Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 01 – Überblick über das Besteuerungsverfahren

1 Vorüberlegungen

Nicht erst mit dem Fall des Managers eines bayerischen Fußballvereins ist das Steuerstrafrecht endgültig in der Öffentlichkeit angelangt. Von diversen prominenten Steuersündern bis hin zu Ankäufen dubioser „Steuer-CDs“ vernahm man aus der medialen Öffentlichkeit. Steuerhinterziehung, ein in früheren Zeiten als „Kavaliersdelikt“ angesehenes Handeln, findet zunehmend Beachtung durch die breite Öffentlichkeit. Allein die Zahlen sprechen dafür, Steuerstraftaten nicht als Bagatelle einzustufen: In der Presse kursieren Summen zwischen 30 und 159 Milliarden Euro pro Jahr, die dem Fiskus durch Steuerhinterziehung verloren gehen. (Fußnote) Die in Folge der Arbeit deutscher Steuerfahnder eingebrachten Steuergelder ist beachtlich: 18 Milliarden Euro kamen an zusätzlichen Steuergeldern allein im Jahr 2012 hinzu.( Fußnote)

Abseits dieser Fakten ist zu beachten, dass zurückgehaltene Steuern die Gesellschaft als Ganzes betreffen. Während beispielsweise bei einem Diebstahl der Täter im Normalfall ein einzelnes Opfer zurücklässt, ist der Opferkreis im Bereich des Steuerstrafrechts weiter gefasst. Steuerstraftaten treffen die Allgemeinheit als Ganzes.

Der folgende Beitrag soll daher Licht in die brisante Materie bringen und die einzelnen Handlungen, die zu einer Strafbarkeit führen können, näher beleuchten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Strafbarkeit einzelner Organe von Unternehmen. Thematisch werden zwei Punkte behandelt: Zum einen wer sich im Unternehmen überhaupt strafbar machen kann, zum anderen nach welchen Normen dies geschehen kann. Zentrales Tatbestandsmerkmal ist die Steuerhinterziehung, außerdem werden weitere relevante Steuerstraftaten und Ordnungswidrigkeiten erläutert. Darüber hinaus wird angesprochen, wie ein Steuerstrafverfahren abläuft, wann besagte Straftaten verjährt sind und wie sich eine Selbstanzeige auswirkt. Die dabei verwendeten Beispiele basieren zumeist auf realen Sachverhalten, die von Gerichten entschieden worden sind. Der Erläuterung von ausgesuchten Fachbegriffen ist das Kapitel „Index“ gewidmet.

2 Überblick über das Besteuerungsverfahren

Bei den meisten Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten handelt es sich um sogenannte Blankettnormen. Das bedeutet, dass die Normen selbst den Tatbestand nicht vollständig erfassen. Sie enthalten zumeist einen Verweis auf andere Steuervorschriften. Was z.B. eine „steuerlich erhebliche Tatsache“ ist, lässt sich ohne Rückgriff auf entsprechende außersteuerstrafrechtliche Normen nicht feststellen.(Fußnote)

Der Staat erhebt zu seiner Finanzierung Steuern. Eine Steuer ist eine Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung. Dabei können verschiedene Vorgänge Gegenstand der Besteuerung sein: (Fußnote)

Das Einkommen, das durch eine natürliche oder juristische Person erzielt wird, wird durch Ertrags- bzw. Körperschaftssteuern erfasst. Zusätzlich steht den Gemeinden für gewerbliche Unternehmen die Gewerbesteuer zu.

  • Die entgeltliche Erbringung von Leistungen wird bei Unternehmern durch die Umsatzsteuer erfasst.
  • Der unentgeltliche Erwerb von Vermögensgegenständen ist erfasst durch die Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer.
  • Der Verbrauch von Gütern wird z.B. durch die Mineralölsteuer oder die Tabaksteuer erfasst.
  • Die (bloße) Existenz von Vermögen wird durch die Grundsteuer erfasst.

Die genannten Steuern stellen die praktisch wichtigsten Steuerarten da. In den einzelnen Steuergesetzen (z.B. EStG, KStG, GewStG, UStG, etc.) ist genau festgelegt

  • an welchen Vorgang eine Steuerpflicht anknüpft
  • was Bemessungsgrundlage ist
  • wie hoch der prozentuale Steuersatz ist und
  • wer Steuerschuldner der jeweiligen Steuer ist.

In der Abgabenordnung sind die allgemeinen, für alle Steuerarten gültigen Vorschriften über das Steuerverfahren geregelt. Darüber hinaus ist dort das Steuerstrafrecht verankert. Dabei begründet die Abgabenordnung selbst keine eigenständige Steuerart.

Steueransprüche des Staates entstehen nach dem sogenannten Tatbestandsprinzip gem. § 38 AO (Fußnote):

Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

Der Steueranspruch entsteht als Anspruch des Staates, sobald alle in der Norm genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist nur die objektive Verwirklichung maßgeblich. Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige es tatsächlich weiß, ob er es will oder ob überhaupt irgendjemand Kenntnis von der Erfüllung der Voraussetzungen hat.

Beispiel

Der Hauseigentümer H vermietet ein Zimmer seines Hauses, das leer steht, seit dessen Kinder ausgezogen sind. Die Mieteinnahmen gibt er dabei nicht in seiner Steuererklärung als Einkommen an, da er und seine Frau bei der gemeinsamen Erledigung der Erklärung diskutieren und übereinkommen, dass dies dafür wohl nicht relevant ist.

Auf die Unkenntnis des H (und dessen Frau) kommt es für die Entstehung des Steueranspruches nicht an. Es besteht gem. § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 Einkommenssteuergesetz grundsätzlich ein Anspruch des Staats auf Besteuerung der Mieteinnahmen von H und dessen Frau. Mieteinnahmen sind Einkünfte im Sinne des Gesetzes. Sie unterliegen damit der Einkommenssteuer. Es ist allein maßgeblich, ob H die Voraussetzungen erfüllt hat.

3 Strafbarkeit von natürlichen Personen als Organe juristischer Personen

Im Steuerstrafrecht gelten im Grundsatz dieselben rechtlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit natürlicher Personen als Organe juristischer Personen, wie im allgemeinen Strafrecht. Die Vorschriften des Strafgesetzbuchs bzw. die Vorschriften des ersten Teils des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten finden dabei im Steuerstrafrecht ergänzend Anwendung.

3.1 Einführung

In Abgrenzung zur zivilrechtlichen Haftung geht es im Steuerstrafrecht nicht um einen etwaigen finanziellen Ausgleich zwischen mehreren Parteien. Strafbarkeit nach den Strafgesetzen setzt ein sozial-ethisch zu missbilligendes Verhalten voraus. Für dieses schuldhaft begangene Unrecht sind teils schwerwiegende staatliche Sanktionen vorgesehen, wie Geld- oder Freiheitsstrafen. Das Recht der Ordnungswidrigkeiten gehört zum Strafrecht im weiteren Sinn, da es den Methoden des Strafrechts folgt und im Verfahren ähnlich ist.

Juristische Personen können sich im Gegensatz zu natürlichen Personen, also Menschen, nicht strafbar machen. Als juristische Person wird eine Vereinigung von Personen oder eine Vermögensmasse bezeichnet, deren rechtliche Selbstständigkeit gesetzlich anerkannt ist. Sie können Träger von Rechten und Pflichten sein. Vereinigungen von Personen sind beispielsweise die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) oder eine Kommanditgesellschaft (KG). Vermögensmassen mit rechtlicher Selbstständigkeit, sogenannte Kapitalgesellschaften, sind die Gemeinschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG).

Das heißt, dass beispielsweise eine GmbH nicht in einem Strafverfahren angeklagt werden kann. Strafbar machen können sich allerdings die hinter den juristischen Personen stehenden natürlichen Personen, die als Organe für sie handeln, wie beispielsweise der Geschäftsführer oder ein Gesellschafter. Dies gilt nicht nur im Bereich des Strafgesetzbuches, sondern auch im Bereich des Steuerstrafrechts.

3.2 Keine Strafbarkeit juristischer Personen

Das deutsche Strafgesetzbuch kennt in Abweichung zu anderen Strafrechtssystemen keine Strafbarkeit juristischer Personen oder Organisationen. Gegen juristische Personen können zwar Geldbußen (Fußnote) verhängt werden, jedoch keine Kriminalstrafe im klassischen Sinne nach dem Strafgesetzbuch. Anknüpfungspunkt des deutschen Strafrechts ist die persönliche, vorwerfbare Schuld des Täters. Hierfür ist eine Handlungs-, Schuld- und Straffähigkeit erforderlich. Juristischen Personen fehlt es an der Handlungs-, Schuld- und Straffähigkeit einer natürlichen Person. Juristische Personen sind nicht straffähig und können damit nicht bestraft werden. Davon zu trennen ist die Strafbarkeit der einzelnen Organe juristischer Personen. Wenn der Geschäftsführer der XY-GmbH für die XY-GmbH Steuern hinterzieht, kann sich nach dem deutschen System nicht die GmbH, sondern ihr Geschäftsführer strafbar machen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 38 AO

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