Steuerrechtliche Organschaft – Teil 12 – Nachteile durch Vorsteuerberichtigung


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


4.2.3 Nachteile durch Vorsteuerberichtigung

Nach der Rspr. des BFH wird der Vorsteuerabzug nur berichtigt, wenn eine Gesellschaft für ein Wirtschaftsgut den vollen Vorsteuerabzug erhalten hat und später ihre Selbständigkeit zugunsten eines Organträgers mit steuerfreien Umsätzen verliert und ihr Unternehmen deshalb in dem Gesamtunternehmen des Organträgers aufgeht.

Das bedeutet, dass die Organgesellschaft ihren Vorsteuerabzug verliert und gegebenenfalls Vorsteuerberichtigungen vornehmen muss, soweit die Organgesellschaft durch die Eingliederung in den Organträger ihren Vorsteuerabzug verliert.

4.2.4 Nachteile im Zusammenhang mit dem Voranmeldungszeitraum

Ein weiterer Nachteil kann sich ergeben, wenn in der Organschaft sowohl Monats- als auch Vierteljahreszahler der Umsatzsteuer gehören, weil sich dann Verschiebungen zwischen dem Zeitpunkt der Fälligkeit und des Vorsteuerabzugs ergeben können.

4.3 Voraussetzungen der Organschaft § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit „nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse

    • finanziell,
    • wirtschaftlich und
    • organisatorisch

in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft)".

Diese Tatbestandsmerkmale der umsatzsteuerlichen Organschaft stimmen mit denen der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft nur insoweit überein, als eine Organgesellschaft finanziell eingegliedert sein muss.

Die gesetzlichen Regelungen zur Organschaft schließen die Annahme unterschiedlicher Organträger aus. Es ist nicht möglich, im Umsatzsteuerrecht eine finanzielle Eingliederung der Gesellschaft X in die Gesellschaft Y und im Ertragssteuerrecht umgekehrt eine finanzielle Eingliederung der Gesellschaft Y in die Gesellschaft X anzunehmen (BFH vom 3.9.2001 – V B 228/00, BFH/NV 2002, 376).

Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft sind keine bestimmten zeitlichen Voraussetzungen zu erfüllen.

Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages und dessen Durchführung sind grundsätzlich ohne Bedeutung für die umsatzsteuerliche Organschaft.

Die umsatzsteuerliche Organschaft besteht vielmehr von dem Zeitpunkt an, ab dem die Voraussetzungen der

    • finanziellen,
    • wirtschaftlichen und
    • organisatorischen

Eingliederung erfüllt sind.

Beispiel

A ist Eigentümer eines Steinbruchs, den er von seinem Vater geerbt hat. Um den Vertrieb der abgebauten Produkte zu trennen, gründet A als Alleingesellschafter die A-GmbH, deren einziger Geschäftsführer A ist. A verkauft die gesamte Produktion an die A-GmbH, die die Steine usw. weltweit vertreibt.

    • Die A-GmbH ist als Organgesellschaft in das Unternehmen des A als Organträger finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert.
    • Sie bildet damit eine Organschaft.

4.3.1 Organgesellschaften

Organgesellschaft kann grundsätzlich nur eine juristische Person sein.

Danach gibt es juristische Personen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Recht.

4.3.1.1 Juristische Personen des öffentlichen Rechts

Juristische Personen des öffentlichen Rechts

    • Gebietskörperschaften,
    • Anstalten,
    • Stiftungen und
    • öffentlich-rechtliche Kammern

können keine Organgesellschaften sein, weil juristische Personen des öffentlichen Rechts unabhängig die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen haben und sich deshalb nicht einem privaten Unternehmen ausliefern oder seinem Willen unterordnen können. Eine Beherrschung über Anteils- und Stimmrechte ist bei ihnen nicht möglich (BFH vom 20.12.1973 – V R 87/70, BStBl. 1974 II, 311).

4.3.1.2 Juristische Personen des privaten Rechts

Zu den juristischen Personen des Privatrechts, die allein Organgesellschaften darstellen können, sind insbesondere

    • die GmbH,
    • die AG,
    • die KGaA und
    • die bergrechtliche Gewerkschaft

zu zählen.

Darüber hinaus können Genossenschaften sowie Ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit grundsätzlich ebenfalls Organgesellschaften sein.

Von zu den juristischen Personen gehörenden rechtsfähigen Vereinen kommt nur der wirtschaftliche Verein als Organgesellschaft in Betracht, weil beim nichtwirtschaftlichen Verein begrifflich eine wirtschaftliche Eingliederung nicht möglich ist.

4.3.1.3 Gründergesellschaften

Die eine Personengesellschaft darstellende Gründergesellschaft zur Errichtung einer Kapitalgesellschaft wird (zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und Eintragung in das Handelsregister) bereits als juristische Person behandelt und kann damit eine Organgesellschaft sein.

4.3.2 Organträger

Als Organträger kommt jedes steuerrechtsfähige Wirtschaftsgebilde infrage, es muss sich nur um Unternehmer handeln, z.B.

    • Einzelpersonen,
    • Personengesellschaften,
    • Gesellschaften des bürgerlichen Rechts,
    • juristische Personen des privaten Rechts,
    • gegebenenfalls juristische Personen des öffentlichen Rechts.

4.3.2.1 Rechtsform

Die Rechtsform des Organträgers ist im UStG nicht ausdrücklich geregelt.

Dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG „in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert“ ist zu entnehmen, dass Organträger jedes Unternehmen sein kann (BFH vom 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. 2003 II, 375).

Organträger können daher, wenn sie Unternehmer sind, insbesondere sein:

    • natürliche Personen,
    • juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts,
    • bergrechtliche Gewerkschaften,
    • Genossenschaften,
    • rechtsfähige Vereine sowie nichtrechtsfähige Personenvereinigungen wie oHG, KG, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, nichtrechtsfähige Vereine, Erbengemeinschaften usw.

4.3.2.2 Unternehmereigenschaft

Die Organschaft setzt nicht voraus, dass der Organträger bereits Unternehmer ist. Es genügt, dass der Organträger dies erst durch die Begründung der Organschaft wird, indem ihm die Tätigkeit der Organgesellschaft umsatzsteuerlich zugerechnet wird.

Voraussetzung ist demnach nicht, dass der Organträger sich selbst anderweitig unternehmerisch betätigt.

Es reicht aus, wenn nur die Organgesellschaft nach außen auftritt.

Daher ist die Anerkennung der Organschaft im Umsatzsteuerrecht anders als im Gewerbesteuerrecht nicht davon abhängig, dass der Organträger einen nach außen in Erscheinung tretenden Gewerbebetrieb unterhält.

4.3.2.3 Organträger für mehrere Organgesellschaften

Ein Organträger kann mehrere Organgesellschaften beherrschen und zu einem Organkreis vereinigen.

Die Organgesellschaften können als Tochtergesellschaften nebengeordnet oder als Tochter- und Enkelgesellschaften nachgeordnet sein.

4.3.3 Eingliederung als Unterordnung

Die durch die erforderliche

    • finanzielle,
    • wirtschaftliche und
    • organisatorische

Eingliederung definierte Unterordnung der Organgesellschaft unter den Organträger führt zunächst dazu, dass ihre Unternehmereigenschaft verloren geht.

Ab dem Zeitpunkt einer derartigen Unterordnung besteht daher umsatzsteuerlich nur noch ein Unternehmen.

Überdies ergibt sich aus der Unterordnung, dass die Organgesellschaft nur einem Organträger eingegliedert sein kann.

Wesentliches Kriterium für die Unterordnung ist die wirtschaftliche Eingliederung, während die finanzielle und organisatorische Eingliederung eine untergeordnete Rolle spielen.

Eine Über- und Unterordnung liegt vor, wenn die Organgesellschaft den geschäftlichen Weisungen des Organträgers zu folgen hat.

Dies ist anzunehmen, wenn der Organträger mehr oder weniger eine Abteilung im Geschäftsbetrieb der Organschaft darstellt und dadurch sein Willen durchsetzen kann.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerrechtliche Organschaft“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-003-8.



Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach berät bei der Gestaltung von Verfügungen von Todes wegen insbesondere aus bankrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht.

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach berät und vertritt Erben gegenüber Banken, wenn es um die Legitimation, Auskünfte, Rechnungslegung oder Verfügungen wegen des geerbten Bankvermögens geht. Sie gestaltet mit dem Erblasser Verfügungen von Todes wegen gerade in Bezug auf vorhandenes Bankvermögen oder Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall.

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Sie berät und vertritt Erben bei der Frage, ob sie wegen dem Erbe der Erbschaftssteuer unterliegen oder steuerbefreit sind, welche Freibeträge Anwendung finden, in welche Steuerklasse die Erben fallen, bei der Bewertung des geerbten Vermögens und bei der Erbschaftssteuererklärung ebenso im Zuge von Schenkungen.

Wenn Erben vom Finanzamt auf Zahlung rückständiger Steuern des Erblassers in Anspruch genommen werden, wegen Übertragungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung Einkommenssteuern zu bezahlen oder die Einkünfte aus Vermietungen und Verpachtungen von geerbten Grundstücken oder Gewerbebetrieben zu versteuern, berät Rechtsanwältin Carola Ritterbach die Erben und vertritt sie vor dem Finanzamt und den Finanzgerichten.

Carola Ritterbach hat hierzu veröffentlich: 

  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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  • Das Bankvermögen im Erbfall
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  • Nießbrauch, Wohnrecht, Grundschulden – Grundbuchbelastungen im Erbschaftssteuerrecht
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Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9

 

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