Kreditsicherheiten – Teil 34 – Sicherungsvertrag, Nichtigkeit und Unwirksamkeit der Sicherungsabtretung, Verwertung, Zweiterwerb


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin


8.4. Sicherungsvertrag

Rechtsgrund der Sicherungsabtretung ist der Sicherungsvertrag. Dieser enthält die Verpflichtung zur Abtretung.

8.4.1. Form

Das Zustandekommen einer Sicherungsabtretung ist nicht an eine Form gebunden und ist somit formlos gültig. Jedoch wird das schriftliche Festhalten des Abtretungsvertrags aus Beweisgründen empfohlen.

8.4.2. Sicherungszweckerklärung

Die vertragliche Sicherungszweckerklärung regelt den Sicherungszweck der Abtretung, Vereinbarungen zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer, welche Forderungen von der Abtretung erfasst werden, sowie wie im Sicherungsfall zu verfahren ist.

8.5. Nichtigkeit und Unwirksamkeit der Sicherungsabtretung

Die Sicherungsabtretung ist unwirksam, wenn der Sicherungsgeber benachteiligt wird, so wie bei kollidierenden Forderungen aus der Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt.

8.5.1. Einschränkung der wirtschaftlichen und persönlichen Bewegungsfreiheit

Wird der Gläubiger in unzumutbarem Maße in seiner wirtschaftlichen und persönlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt, spricht man von Knebelung. Derartige Verträge sind sittenwidrig.

Beispiel

Zur Sicherung der Kaufpreiszahlungen für Betriebsmittel tritt Händler Hubert dem Produzenten Ludwig im Rahmen einer Globalzession alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Verkauf von Waren ab. Zusätzlich verpflichtet sich Hubert gegenüber Ludwig alle künftigen Käufe und Verkäufe mit ihm abzustimmen.

Eine anderweitige Eingehung von Krediten ist für Hubert unzumutbar und schränkt ihn enorm in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ein. Die Verpflichtung über das Abstimmungsrecht ist ebenfalls sittenwidrig.

8.5.2. Übersicherung

Unter Übersicherung wird die Diskrepanz zwischen dem Wert der abgetretenen Forderungen und der besicherten Forderung verstanden. Eine Übersicherung ist sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 BGB.

Es wird unterschieden zwischen anfänglicher und nachträglicher Übersicherung.

8.5.2.1. anfängliche Übersicherung

Nichtigkeit wird bei anfänglicher Übersicherung dann bejaht, wenn die gewährte Sicherheit die zu besichernde Forderung um mehr als 110% übersteigt.

8.5.2.2. nachträgliche Übersicherung

Zu einer nachträglichen Übersicherung kann es kommen, wenn sich die besicherte Forderung z.B. durch (teilweise) Rückzahlung verringert, die sicherungsweise abgetretenen Forderungen aber gleich hoch bleiben. Der Sicherungsnehmer soll nicht mehr Sicherheit erlangen, als er tatsächlich zur Besicherung seiner Forderung braucht. Dem kann durch die Vereinbarung einer schuldrechtlichen Freigabeklausel im Vertrag oder den AGB begegnet werden. So kann der Sicherungsnehmer eine nachträgliche Übersicherung vermeiden. Die Klausel muss eine bestimmte Deckungsgrenze (in %) beinhalten sowie die Verpflichtung des Sicherungsnehmers, die überschießende Deckung freizugeben. Fehlt eine entsprechende Freigabeklausel im Vertrag, ist dieser oder die Sicherungsabtretung nicht unwirksam. Vielmehr wird eine entsprechende Abrede trotzdem in den Vertrag hineingelesen.

Beispiel

Herr Köhler hat für seine Firma bei der X-Bank ein Darlehen in Höhe von 100.000 Euro und ein Darlehen in Höhe von 200.000 Euro aufgenommen. Zur Sicherheit hat er der Bank die Forderung gegen einen Großkunden im Wert von 110.000 Euro und eine weitere Forderung im Wert von 250.000 Euro abgetreten.

Nach einem Jahr bezahlt Herr Köhler vereinbarungsgemäß 250.000 Euro an die X-Bank zurück.

Hier war anfänglich keine Übersicherung gegeben, da der Wert der Darlehensforderungen der Bank dem Wert der sicherungsweise abgetretenen Forderungen entsprach. Durch die Rückzahlung beträgt die Forderung der Bank nur noch 100.000 Euro, die sicherungsweise abgetretene Forderung aber noch 310.000 Euro. Somit hat die Bank mehr Sicherheit als notwendig.

Um das zu vermeiden kann z.B. im Sicherungsvertrag folgende Regelung getroffen werden:

§ 5 Freigabeanspruch

(1)…

(2) Die Zessionarin (Bank) ist schon vor vollständiger Befriedigung des besicherten Anspruchs verpflichtet, auf Verlangen die ihr abgetretenen Forderungen an die Zedentin ganz oder teilweise freizugeben, wenn und soweit der realisierbare Wert sämtlicher Sicherheiten 110 % der besicherten Ansprüche nicht nur vorübergehend überschreitet.

Diese Freigabevereinbarung enthält eine Deckungsgrenze von 110 %. Das heißt, dass die Bank Sicherheit nur in Höhe von 110 % der besicherten Forderung verlangen kann. Da die Bank nur noch eine Darlehensforderung in Höhe von 100.000 Euro gegen Herr Köhler hat, kann sie nur noch 110.000 Euro als Sicherheit verlangen. Herr Köhler hat dementsprechend einen Anspruch auf Freigabe - also Rückübertragung der abgetretenen Forderungen - in Höhe von 200.000 Euro.

8.5.3. Sicherungsabtretung bei beruflicher Verschwiegenheit

Die Abtretung von Forderungen (sog. Honorarforderungen) aus Berufen, die der Verschwiegenheit unterliegen, ist gem. § 134 BGB nichtig. Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Ärzte unterliegen der beruflichen Verschwiegenheit. Das Verbot der Abtretung von Honorarforderungen liegt darin begründet, dass mit der Abtretung an den neuen Gläubiger Informationen preisgegeben werden, die der Verschwiegenheit unterliegen.

8.5.4. Sicherungsabtretung und verlängerter Eigentumsvorbehalt

Der verlängerte Eigentumsvorbehalt ist ein besonderer Fall der Sicherungsabtretung und findet häufig Anwendung bei Warenlieferungen. Viele Warenlieferanten verkaufen ihre Waren nur dann, wenn der Käufer dem verlängerten Eigentumsvorbehalt zustimmt. Dabei verkauft der Vorbehaltsverkäufer (Warenlieferant) an den Vorbehaltskäufer Waren unter Eigentumsvorbehalt. Zugleich ermächtigt er den Vorbehaltskäufer zur Weiterverarbeitung und/oder Weiterveräußerung der Waren bzw. Produkte an die Kunden des Vorbehaltskäufers und zum Einzug der daraus resultierenden Forderungen gegenüber der Kunden. Dabei lässt sich der Vorbehaltsverkäufer, in der Regel bereits bei Vertragsschluss, die späteren Forderungen gegen die Kunden des Vorbehaltskäufers sicherungsweise abtreten.

Beispiel

Herr Holzer ist Schreiner und bekommt von der Firma Baum regelmäßig Holz geliefert, das er dann am Ende des Jahres bezahlt. Firma Baum liefert Herrn Holzer auch diesmal Holz im Wert von 30.000 Euro. Zur Sicherung dieser Kaufpreisforderung wird ein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart.

Herr Holzer wird zur Weiterverarbeitung des Holzes zu Tischen, Stühlen etc. berechtigt und darf die Produkte an seine Kunden verkaufen. Die Kaufpreisforderungen gegenüber Herrn Holzers Kunden darf Herr Holzer einziehen. Allerdings muss er sie sicherungsweise an die Firma Baum abtreten.

Ein solcher verlängerter Eigentumsvorbehalt führt dann zu Problemen, wenn der Sicherungsgeber vor der Vereinbarung des verlängerten Eigentumsvorbehalts einem anderen Sicherungsnehmer im Wege einer Globalzession sämtliche Forderungen aus seiner Firma abgetreten hat, weil dann die Abtretungen aus der Globalzession und aus dem verlängerten Eigentumsvorbehalt kollidieren. Die Globalzession ist deshalb nur wirksam, wenn sie eine sogenannte Teilverzichtsklausel enthält.

8.6. Verwertung

Erst bei Eintritt der Fälligkeit kann der Neu-Gläubiger die an ihn abgetretene Forderung verwerten. Die Inanspruchnahme des Verwertungsrechts vor Fälligkeit ist ihm untersagt.

8.7. Zweiterwerb - Abtretung der besicherten Forderung

Die Forderung des Sicherungsnehmers gegen den Sicherungsgeber (besicherte Forderung) kann vom Sicherungsnehmer an einen Dritten abgetreten werden. Wichtig ist, dass in einem solchen Fall der Sicherungsgeber als Schuldner der Forderung dem Dritten gegenüber alle Einreden geltend machen kann, die ihm gegenüber dem alten Gläubiger (Sicherungsnehmer) zustanden, § 404 BGB. Diese Vorschrift schützt die Position des Schuldners (hier Sicherungsgebers).

Auf die Sicherungsabtretung hat die Abtretung der besicherten Forderung keine Auswirkungen. Da die Sicherungsabtretung nicht akzessorisch ist und der Sicherungsnehmer aufgrund der Sicherungsabrede vertraglich dazu verpflichtet ist, im Sinne des Sicherungsnehmers mit der Forderung zu verfahren, darf er auch nicht ohne Weiteres die sicherungsweise abgetretene Forderung zusammen mit der Hauptforderung an einen Dritten übertragen.

Beispiel

Die G-Bank gewährt Händler Simon ein Darlehen. Als Sicherheit tritt Simon eine ihm gegen Klaus zustehende Forderung aus einem Kaufvertrag ab.

Die G-Bank tritt ihre Rückzahlungsforderung aus dem Darlehensvertrag gegen Simon an die C-Bank ab. Inhaberin der sicherungsweise abgetretenen Forderung gegen Klaus bleibt die G-Bank; weil die Sicherungsabtretung nicht akzessorisch ist, geht die sicherungsweise abgetretene Forderung nicht mit der Hauptforderung auf die C-Bank über.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditsicherheiten“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Daria Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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