Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht – Teil 09 – Gestaltungsmöglichkeiten aus erbrechtlicher Sicht

3 Gestaltungsmöglichkeiten aus erbrechtlicher Sicht

Dem Interesse des Unternehmers entspricht es, dass er beeinflussen kann, wem er sein Unternehmen oder seine unternehmerische Beteiligung nach seinem Tod zukommen lässt. Der Erhalt des Unternehmens oder einer Beteiligung an einem solchen ist ebenso wichtig für die finanzielle Sicherung und Lebensvorsorge seiner überlebenden Familienmitglieder sowie der mit der unternehmerischen Tätigkeit als solche verbundenen Personen, also Arbeitnehmer und Geschäftskunden.

Eine auf die individuellen Vermögensverhältnisse des Unternehmers und die konkrete Familiensituation abgestimmte Nachfolgeplanung ist in jedem Alter des Unternehmers empfehlenswert. Fehlt eine solche, kommen die gesetzlichen Regelungen zum Zuge. Diese nehmen keine Rücksicht auf die Individualität eines jeden Erbfalls und behandelt die Nachfolgegestaltung in Unternehmerfamilien genauso, wie eine Nachfolge in einer Familie, die nicht erwerbstätig ist oder einer Familie, in der der Lebensunterhalt von einem Beamten bestritten wird.

3.1 Grundlagen des gesetzlichen Erbrechts

Im Erbrecht wird zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge unterschieden. Die gesetzliche Erbfolge besteht aus festen Regelungen, wonach leitend das Verwandtenerbrecht besteht. Die Verwandten des Erblassers sind in verschiedenen Ordnungen aufgeteilt (§§ 1924 ff. BGB). Danach erben zunächst:

  • die Verwandten erster Ordnung, nämlich Abkömmlinge des Erblassers (§ 1924 Abs. 1 BGB), dann
  • die Verwandten zweiter Ordnung, nämlich die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1925 Abs. 1 BGB), dann
  • die Verwandten dritter Ordnung, nämlich die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1926 Abs. 1 BGB), dann
  • die Verwandten vierter Ordnung, nämlich die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1928 Abs. 1 BGB), dann
  • die Verwandten fünfter und fernerer Ordnungen, nämlich die entfernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1929 Abs. 1 BGB).

Wenn Erben einer niedrigeren Ordnung bestehen, schließt dies die höheren Ordnungen aus (§ 1930 BGB). An dem Ordnungssystem ist zu erkennen, dass die jeweils jüngere Generation vor der älteren bevorzugt wird. Damit wird vor allem bezweckt, der jüngeren Generation durch die Beteiligung am Nachlass die Zukunft zu sichern.(Fußnote) Ferner gilt innerhalb der Ordnungen das Repräsentationsprinzip, wobei der dem Erblasser nähere Abkömmling seine eigenen Abkömmlinge von der Erbfolge ausschließt (§ 1924 Abs. 2 BGB). Eine Ausnahme von der strengen Regelung besteht beim gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten, der unabhängig von einer Ordnungsposition erbrechtlich berücksichtigt wird.

Beispiel
U und F sind verheiratet und haben zwei Kinder T und S. T hat bereits ein eigenes Kind K. U verstirbt ohne Regelungen in Bezug auf seine Erbfolge getroffen zu haben.

  • Vorrangig wird F berücksichtigt, die nach § 1931 Abs. 1 BGB 1/4 der Erbschaft erhält. T und S erhalten nach § 1924 Abs. 1, 2 BGB jeweils 3/8 der Erbschaft. Das Kind K der T wird nach § 1924 Abs. 2 BGB von der Erbschaft ausgeschlossen.

Bei der gewillkürten Erbfolge kann der Erblasser z.B. durch ein Testament bestimmen, wer was im Fall seines Todes erhalten soll.

3.2 Gesetzliches Erbrecht der Ehegatten

Nach § 1931 Abs. 1 BGB erbt der überlebende Ehegatte des Erblassers neben:

  • Erben der ersten Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers): 1/4
  • Erben der zweiten Ordnung (Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge): 1/2
  • Erben der dritten Ordnung (Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge): 1/2 (mit Ausnahme des § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Diese Erbquote kann sich verändern, was davon abhängt, in welchem Güterstand die Ehegatten gelebt haben.

Ehegattenerbrecht bei der Zugewinngemeinschaft
Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wird der Ehegattenerbteil grundsätzlich erhöht. Der überlebende Ehegatte kann zwei Wege einschlagen, um am Erbe beteiligt zu werden. Er kann entweder die güterrechtliche oder die erbrechtliche Lösung wählen.

3.2.1.1 Erbrechtliche Lösung

Nach der erbrechtlichen Bestimmung des § 1931 Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB wird der Erbteil des überlebenden Ehegatten grundsätzlich pauschal um 1/4 erhöht ("großer Pflichtteil"). Erbrechtlich wird der überlebende Ehegatte also gegenüber den anderen Erben privilegiert. Die pauschalierte Erhöhung des Erbteils um ein Viertel erfolgt unabhängig davon, ob tatsächlich ein Zugewinn erzielt worden ist.

Danach erbt der überlebende Ehegatte neben:

  • Erben erster Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers): 1/2 (1/4 + 1/4)
  • Erben zweiter Ordnung (Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge): 3/4 (1/2 + 1/4)
  • Erben dritter Ordnung (Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge): 3/4 (1/2 + 1/4) (mit Ausnahme des § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Beispiel
Alleinunternehmer U und die vermögenslose F lebten bis zum Tod des U im Jahr 2016 im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. U hinterließ zwei Kinder, die das Unternehmen des U fortführen sollen, kein Testament und ein Vermögen von 200.000 EUR, das zugleich auch seinen Zugewinn darstellt.

  • F kann die erbrechtliche Lösung nach §§ 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB wählen, so dass sie neben den beiden Kindern als gesetzliche Erben erster Ordnung 1/4 der Erbschaft aus § 1931 Abs. 1 BGB und ein weiteres 1/4 aus § 1371 Abs. 1 BGB erbt. Damit erbt F 1/2, also 100.000 EUR.

3.2.1.2 Güterrechtliche Lösung

Anstatt der pauschalen Erhöhung des gesetzlichen Erbteils kann der überlebende Ehegatte den konkret berechneten Zugewinnausgleich verlangen.(Fußnote) Voraussetzung dafür ist, dass der Ehegatte die ihm zustehende Erbschaft ausschlägt oder er vom Erblasser nicht erbrechtlich bedacht wurde. Zusätzlich zum konkret berechneten Zugewinn wird dem überlebenden Ehegatten der Pflichtteil zugesprochen Dieser entspricht quantitativ dem "kleinen" Pflichtteil, also dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten.

Beispiel
Alleinunternehmer U und die vermögenslose F lebten bis zum Tod des U im Jahr 2016 im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. U hinterließ zwei Kinder, die aus der Ehe mit F hervorgingen und das Unternehmen des U fortführen sollen, kein Testament und ein Vermögen von 4.000.000 EUR, das zugleich auch seinen Zugewinn darstellt.

  • F kann die güterrechtliche Lösung wählen (§ 1371 Abs. 2 BGB): Die F als gesetzliche Erbin des U kann den Zugewinnausgleich verlangen, wenn sie die Erbschaft ausschlägt. Dann steht ihr der Zugewinnausgleichsanspruch aus § 1378 Abs. 1 BGB in Höhe von 2.000.000 EUR zu. Zusätzlich kann F noch den "kleinen" Pflichtteil nach §§ 1371 Abs. 2, 3 BGB verlangen. Dieser besteht aus dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegatten, also 1/4 von 2.000.000 EUR bzw. 1/8 von 4.000.000 EUR, damit 500.000 EUR. Damit erbt die F insgesamt 2.500.000 EUR, wenn sie die güterrechtliche Lösung wählt. Hätten U und F im Ehevertrag die güterrechtliche Lösung ausgeschlossen, wären die Kinder als (Unternehmens-)Erben des U nicht mit einer Nachlassforderung von 500.000 EUR belastet (§ 1967 BGB).

Die güterrechtliche Lösung ist für den überlebenden nicht unternehmerisch tätigen Ehegatten dann vorteilhafter, wenn durch eine große Wertsteigerung des Vermögens des Verstorbenen während der Ehe, z.B. wenn das Unternehmen oder die Unternehmensbeteiligung wertvoller geworden ist, ein hoher Zugewinnausgleichsanspruch besteht.

Um eine solche übermäßige Beteiligung am Vermögen des verstorbenen Unternehmers zu vermeiden, können die Ehegatten im Vorfeld in ihrem Ehevertrag die güterrechtliche Lösung ausschließen. Dann ist, sofern die gesetzliche Erbfolge eintritt, der überlebende Ehepartner nur auf die erbrechtliche Lösung angewiesen, die ihm den pauschal erhöhten Erbteil zuspricht.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Thea Schenk-Busch, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-65-6.


 

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Stand: Januar 2017


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Rechtsanwalt Michael Kaiser ist seit vielen Jahren im Familienrecht tätig. Er berät und vertritt bei

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