Arbeitnehmerüberlassung – Teil 03 – Rechtsbeziehungen

3.3 Rechtsbeziehungen

Bei einer Arbeitnehmerüberlassung bestehen drei Rechtsverhältnisse (s. Abblidung 1).

Das Verhältnis zwischen

  • dem Leiharbeiter und dem Verleiher
  • dem Verleiher und dem Entleiher und
  • dem Entleiher und dem Leiharbeiter.

3.3.1 Leiharbeiter und Verleiher

Zwischen dem Arbeitnehmer, dem Leiharbeiter, und dessen Arbeitgeber, dem Verleiher, liegt regelmäßig ein Arbeitsvertrag im Sinne von § 611 BGB vor. Der Inhalt des Arbeitsvertrags ist maßgebend für die Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist kein Erfüllungsgehilfe des Verleihers.

3.3.2 Verleiher und Entleiher

Zwischen dem Verleiher und dem Entleiher liegt ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vor. Der Verleiher verpflichtet sich gem. § 1 I AÜG einen geeigneten Arbeitnehmer auszuwählen und diesen dem Entleiher entgeltlich zur Verfügung zu stellen. Der Verleiher schuldet keine eigene Arbeitsleistung.

Beispiel 1

Die Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH schließt mit dem Schlosserbetrieb Stahl GmbH einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Die Zeitarbeitsfirma sucht aus ihren Arbeitnehmern Herrn Max raus, der gelernter Schlosser ist.

  • Herr Max wird fortan im Betrieb Stahl GmbH tätig. Die Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH muss nicht selbst in der Schlosserei der Stahl GmbH tätig werden.

Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Damit ist er ein Vertrag sui generis, der als Unterfall des Dienstverschaffungsvertrages gilt, der ebenfalls im Gesetz nicht geregelt ist. Auf ihn finden die §§ 611 ff. BGB Anwendung. Im Unterschied zum Dienstvertrag schuldet der Dienstverpflichtete nicht die Erbringung eigener Dienste, sondern die Verschaffung fremder Dienste. Gem. § 12 I 1 AÜG bedarf der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag der Schriftform.

Der Verleiher hat dem Entleiher gem. § 12 I 2 AÜG mitzuteilen, ob er eine Überlassungserlaubnis nach § 1 I 1 AÜG besitzt. Fällt diese später weg, hat der Verleiher den Entleiher nach § 12 II 1 AÜG unverzüglich darüber zu informieren. Bei einer Nichtverlängerung, Rücknahme oder dem Widerruf hat er ihn auf das voraussichtliche Ende der Abwicklung und die gesetzliche Abwicklungspflicht hinzuweisen, § 12 II 2 AÜG.

Beispiel 2

Die Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH vereinbart mit dem Einzelhandelsunternehmen PRO AG eine Arbeitnehmerüberlassung. Die Zeitarbeitsfirma beantragt daher eine Erlaubnis nach § 1 AÜG bei der Bundesagentur für Arbeit, die ihr erteilt wird. Später stellt sich heraus, dass die Zeitarbeitsfirma genauso wie das Einzelhandelsunternehmen PRO AG Gesellschafter des PRO Konzerns sind.

  • Voraussetzung für die Erteilung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist, dass der Arbeitnehmer dem Entleiher im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit überlassen wird. Bei einer konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung liegt diese Voraussetzung nicht vor. Daher kann die Bundesagentur für Arbeit die Erlaubnis widerrufen.

Der Entleiher hat im Vertrag gem. § 12 I 3 AÜG anzugeben, welche besonderen Merkmale der Leiharbeitnehmer für die vorgesehene Tätigkeit erfüllen muss und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist. Darüber hinaus hat der Entleiher die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gelten, einschließlich der Vergütung, anzugeben. Dies gilt nach §§ 3 I Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG nicht, wenn der Entleiher das equal pay- Prinzip nicht einhält oder eine Vereinbarung vorliegt, die dem Entleiher untersagt, den Leiharbeitnehmer nach der Arbeitnehmerüberlassung einzustellen und die Erlaubnispflicht daher zu versagen bzw. der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag unwirksam ist.

Der Entleiher muss eine vereinbarte Vergütung für die Arbeitnehmerüberlassung zahlen. Kann er die zur Verfügung gestellten Leiharbeitnehmer nicht beschäftigen, trägt er das Verwendungsrisiko. Er wird von seiner Zahlungspflicht nicht befreit.

Beispiel 3

Die Schlosserei Stahl GmbH beschäftigt neben ihren 15 Stammmitarbeitern drei Leiharbeitnehmer. Aufgrund eines heftigen Schneesturms ist der Zugang zur Fabrikhalle versperrt. Die Arbeitnehmer können daher ihrer Arbeit nicht nachgehen und werden für diesen Tag freigestellt.

  • Das gilt auch für die Leiharbeitnehmer. Die Zahlung, die der Entleiher an den Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung zu verrichten hat, entfällt nicht.

3.3.3 Entleiher und Leiharbeiter

Zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeiter liegt kein Vertragsverhältnis vor.

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeiter wird aber nach herrschender Meinung als Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB angesehen, so dass er Auswirkungen auf den Entleiher hat. Der Entleiher enthält aus dem Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeiter ein eigenes Forderungs- und Weisungsrecht. Danach kann er über den Leiharbeiter nach seinen eigenen betrieblichen Erfordernissen frei verfügen und ihn wie seinen eigenen Arbeitnehmer einsetzen.

Sind im Arbeitsvertrag zwischen dem Leiharbeiter und dem Verleiher Vereinbarungen über die Arbeitszeit oder Urlaub geregelt, beschränken diese das Weisungsrecht des Entleihers.

Beispiel 1

Der Entleiher kann bestimmen, dass der Leiharbeitnehmer von Montags bis Freitag jeweils von 7 bis 16 Uhr in seinem Betrieb arbeitet und dass während der Sommermonate kein Urlaub genommen werden darf, da während dieser Zeit viele Stammmitarbeiter fehlen.

  • Dieses Weisungsrecht ist eingeschränkt, wenn im Arbeitsvertrag des Verleihers mit dem Leiharbeitnehmer vereinbart ist, dass dem Leiharbeiter 14 Urlaubstage im August zustehen.

Der Entleiher hat gegenüber dem Leiharbeiter gewisse Schutzpflichten. Er ist verpflichten, ausreichende Schutzmaßnahmen für den Leiharbeiter zu treffen. Daneben ist er verpflichtet den Arbeitnehmer in seinen Betrieb und seine Betriebsordnung einzugliedern.

Beispiel 2

Der Entleiher hat dem Leiharbeitnehmer die einheitliche Sicherheitskleidung und -schuhe zur Verfügung zu stellen und ihm den Zugang zu den Gemeinschaftsräumen zu ermöglichen, die den Stammmitarbeitern zustehen.

  • Dazu gehören die Pausenräume, die Gemeinschaftsverpflegung oder Kinderbetreuungseinrichtungen.

Der Entleiherbetriebsrat ist zuständig, hinsichtlich der Eingliederung in den Entleiherbetrieb, bei Problematiken bezüglich der Art und Weise der Arbeit im Entleiherbetrieb oder der dortigen Betriebsordnung. Der Verleiherbetriebsrat ist zuständig, wenn sich der Leiharbeiter auf Rechte beruft, die eine arbeitsvertragliche Beziehung voraussetzen, die nur zum Verleiher besteht (BAG 19.06.2001- 1 ABR 43/00).

Beispiel 3

Herr Müller ist bei der Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH angestellt und seit dem 01.04.2015 als Leiharbeitnehmer bei der Schlosserei Stahl GmbH beschäftigt. Seit dem 01.06.2015 erhält er statt 1.200 € netto im Monat nur noch 1.000 € netto im Monat. Hierzu gibt es keinen ersichtlichen Grund.

  • Trotz der Arbeitnehmerüberlassung ist die Glöckler GmbH weiterhin zur Lohnzahlung verpflichtet ist. Herr Müller muss sich wegen Fragen zu seinem Lohn an den Betriebsrat der Glöckler GmbH wenden.

Beispiel 4

Seit Beginn seiner Tätigkeit bei dem Entleiherbetrieb ist Herr Müller der Zugang zu den Gemeinschaftsräumen im Entleiherbetrieb verwehrt.

  • Da er sich künftig während den Pausen in den Gemeinschaftsräumen aufhalten will, muss er sich an den Entleiherbetriebsrat wenden.

Fraglich ist, ob die Einhaltung des Grundsatzes des equal pay nach § 10 IV AÜG gem. § 99 BetrVG durch das Mitbestimmungsrecht des Entleiherbetriebsrat oder des Verleiherbetriebsrat zu überprüfen ist.

Gegen die Zuständigkeit des Entleiherbetriebsrat spricht, dass der Entleiherbetrieb nur für Fragen und Problematiken bezüglich der Eingliederung in den Entleiherbetrieb zuständigen ist. Bei dem equal pay Prinzips, also der Gleichstellung des Leiharbeitnehmers mit den Stammmitarbeitern hinsichtlich der Lohnzahlung, muss allerdings ein Arbeitsverhältnis bestehen. Das liegt zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer nicht vor. Der Verleiher bleibt als Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Aus diesem Grund erscheint es vorzugswürdiger, dass der Betriebsrat des Verleihers das Mitbestimmungsrecht über die Einhaltung des equal pay Grundsatzes nach §§ 99 BetrVG ausübt und nicht der Betriebsrat des Entleihers. Dies entspricht dem BAG Urteil v. 21.07.2009 (1 ABR 35/08), nach dem der Entleiherbetriebsrat kein Zustimmungsverweigerungsrecht hat, wenn ein Verstoß gegen das equal pay-Prinzip vorliegt. Der Entleiherbetriebsrat ist kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle.

Der Verleiher hat gegenüber dem Betriebsrat eine Auskunftspflicht, damit dieser die Eingruppierung des Arbeitnehmers richtig überprüfen kann. Dafür muss der Verleiher alle erforderlichen Informationen über den Lohn der Stammmitarbeiter, die im selben Tätigkeitsbereich wie der Leiharbeitnehmer tätig sind, vom Entleiher verlangen.

Eine solche Eingruppierung ist nicht nötig, wenn ein kollektives Vergütungssystem beim Entleiher nicht vorhanden ist.

Vor Übernahme eines Leiharbeiters und der Eingliederung in den Betrieb des Entleihers, ist der Entleiherbetriebsrat nach § 14 III 1 AÜG i.V.m. § 99 BetrVG zu informieren.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


 

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Stand: Januar 2016


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