommt einem Gesellschafter eine Stimme zu (§ 47 Abs. 2 GmbHG). In der Satzung können jedoch abweichende Stimmgewichtungen, beispielsweise "one man, one vote", oder auch Sonderrechte, wie zum Beispiel Vetorechte für einen Minderheitengesellschafter, geregelt werden.[2]

Beispiel

Gesellschafter A hält einen Geschäftsanteil über 15.000 € an der X GmbH.

  • Nach dem Grundsatz des § 47 Abs. 2 GmbHG hat er damit in der Gesellschafterversammlung 15.000 Stimmen. Bei einer GmbH mit 25.000 € Stammkapital hält er folglich eine Mehrheit von 60 %.

Anders liegt der Fall, wenn im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, dass jedem Gesellschafter unabhängig von der Höhe seines Gesellschaftsanteils lediglich eine Stimme zukommt. In diesem Fall hätte der Gesellschafter, wie jeder andere Gesellschafter, nur eine Stimme.

Beispiel

Gesellschafter B hält einen Anteil über 25,1 % an der X GmbH. Der Gesellschaftsvertrag räumt ihm ein Vetorecht ein.

  • Die Gesellschafterversammlung kann Beschlüsse daher nicht gegen den Willen des B fassen.

4.2 Stimmrechtsausschluss von der Gesellschafterversammlung

Innerhalb einer Gesellschaft können bestimmte Interessenskonflikte auftreten, die sich ohne entsprechende Regelung nachteilig auf das Unternehmen auswirken können. § 47 Abs. 4 GmbHG greift dieses gesellschaftsrechtliche Prinzip, dass niemand "Richter in eigener Sache" sein darf, auf und schließt einen Gesellschafter in solchen Fällen von Abstimmungen aus.[3] In derartigen Fällen kann er sich auch nicht durch einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten vertreten lassen.[4]

Schwieriger ist ein Stimmrechtsausschluss, wenn es um die Befangenheit eines Vertreters einer Gesellschaft oder Gemeinschaft geht, die einen Geschäftsanteil hält. Dessen Befangenheit führt nur dann zu einem Ausschluss des Stimmrechts der Gesellschaft oder Gemeinschaft, wenn der Vertreter in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschafter genommen hat,[5] etwa weil er über 50 % der Stimmen der Gesellschaft vertritt, die Gesellschafterin der Gesellschaft ist, die die Versammlung abhält.

Beispiel

P ist alleiniger Geschäftsführer der M GmbH, die 50,1 % der Anteile an der X GmbH hält. Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung der X GmbH soll über einen Beratervertrag mit P abgestimmt und entschieden werden.

  • P ist in dieser Frage befangen. Er soll nicht "Richter in eigener Sache" sein. Da er alleiniger gesetzlicher Vertreter der M GmbH ist, schlägt seine Befangenheit auf diese durch. Das Stimmrecht der M GmbH ist zu diesem Beschlussgegenstand ausgeschlossen.

Die Befangenheit ist höchstpersönlich, sodass ein Stimmrechtsausschluss grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Stimmrecht nahestehender anderer Gesellschafter (etwa Familienangehöriger) hat. Allerdings kann ein entsprechender Beschluss erfolgreich angefochten werden, wenn eine nahestehende Person ihr Stimmrecht zum Vorteil eines ausgeschlossenen Gesellschafters missbraucht. Eine rechtswidrige Umgehung eines Stimmverbots liegt vor, wenn ein Geschäftsanteil vor einer solchen Abstimmung veräußert wird. In einem derart gelagerten Fall ist auch der Erwerber von der Abstimmung ausgeschlossen.[6]

Beispiel

Gesellschafterin M ist die Mutter des Gesellschafters A der X GmbH. A ist wegen Befangenheit von einem Beschlussgegenstand ausgeschlossen. M macht während der Beratungen deutlich, dass sie ihrem Sohn einen materiellen Vorteil verschaffen will und stimmt in seinem Sinne ab.

  • M hat ihr Stimmrecht aus gesellschaftsfremden Motiven missbraucht. Der fragliche Beschluss ist anfechtbar.

Beispiel

Im Vorfeld einer Gesellschafterversammlung der X GmbH zeichnet sich ab, dass die übrigen Gesellschafter "gegen" ihren Mitgesellschafter A, der 50,1 % der Anteile hält, stimmen werden. Er ist zu dem fraglichen Beschlussgegenstand jedoch befangen. Um einer für ihn nachteiligen Beschlussfassung zu entgehen, veräußert er seine Anteile kurzerhand an H, damit dieser das Stimmrecht in seinem Sinne ausübe, und vereinbart mit diesem, dass ihm die Anteile nach der fraglichen Sitzung wieder zurückübereignet werden sollen.

  • A umgeht dadurch in rechtswidriger Weise das Stimmverbot. Dadurch ist auch H von der Beschlussfassung ausgeschlossen.

4.2.1 Entlastung eines Gesellschafters

Bei der Beschlussfassung über die Entlastung eines Geschäftsführers oder Aufsichtsrates, der zugleich Gesellschafters ist, ist dieser - auch in Bezug auf zu vertretende Mitgesellschafter - nicht stimmberechtigt, § 47 Abs. 4 S. 1 Alt. 1 GmbHG.[7]

Das Stimmverbot darf bei der Entlastung mehrerer Geschäftsführer nicht dadurch umgangen werden, dass eine Einzelabstimmung erfolgt, wenn es tatsächlich Bedenken gibt, die die Geschäftsführung als Ganzes betreffen. Im Übrigen ist eine Einzelabstimmung zulässig.[8]

Beispiel

Gesellschafter-Geschäftsführer G soll im Rahmen einer Gesellschafterversammlung entlastet werden.

  • Gemäß § 47 Abs. 4 S. 1 Alt. 1 GmbHG ist er in dieser Frage nicht stimmberechtigt.

Beispiel

Die Geschäftsführung der X GmbH besteht aus drei Geschäftsführern, die allesamt zugleich Gesellschafter der X GmbH sind. Einzelne Mitgesellschafter werfen ihnen vor, für die negativen Folgen eines Geschäfts verantwortlich zu sein.

  • In diesem Fall darf nur gemeinsam ("en bloc") über die Entlastung der drei Geschäftsführer abgestimmt werden, wodurch auch alle drei wegen Befangenheit von der Beschlussfassung ausgeschlossen sind. Eine Einzelabstimmung würde diesen Stimmrechtsausschluss umgehen.

4.2.2 Befreiung von einer Verbindlichkeit

Ein Gesellschafter ist vom seinem Stimmrecht ausgeschlossen, wenn ein er von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, § 47 Abs. 4 S. 1 Alt. 2 GmbHG, also der betreffende Gesellschafter eine geschuldete Leistung, wie z.B.

  • Einlage- und Nachschussverpflichtung
  • Ersatzansprüche
  • Ansprüche aus Kauf-, Darlehens oder Bürgschaftsverträgen

ganz oder zum Teil, endgültig oder vorübergehend nicht zu erbringen braucht.[9]

Beispiel

A hat mit der X GmbH, an der er Anteile hält, einen Kaufvertrag abgeschlossen. Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung soll über den Forderungsverzicht in Bezug auf Schadensersatzansprüche abgestimmt werden.

  • Das Stimmrecht des A ist in dieser Frage ausgeschlossen.

4.2.3 Vornahme eines Rechtsgeschäfts

Wenn ein Rechtsgeschäft mit einem Gesellschafter vorgenommen werden soll, ist das Stimmrecht für diesen Gesellschafter ausgeschlossen, § 47 Abs. 4 S. 2 Var. 1 GmbHG.[10]

Beispiel

Die X GmbH beabsichtigt, mit ihrem Gesellschafter A einen Grundstückskaufvertrag zu schließen und legt dieses Vorhaben der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung vor.

  • Das Stimmrecht des A ist ausgeschlossen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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