Arbeitnehmerüberlassung – Teil 01 – Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten und allgemeiner Vertragsinhalt

1. Einleitung

Die heutige Wirtschaft erfordert nicht nur eine unternehmerische Flexibilität, sondern auch eine Flexibilität der im jeweiligen Betrieb eingesetzten Ressourcen. Statt eigene Stammmitarbeiter einzusetzen, wird bei der Bewältigung von Arbeitsspitzen oder Saisonarbeit immer häufiger auf einen bedarfsorientierten Einsatz von Fremdpersonal zurückgegriffen.

Ein etabliertes Instrument des Fremdpersonaleinsatzes ist die Arbeitnehmerüberlassung. Sie ermöglicht es, personelle Engpässe und vorübergehende wirtschaftliche Veränderungen durch einen kurzzeitigen erhöhten Personaleinsatz auszugleichen, ohne gleichzeitig langfristig wirksame Maßnahmen treffen zu müssen. Im Vergleich zu Überstunden der Stammbelegschaft und befristete Arbeitsverträge ist die Arbeitnehmerüberlassung wohl das flexibelste Instrument. Nach einem unerwarteten Auftragsrückgang kann der Arbeitgeber den Leiharbeitnehmer an den Verleiher zurückgeben, Kündigungsvorschriften müssen nicht beachtet werden.

Zum Schutz des Leiharbeitnehmers wurde die Arbeitnehmerüberlassung in den letzten Jahren erheblich reglementiert, weshalb viele Unternehmen dazu übergegangen sind, komplette Aufgabenbereiche aus ihrem Betrieb auszusondern und an Werkunternehmer zu vergeben. Diese Vorgehensweise birgt die Gefahr einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung, wenn trotz der vertraglichen Bezeichnung als "Werkvertrag", eine Überlassung von Arbeitnehmern erfolgt und somit die besonderen Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ("AÜG") umgangen werden. Aus diesem Grund ist eine genaue Gestaltung und Abgrenzung der verschiedenen Arten des Fremdpersonaleinsatzes zu empfehlen.

2. Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten

Ein Fremdpersonaleinsatz kann durch verschiede vertragliche Gestaltungen erfolgen. Neben der Arbeitnehmerüberlassung kann eine Drittbeschäftigung durch einen Dienst- oder Werkvertrag ermöglicht werden. Während sich der vorrangige Vertragsgegenstand bei der Arbeitnehmerüberlassung auf die Überlassung von Arbeitnehmern an Dritte zur Arbeitsleistung bezieht, erfasst der Werkvertrag die Herstellung eines Werkes und der Dienstvertrag die Erbringung einer Dienstleistung. Im ersten Fall wird ein Werk geschuldet, im zweiten Fall lediglich die Erbringung der Leistung. Welche Personen zur Vertragserfüllung eingesetzt werden, ist - im Regelfall zumindest - unerheblich.

2.1 Allgemeine Erwägungen

2.1.1 Vertragsschluss

Ein Vertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen - Angebot und Annahme - zustande. Das Angebot muss alle essentiellen Vertragspunkte enthalten, sodass es mit einem einfachen „Ja“ des anderen Vertragspartners angenommen werden kann.

Das Angebot und die Annahme können ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Konkludentes Handeln ist jedes Handeln, das einen Rechtswillen erkennen lässt, etwa durch das Tanken an einer Zapfsäule.

2.1.2 Vertragsfreiheit

Weitere wesentliche Merkmale der Vertragsfreiheit sind die

  • Abschlussfreiheit
  • Inhaltsfreiheit
  • Formfreiheit sowie
  • Beendigungsfreiheit.

Unter Berücksichtigung dieser vier Merkmale steht es jedem frei, ob er einen Vertrag mit seinem Vertragspartnern abschließen will, welcher Inhalt dieser Vertrag dieser haben soll, dass dieser regelmäßiger keiner besonderen Form bedarf (außer z.B. Grundstückskaufverträge, Schenkungsversprechen, Erbverträge) und die Entscheidung, wann ein Vertrag beendet werden soll.

3. Arbeitnehmerüberlassungsvertrag

3.1 Allgemeiner Vertragsinhalt

Die Arbeitnehmerüberlassung ist im AÜG geregelt. Dabei stellt der Arbeitgeber "seinen" Arbeitnehmer einem Dritten ("Entleiher") zur Erbringung von Arbeitsleistungen zur Verfügung. Der Arbeitnehmer wird also nicht im Betrieb seines des Arbeitgebers, sondern im Betrieb eines Dritten tätig. Dafür ist die Zustimmung des Arbeitnehmers nach § 613 S. 2 BGB nötig.

Beispiel 1

Frau Siegfried ist bei dem Automobilhersteller Anton und Auto GmbH & Co. KG als Arbeitnehmerin angestellt. Infolge einer vorübergehenden Arbeitnehmerknappheit in dem Betrieb des Automobilherstellers Bernds Schlitten GmbH, vereinbart die Anton und Auto GmbH & Co. KG mit Bernds Schlitten GmbH, dass Frau Siegfried vorrübergehend zur Arbeit überlassen wird.

  • Nachdem Frau Siegfried ihre Zustimmung zur Arbeitnehmerüberlassung erteilt hat, wird sie im Betrieb der Bernds Schlitten GmbH tätig. Die Überlassung von Frau Siegfried ist zulässig.

Abzugrenzen ist die Arbeitnehmerüberlassung von einer

  • Maschinenüberlassung oder
  • der konzerninternen Personalüberlassung.

Eine konzerninterne Personalüberlassung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer bei einer Personalführungsgesellschaft angestellt wird, die diesen Arbeitnehmer zur Ausführung einer geschuldete Tätigkeit in einem konzerninternen Unternehmen einsetzt. Die Unternehmen sind also gesellschaftsrechtlich entsprechend §§ 15 ff. AktG miteinander verbunden (z.B. Mutter- / Tochtergesellschaft).

Eine Maschinenüberlassung liegt vor, wenn entweder der Arbeitgeber einem Dritten Maschinen oder Geräte einschließlich eines bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers als Bedienungspersonal zur Verfügung stellt. Bei dem Maschinenüberlassungsvertrag steht die Überlassung und Nutzung der Maschine im Vordergrund. Das AÜG findet keine Anwendung.

Beispiel 2

Der Werkzeughersteller Hammer und Zange OHG benötigt zur Werkzeugherstellung eine spezielle Maschine. Die Maschinenverleihfirma "Maschinen to go GmbH" hat diese Maschine in ihrem Repertoire. Da der Umgang mit dieser Maschine nur von einem eingelernten Personal vorgenommen werden kann, verleiht die "Maschinen to go GmbH" die Maschine nur zusammen mit Herrn Clever als Bedienungspersonal.

  • Hier liegt keine Arbeitnehmerüberlassung vor.

Das AÜG und ihre zugrundliegende Richtlinie 08/104/EG verwenden für die Arbeitnehmerüberlassung den Begriff der Leiharbeit. Hierzu heißt es in § 1 Abs. 1, S. 1 AÜG:

"Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, bedürfen der Erlaubnis. Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend."

Der Verleiher, also der orginäre Arbeitgeber des (Leih-) Arbeitnehmers, bedarf also einer Erlaubnis dafür, dass er "seine" Arbeitnehmer verleihen, also bei seinen Kunden, den Entleihern einsetzen darf.

Das AÜG wurde auch eingeführt als eine arbeitspolitische Maßnahme, mit dem Ziel Arbeitslose leichter wieder in das Erwerbsleben zu vermitteln.

Der Arbeitgeber als Verleiher ist in den meisten Fällen ein Zeitarbeitsunternehmen, das den Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer, einem Dritten, dem Entleiher, zur Arbeitsleistung überlässt, § 1 I 1 AÜG. Diese Überlassung erfolgt gem. § 1 I 2 AÜG nur vorübergehend. In der Praxis wird deshalb der Begriff „Zeitarbeit“ verwendet.

Charakteristisch für eine Arbeitnehmerüberlassung ist, dass die Arbeitgeberfunktion auf quasi zwei Personen verteilt wird:

(1) Der Entleiher hat das Weisungsrecht und die Schutzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer.

(2) Der Verleiher bleibt dem Arbeitnehmer selbst nach der Überlassung zur Lohnzahlung verpflichtet und hat die Sozialabgaben für ihn zu berechnen und abzuführen.

Damit entsteht aus einem zwei-Personen-Verhältnis ein drei-Personen-Verhältnis. Vertraglich bildet sich ein Art Dreieckeckverhältnis zwischen Verleiher, Entleiher und Arbeitnehmer.

Beispiel 3

Das Arbeitsverhältnis von Frau Siegfried mit der Anton und Auto GmbH & Co. KG wird um einen weiteren Arbeitgeber, der Bernds Schlitten GmbH, erweitert.

  • Während die Anton und Auto GmbH & Co. KG weiterhin ihren Lohnanspruch bezahlt, trifft Bernds Schlitten GmbH die Pflicht zu überprüfen, dass Frau Siegfried die erforderliche Sicherheitskleidung im Betrieb trägt. Bernds Schlitten GmbH bestimmt als Arbeitgeber während der Arbeitnehmerüberlassung die Arbeits- und Urlaubszeiten.

Verträge bestehen also zwischen

(1) dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer, und

(2) dem Verleiher und dem Entleiher.

Zwischen Entleiher und Leiharabeitnehmer besteht kein Vertragsverhältnis. Gleichwohl übernimmt der Entleiher für die Dauer der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei ich die Funktion des Arbeitgebers - erweist ihm z.B. die zu erledigende Arbeit zu.

Die Arbeitnehmerüberlassung ermöglicht, kurzfristig erhöhten Personalbedarf zu decken, ohne langfristige Arbeitsverhältnisse begründen zu müssen.

Für den Leiharbeiternehmer können aus dem drei-Personen-Verhältnis besondere Belastungen entstehen, die über die gesetzlichen Schutzpflichten im AÜG ausgeglichen werden sollen.

Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Entleiher ausreichende Schutzmaßnahmen für den Leiharbeiter zu treffen. Im Rahmen dessen hat er

  • das Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (ArbSchG)
  • die Vorschriften zu Arbeitszeitgesetz
  • das Mutterschutzgesetz
  • das Unfallverhütungsgesetz nach § 15 SGB VII
    das Gleichstellungsgebot nach § 10 IV AÜG und
  • das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

zu beachten.

In Anlehnung an § 10 IV AÜG gilt bei der Arbeitnehmerüberlassung das Gleichstellungsgebot, das die Gleichstellung des Leiharbeiters gegenüber den sonstigen, Arbeitnehmern des Entleihers hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen gewähren soll. Wesentliche Arbeitsbedingungen sind neben dem Arbeitsentgelt alle nach dem allgemeinen Arbeitsrecht geltenden Bedingungen, die sich aus Gesetzen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und dem Arbeitsvertrag ergeben. Verglichen wird der Leiharbeitnehmer mit Arbeitnehmern, die im selben Tätigkeitsbereich arbeiten.

Bestandteil des Gleichstellungsgebots ist das

  • equal pay: dem Leiharbeiter soll für die Zeit der Überlassung das gleiche Entgelt bezahlt werden, wie einem vergleichbaren angestellten Arbeitnehmer des Entleihers sowie
  • equal treatment: die Leiharbeiter und der Arbeitnehmer sollen hinsichtlich Prämien, Urlaubsansprüchen und der Nutzung von Einrichtungen gleichbehandelt werden.

Beispiel 4

Der Leiharbeitnehmer Herr Müller arbeitet bei einem Automobilhersteller in der Lackiererei. Die Stammarbeitnehmer des Automobilherstellers verdienen 12 € pro Stunde, haben 30 Urlaubstage und erhalten Weihnachtsgeld.

  • Nach den equal pay und equal treatment- Grundsätzen hat Herr Müller Anspruch auf denselben Lohn, die gleiche Anzahl von Urlaubstagen sowie auf Auszahlung des Weihnachtsgelds.

Gem. § 9 Nr. 2 AÜG sind entgegenstehende Vereinbarungen unwirksam. Eine Abweichung ist nur durch einen wirksamen Tarifvertrag möglich.

Beispiel 5

Der Arbeitsvertrag von Herrn Müller sieht vor, dass er nur einen Stundenlohn von 8,50 € und 26 Urlaubstage erhält.

  • Der Arbeitsvertrag ist in diesen Punkten unwirksam. Herr Müller hat Anspruch auf ein Gehalt in Höhe von 12 € die Stunde und 30 Urlaubstage.

Eine Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe ist nach § 1 b AÜG übrigens unzulässig. Eine Ausnahme ist gem. § 1 b S. 2 AÜG ausschließlich zwischen Betrieben des Baugewerbes möglich, wenn ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag dies bestimmt oder wenn der verleihende Betrieb nachweislich seit mindestens. drei Jahren von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder von deren Allgemeinverbindlichkeiten erfasst wird.

Beispiel 6

Der Bauunternehmer Aufbau GmbH ist seit 10 Jahren Mitglied in denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen.

  • Gem. § 1 b S. 1 b) AÜG kann er Entleiher im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung sein.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


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zum folgenden Teil des Buches

 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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