Kreditsicherheiten – Teil 11 – Bürgschaftsvertrag: Wegfall und Störung der Geschäftsgrundlage


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin


2.6.4. Wegfall und Störung der Geschäftsgrundlage

Der Wegfall sowie die Störung der Geschäftsgrundlage sind grundsätzlich dann anzunehmen, wenn sich eine vertragliche Vereinbarung in einer unzumutbaren Art und Weise für eine der Vertragsparteien so verändert hat, dass ein weiteres Festhalten insbesondere aufgrund der Risikoverteilung an dem Vertrag unverhältnismäßig erscheint. (§ 313 BGB)

Eine Berufung des Bürgen auf die Störung der Geschäftsgrundlage, weil sich die Leistungsfähigkeit des Schuldners nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages erheblich verschlechtert hat, bleibt jedoch erfolglos. Dies lässt sich damit begründen, dass gerade der Sicherungszweck der Bürgschaft darin besteht, den Bürgen in die Haftung zu nehmen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist. Andernfalls wäre der Zweck dieses Sicherungsinstruments ähnlich wie bei der Anfechtung vereitelt.

Beispiel

Herr Baum verbürgt sich für die Darlehensschuld des Herrn Schneidergegenüber der G-Bank. Da Herr Baum weiß, dass Herr Schneider über ein hohes Vermögen verfügt, schätzt er sein Risiko, in Haftung genommen zu werden, als gering ein. Deshalb ist er sehr darüber verwundert, als G - Bank nach Fälligkeit der Forderung von ihm Zahlung verlangt. Herr Baum erfährt darauf hin, dass Herr Schneider sein gesamtes Vermögen verprasst hat.Herr Baum beruft sich deshalb auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und macht geltend, dass gerade die plötzliche Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Herrn Schneider und somit ein weiteres Festhalten am Vertrag unzumutbar ist.
Der Einwand des Herrn Baum greift nicht durch, denn gerade für den möglichen Zahlungsausfall des Herrn Scheider hat er sich verbürgt; er muss gegenüber der G-Bank Zahlung leisten.

Ausnahmen gelten jedoch bei Vorliegen einer sog. Ehegattenbürgschaft. Dabei verbürgt sich der Ehepartner für die Schulden des anderen. Die Ehegattenbürgschaft gehört damit zur üblichen Praxis der Kreditinstitute.Die Wirksamkeit kann entweder durch Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) oder Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) behindert werden.

Bei einer Ehegattenbürgschaft kann die Geschäftsgrundlage wegfallen, wenn die Ehe noch vor dem Eintritt des Sicherungsfalls endgültig scheitert und erkennbar ist, dass der bürgende Ehepartner beim Abschluss des Ehegattenbürgschaftsvertrages einkommens- und vermögenslos ist und somit voraussichtlich nicht in der Lage sein wird beim Eintreten des Sicherungsfalls an den Gläubiger zu leisten. In solchen Fällen kann sich der Bürge auf § 313 BGB berufen und von dem Bürgschaftsvertrag zurücktreten.

Beispiel

Für die Verbindlichkeit seiner Frau Sina verbürgt sich der arbeitslose Ehemann Bernhard. Aufgrund einer Erkrankung wird Bernhard nie wieder arbeiten können. Über Vermögen oder sonstiges verfügt er ebenfalls nicht, worüber die G-Bank Kenntnis hatte. Die Ehe scheitert.
Die G-Bank verlangt nun Zahlung von Bernhard. Da für die G-Bank ersichtlich war, dass Bernhard voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, eine Tilgung zu bewirken, kann sich dieser aufgrund des Scheiterns der Ehe auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Der G-Bank steht kein Zahlungsanspruch zu.

Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn der bürgende Ehepartner während der Ehe Vermögen erworben hat, welches die Tilgung der Verbindlichkeit ermöglicht.

Beispiel

Für die Verbindlichkeit seiner Frau Sina verbürgt sich der arbeitslose Ehemann Bernhard. Sina und Bernhard sind seit 7 Jahren verheiratet; noch zu Beginn der Ehe erbte Bernhard einige Häuser, dessen Vermietung seitdem als Einnahmequelle dient. Bernd und Sina lassen sich scheiden. Als die G-Bank Rückzahlung fordert, macht Bernhard geltend, dass er aufgrund der Scheidung nicht mehr verpflichtet sei. Aufgrund des Vermögens des Bernhard kann er sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen und ist trotz dessen zur Zahlung verpflichtet.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditsicherheiten“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Daria Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
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