Sittenwidrigkeit einer Angehörigen-Bürgschaft bei hintereinander abgeschlossenen Bürgschaftsvereinbarungen - Teil 02

Für die Frage, welcher Zeitpunkt für die Bestimmung der Sittenwidrigkeit maßgeblich ist, kommt es darauf an, welche Rechtsnatur die neuen Vereinbarungen zwischen dem Bürgen und der Bank haben.

So könnte man einerseits annehmen, dass die Vereinbarungen jeweils den vorausgehenden Vertrag erlöschen lassen und einen völlig neuen Vertrag begründen sollten (sog. Novation). Dies kann geschehen, indem entweder eine Schuldneuschaffung, also ein völlig neuer Vertrag, losgelöst vom alten Vertrag abgeschlossen wird, oder eine Schuldumschaffung vereinbart wird, bei der das Bestehen der neuen Schuld vom Bestehen des alten Vertrages abhängig ist. In beiden Fällen wird das alte Schuldverhältnis, hier also der alte Bürgschaftsvertrag, komplett aufgehoben und jeweils ein ganz neuer Bürgschaftsvertrag abgeschlossen. Weil es für die Frage der Sittenwidrigkeit allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages ankommt, müsste somit bei Annahme einer Novation die Sittenwidrigkeit zum jeweiligen Zeitpunkt der des Abschlusses der Bürgschaftsverträge bewertet werden.
Die Frage der Sittenwidrigkeit würde demnach im obigen Beispiel jeweils in den Jahren 2005 und 2007 neu zu prüfen sein. Hätten sich zu diesen Zeitpunkten die Verhältnisse des B geändert, so könnte jeweils eine Nichtigkeit der Verträge denkbar sein.

Andererseits könnte in den neuen Vereinbarungen zwischen dem Bürgen und der Bank aber auch ein bloßer Änderungsvertrag zu sehen sein. Hier bleibt der alte Vertrag bestehen und nur inhaltlich von den Parteien abgeändert. Ein solcher Änderungsvertrag ist auch bei der Bürgschaft möglich, selbst wenn nur der Haftungsumfang des Bürgen verändert wird. Eine Erweiterung der Hauptschuld wirkt zwar grundsätzlich nicht haftungserweiternd zu Lasten des Bürgen, der Bürge kann aber vertraglich erklären dass er seine Bürgschaft erweitern will. Eine solche Erklärung ist wirksam, wenn die Schriftform gem. § 766 BGB gewahrt wird und die Hauptschuld sich nur in ihrer Höhe, nicht aber in ihrer Identität verändert. Weil bei einem reinen Änderungsvertrag der alte Vertrag bestehen bleibt und nur inhaltlich abgeändert wird, jedoch kein neuer Vertrag abgeschlossen wird, kann die Frage der Sittenwidrigkeit bei einem Änderungsvertrag nur anhand des Zeitpunktes der ersten Bürgschaftsvereinbarung bemessen werden, weil entscheidend allein der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Bürgen ist. Nach Vertragsschluss eintretende Verschlechterungen der finanziellen Mittel des Bürgen wären demnach nicht relevant.

Eine Schuldum- oder Neuschaffung lässt den ursprünglichen Vertrag komplett erlöschen, sodass grundsätzlich auch Pfandrechte oder Sicherungsrechte, die der Forderung des Gläubigers anhängen, erlöschen. Aufgrund dieser weitreichenden Wirkungen einer Novation muss ein entsprechender Vertragswille bei den Parteien deutlich erkennbar zum Ausdruck kommen. Im Zweifel ist deshalb ein bloßer Änderungsvertrag anzunehmen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bürge weitgehend vor einer Veränderung seiner Haftung geschützt ist, wenn der Hauptschuldner die Hauptschuld erweitert.
Für die Frage der Sittenwidrigkeit von Angehörigen-Bürgschaften und des Zeitpunkts ihrer Bestimmung bedeutet dies, dass in jedem Einzelfall genau geprüft werden muss, ob die nachträglichen Vereinbarungen mit der Bank für den Bürgen jeweils Novationen oder nur Änderungsverträge bedeuten. Eine sorgfältige Prüfung ist vor allem für solche Bürgen wichtig, deren wirtschaftliche Verhältnisse sich bei den späteren Vereinbarungen schlechter darstellten als bei der ersten Vereinbarung mit der Bank. Hier kann bei den nachträglichen Vereinbarungen eine Sittenwidrigkeit anzunehmen sein, die die Haftung des Bürgen ausschließt.


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Stand: Juni 2014


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  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
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  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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