Kreditvertragsrecht – Teil 19 – Fälligkeit und Verzug der Darlehensvaluta


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Alena Kehret
wissenschaftliche Mitarbeiterin


Fälligkeit und Verzug

2.5.1.3. Fälligkeit

Die Parteien können frei vereinbaren, wann die Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer ausbezahlt werden soll (Fälligkeit). Dies kann entweder direkt nach dem Vertragsschluss erfolgen oder zu einem späteren Zeitpunkt.
Wenn die Auszahlung mit dem Vertragsschluss zusammenfällt, spricht man von einem Handdarlehen. Es ist aber genauso möglich, dass zwischen Vertragsschluss und Ausbezahlung der Darlehensvaluta ein gewisser Zeitraum liegt. Der Darlehensvertrag kann also schon vor Auszahlung der Darlehensvaluta wirksam sein.

Beispiel

Frau M schließt mit Herrn P einen Darlehensvertrag über 500 EUR ab.
Direkt bei Vertragsschluss übergibt Herr P an Frau M die 500 EUR.
Hier fallen Vertragsschluss und Darlehensauszahlung zusammen, sodass ein sogenanntes Handdarlehen vorliegt. Vereinbaren die beiden hingegen, dass Frau M Herrn P das Darlehen erst ausbezahlen soll, wenn er von seinem Vermieter aufgefordert wird, die rückständige Miete auszugleichen, ist der Darlehensvertrag dennoch wirksam.

Wird ein bestimmter Zeitpunkt für die Fälligkeit der Ausbezahlung nicht explizit vereinbart, so ist die Darlehensvaluta dem Darlehensnehmer im Zweifel sofort zur Verfügung zu stellen.


2.5.1.4. Gefahrtragung und Verzug

Bis der Darlehensbetrag dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellt wurde, trägt der Darlehensgeber die Gefahr dafür, dass das Geld beim Darlehensnehmer ankommt, so dass Probleme, die entstehen, bis das Geld beim Darlehensnehmer angekommen ist, zu Lasten des Darlehensgebers gehen. Sobald das Darlehen dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellt wurde geht die Gefahr auf den Darlehensnehmer über.

Beispiel

Herr M und Frau D legen vertraglich fest, dass Herr M Frau D ein Darlehen in Höhe von 4.000 EUR gewährt. Herr M soll diesen Betrag am nächsten Tag in bar zu Frau D nach Hause bringen. Am nächsten Morgen hebt Herr M das Geld ab und macht sich auf den Weg zu Frau D. Auf halber Strecke wird Herr M überfallen und die 4.000 EUR werden ihm gestohlen.
Weil das Darlehen Frau D noch nicht so zur Verfügung gestellt worden ist, ist die Gefahr noch nicht auf Frau D übergegangen.
Das heißt, Herr M kann sich nicht darauf berufen, dass er den Betrag nicht mehr hat. Vielmehr muss er Frau D nach wie vor 4.000 EUR zur Verfügung stellen und muss dazu ggf. erneut 4.000 EUR abheben. Um die gestohlenen 4.000 EUR muss er sich und nicht Frau D kümmern.

Erfolgt die Auszahlung auf Anweisung des Darlehensnehmers an einen Dritten, so wird das Darlehen mit Auszahlung an den Dritten dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellt. Veruntreuungen, die der Dritte dann begeht, gehen daher zu Lasten des Darlehensnehmers, weil die Gefahr dann bereits auf ihn übergegangen ist.

Beispiel

Auf Wunsch von Herrn F vereinbaren er und die S-Bank, dass die S-Bank die Darlehensvaluta nicht an Herrn F direkt, sondern auf das Konto eines Treuhänders ausbezahlen soll. Dieser soll das Geld für Herr F verwalten und nach und nach an ihn weiterleiten. Die Bank überweist wie vereinbart das Geld an den Treuhänder. Dieser leitet das Geld jedoch nicht an Herr F weiter, sondern benutzt es für eigene Zwecke, sodass es schnell verbraucht ist.
Mit der Auszahlung an den Treuhänder wurde das Darlehen Herrn F zur Verfügung gestellt. Die Gefahr ist damit auf Herrn F übergegangen. Das heißt, er kann von der Bank keine erneute Auszahlung fordern. Er muss sich vielmehr an den Treuhänder halten und von diesem Rückerstattung des veruntreuten Geldes verlangen.

Zahlt der Darlehensgeber die Darlehensvaluta zu spät an den Darlehensnehmer aus, können dem Darlehensnehmer wegen der Verzögerung Schäden, sogenannte Verzugsschäden, entstehen. Solche Schäden entstehen oft dadurch, dass der Darlehensnehmer ohne den Darlehensbetrag seine Verbindlichkeiten gegenüber Dritten nicht rechtzeitig erfüllen kann.
Hat der Darlehensgeber die verspätete Ausbezahlung des Darlehens zu vertreten, so können zugunsten des Darlehensnehmers Schadensersatzansprüche gegen den Darlehensgeber entstehen. Der Darlehensgeber muss dann denjenigen Schaden ersetzen, der dem Darlehensnehmer infolge des Verzugs entstanden ist. Die Verpflichtung des Darlehensgebers, die Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer auszubezahlen, bleibt daneben weiter bestehen.

Beispiel

Herr T hat mit der Firma Z am 23.04.2014 einen Darlehensvertrag abgeschlossen. Das Darlehen soll an Herrn T laut Vertrag bis zum 28.04.2014 ausbezahlt werden. Mit diesem Darlehen will er seine bestehenden Schulden beim Händler X begleichen, die am 01.05.2014 fällig sind. Durch einen Fehler der Bank kommt das Geld bei Herrn T aber erst am 02.06.2014 an. Weil Herr T bis dahin nicht die Schulden beim Händler X begleichen kann, muss er an den Händler Verzugszinsen in Höhe von 200 EUR zahlen. Diesen Schaden, der bei Herrn T nur deshalb entstanden ist, weil die Firma Z das Darlehen nicht rechtzeitig ausbezahlt hat, muss die Firma Z Herrn T setzen.

Ein Schadensersatzanspruch besteht nur dann, wenn der Darlehensgeber die Verspätung zu vertreten hat, der Verzug also vorsätzlich oder fahrlässig durch den Darlehensgeber verursacht wurde. Bei Geldschulden gilt allerdings das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung. Das bedeutet, frei nach dem Motto „Geld hat man zu haben“, dass den Darlehensgeber immer ein Verschulden trifft, wenn er nicht ausreichend Geld hat, um das Darlehen an den Darlehensnehmer auszubezahlen.
Liegt der Grund für die verspätete Auszahlung nicht darin, dass der Darlehensgeber kein Geld hat, sondern in anderen Gründen, muss immer geprüft werden, ob ein Verschulden des Darlehensgebers vorliegt oder nicht.

Beispiel

Frau S hat sich vertraglich dazu verpflichtet, Herrn M ein Darlehen zu gewähren. Frau S überweist den Darlehensbetrag drei Monate zu spät an Herr M, weil sie einen falschen Namen auf dem Überweisungsträger angegeben hat. Die Benachrichtigung der Bank, dass die Überweisung fehlgeschlagen ist, liest Frau S erst Wochen später, weil sie den Brief auf ihrem Schreibtisch liegen lässt. Hier hat Frau S in Bezug auf die rechtzeitige Ausbezahlung der Darlehenssumme nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lassen, sodass ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit vorliegt. Sind Herrn M infolge des Verzugs Schäden entstanden, hat Frau S diese zu ersetzen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditvertragsrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Alena Kehret, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezember 2014


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei allen Fragen zum Handel am Kapitalmarkt. Dies umfasst nicht nur die Handelsobjekte des Kapitalmarktes im engeren Sinne, wie Aktien, Schuldverschreibungen, Aktienzertifikate, Genussscheine und Optionsscheine sondern auch die Handelsobjekte des grauen Kapitalmarktes, wie Anteile an Publikumspersonengesellschaften. Rechtsanwältin Ritterbach bietet ihre Beratung und Prozessvertretung im Kapitalmarktrecht Anlegern von Kapitalanlagen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus Prospekthaftung oder fehlerhafter Anlageberatung sowie Unternehmern an. Diese unterstützt sie beispielsweise bei der kapitalmarktrechtlichen Compliance, denn nicht nur bei der erstmaligen Emission von Wertpapieren hat der Emittent Informations- und Berichtspflichten einzuhalten. Finanzanlagenvermittlern bietet Rechtsanwältin Ritterbach Beratung und Vertretung vor allem im Bereich der Berufsausübungspflichten, der Gewerbeerlaubnis sowie der Dokumentation ihrer beruflichen Tätigkeiten.

Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht. 

Carola Ritterbach hat zum Kapitalmarktrecht veröffentlicht:

  • „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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