Kommunalabgabenrecht – Teil 18 – Vorläufiger Rechtsschutz

5.3.2 Kontrollmöglichkeiten des Gerichts

Genauso wie beim Widerspruch gilt auch bei der Klage, dass dieser Erfolg hat, wenn der angegriffene Abgabenbescheid rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dabei hat das Gericht die Sach- und Rechtslage vollumfänglich und von Amts wegen zu prüfen und zu klären, wovon ggf. auch eine sog. Inzidentprüfung der dem Abgabenbescheid zugrundeliegenden Satzung umfasst ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der der letzten behördlichen Entscheidung, also in der Regel der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Besonders bei Streitigkeiten über die korrekte Abgabenhöhe kann das Gericht dabei auch nach Maßgabe des § 113 Abs. 2 VwGO den ursprünglichen Bescheid für rechtswidrig erklären und der Gemeinde selbst die Neuberechnung überlassen, die dann gegenüber dem Kläger durch Neubescheidung ergeht. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu jedoch klargestellt, dass dies nur dann möglich ist, wenn das Gericht nicht selbst auf Grundlage der Akten die Abgabenhöhe berechnen kann.(Fußnote) Zudem ist es im laufenden Gerichtsverfahren noch möglich, dass eine neue wirksame Satzung erlassen wird. Dann kann die Gemeinde eine neue Sachentscheidung treffen, indem sie ggf. das Widerspruchsverfahren wieder aufnimmt und infolge dessen Abhilfe leistet und einen neuen Abgabebescheid erlässt. Die entsprechende Klage kann in diesem Fall einseitig vom Kläger zurückgenommen werden oder beide Parteien erklären die Hauptsache für erledigt. Es ist dem Kläger hierbei jedoch aus Kostengründen anzuraten, die Sache für erledigt zu erklären. Nimmt er die Klage nämlich zurück, so werden ihm die Prozesskosten auferlegt. Erklärt er die Sache hingegen für erledigt und stimmt die beklagte Gemeinde dem zu, hat das Gericht nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erledigung über die Kosten zu entscheiden. Da das erledigende Ereignis hier die Heilung des ursprünglich rechtswidrigen Bescheids ist, wird die Gemeinde regelmäßig die Kosten zu tragen haben.

Verweigert sie die Zustimmung, so hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob tatsächlich Erledigung der Hauptsache eingetreten ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Klage ursprünglich begründet war, durch die Heilung aber unbegründet geworden ist. Auch in diesem Fall wird regelmäßig die Gemeinde zur Kostentragung verurteilt werden.

5.4 Vorläufiger Rechtsschutz

Im Kommunalabgabenrecht besteht häufig das Bedürfnis nach vorläufigem Rechtsschutz, da Widerspruch und Anfechtungsklage isoliert nicht den gewünschten Erfolg versprechen. Dies ist in Abgabesachen deswegen oft der Fall, da gem. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Widerspruch und Klage gegen einen Abgabenbescheid keine aufschiebende Wirkung haben, die Gemeinde also mit anderen Worten auch den angegriffenen (und sich möglicherweise später als rechtswidrig herausstellenden) Bescheid im Verwaltungswege vollstrecken kann.

5.4.1 Die Ausnahme der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO

In Abweichung vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Öffentliche Abgaben sind definiert als hoheitliche Geldforderungen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Hierunter fallen auch viele der kommunalen Steuern, Gebühren und Beiträge, weshalb der vorläufige Rechtsschutz im Kommunalabgabenrecht eine solch hohe Bedeutung hat. Sinn und Zweck des § 80 Abs. 2 S. 1 VwGO ist es, die Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben und die Planbarkeit öffentlicher Mittel sicherzustellen.

Gleichwohl sind nicht sämtliche Kommunalabgaben von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfasst, da diese als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. So bleibt die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO bei Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Säumniszuschläge, öffentlich-rechtliche Ersatzansprüche (etwa Kostenersatz für die Herstellung von Hausanschlüssen), Kosten i. V. m. Vollstreckungsmaßnahmen sowie Lenkungsabgaben (z.B. Abwasserabgaben) bestehen. In der konkreten Ausgestaltung sind die Kommunalabgabengesetze der Länder allerdings sehr divergent, sodass es immer einer Prüfung im Einzelfall bedarf, ob eine Kommunalabgabe unter § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO fällt oder nicht.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kommunalabgabenrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Patrick Christian Otto, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-62-5.


 

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches

Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Kommunalabgabenrecht

Kontakt: info@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.

Gericht / Az.: BVerwG vom 28.11.1991 – 2 C 11.91
Normen: § 80 Abs. 1 VwGO

Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosVerwaltungsrecht