Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 07 – Die eingeschränkte Aufklärungspflicht


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


2.2.2. Eingeschränkte Aufklärungspflicht

Die Bank kann ihren Aufklärungspflichten genügen, wenn sie dem Kunden offen gesteht, dass sie sich mit dem vom Kunden genau bezeichneten Finanzinstrument nicht auskennt. Lässt der Kunde die Bank den Kauf dennoch ausführen, gibt er der Bank damit stillschweigend zu verstehen, dass er keine Aufklärung benötigt. Die Aufklärungspflicht der bank wird hiermit eingeschränkt. Eine Verletzung von Aufklärungspflichten gegenüber einem Kunden, der keine Aufklärung benötigt oder wünscht, scheidet grundsätzlich aus.
Dies machen sich beispielsweise Discount-Broker zunutze, indem sie nur Aufträge zum Kauf von Kapitalanlagen ausführen und keine Beratung vornehmen. Bei diesen als Execution-only-business bezeichneten Geschäften sind die Aufklärungspflichten sehr stark reduziert. Es besteht nur die Pflicht zu einer von den einzelnen Geschäften losgelösten Anfangserklärung mit standardisierten Informationen.

Beispiel

Die Bank Sofort am Markt bietet über ein Direkt-Depot nur die Ausführung von Aktienkäufen und Aktienverkäufen an, ohne Empfehlungen oder eine Beratung anzubieten. Herr Sonderlich tritt an die Bank Sofort am Markt heran und beauftragt sie, Aktien des Unternehmens Schnell und Günstig AG mit der Wertpapierkennnummer ABC1234 zu erwerben. Hier genügt es, wenn die Bank Sofort am Markt Herrn Sonderlich zu Beginn der Geschäftsbeziehung darauf hinweist, dass sie nicht prüft, ob das Geschäft für den Kunden angemessen ist.

Die verbleibenden Aufklärungspflichten in der Anfangserklärung betreffen standardisierte Informationen z.B. über das ausführende Wertpapierdienstleistungsunternehmen, dessen Dienstleistungen, Ausführungsplätze der Aufträge, Kosten und Nebenkosten nach § 31 III WpHG. Wenn die standardisierten Informationen falsch sind, begründet dies keine Haftung des Beraters, denn die Vorschriften des WpHG dienen nicht dem zivilrechtlichen Schutz des Anlegers, sondern dem Aufsichtsrecht. Es können dann z.B. Bußgelder entstehen.
Allerdings müssen selbst Discount-Broker den Kunden warnen, wenn sie erkennen, dass die Anlage deutlich von den Zielvorstellungen des Anlegers abweicht. Die Bank muss nämlich auch im Execution-only-business Informationen zu ihrem Kunden einholen.

Beispiel

Frau Wiener eröffnet ein Direkt-Depot bei der Bank Sofort am Markt zum Abwickeln von Aktienkäufen und -verkäufen. Die Bank Sofort am Markt bietet keine Beratungsleistungen an. Frau Wiener gibt an, sie sei „risikobewusst“ und strebe „höhere Renditeaussichten bei überschaubaren Risiken“ an. Frau Wiener ist nicht „spekulativ“. Sie will also „keine offensive Nutzung von Marktchancen bei gleichzeitig hohen Risiken“.
Wenn Frau Wiener daraufhin Aktien des Neuen Marktes (Zukunftsbranchen wie Multimedia oder Informationstechnologie) kauft, die ersichtlich hohe Risiken aufweisen, muss die Bank Sofort am Markt Frau Wiener warnen, auch wenn sie sonst keine Beratung oder Aufklärung schuldet.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.


 

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Wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:

  • Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
  • Durchsetzung von Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen bei Bankberatungsfehlern, z.B. beim Abschluss von offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Schiffsfonds, Zinsdifferenzgeschäften, Swapverträgen etc.
  • Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
  • Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
  • Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
  • Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
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  • Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
  • Pflichten und Haftung bei der Anlageberatung - Welche Rechte haben Sie gegenüber Ihrer Bank?
  • Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
  • Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
  • Der Verkauf von notleidenden Krediten – Was darf Ihre Bank und was nicht
  • Datenschutz im Bankrecht – Bankgeheimnis und Bankauskünfte: Wer erfährt was?

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