Int. Vertragsrecht - Teil 31 - Sonderregeln

7.5 Sonderregeln für das auf Forderungen anwendbare Recht

Für bestimmte Rechtsinstitute, die im Zusammenhang mit Forderungen stehen, definieren die Art. 14 - 17 Rom I-VO besondere Regelungen, die festlegen welches Recht auf sie zur Anwendung kommt. Dies sind im Einzelnen:

  • Die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen (Art. 14 Rom I-VO)
  • Der gesetzliche Übergang von Forderungen (Art. 15 Rom I-VO)
  • Die Haftung bei mehreren Schuldnern (Art. 16 Rom I-VO)
  • Die Aufrechnung von Forderungen (Art. 17 Rom I-VO).

7.5.1 Rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen

Die besonderen Vorschriften für die rechtsgeschäftliche, in der Regel also vertraglich vereinbarte Übertragung von Forderungen ergeben sich aus Art. 14 Rom I-VO. Bei einer Forderungsübertragung (Zession) tritt der Gläubiger einer Forderung (Zedent), die Forderung an einen anderen ab (Zessionar). Der Zessionar übernimmt dadurch die Gläubigerposition des Zedenten und wird dadurch zum Forderungsinhaber.

Bei einer Zession muss zwischen drei Rechtsverhältnissen unterschieden werden:

  • Dem grundlegenden Schuldverhältnis zwischen Zedent und Schuldner,
  • Dem Rechtsverhältnis zwischen Zedent und Zessionar (Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO),
  • Dem Rechtsverhältnis nach erfolgreicher Übertragung zwischen Zessionar und Schuldner (Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO).

7.5.1.1 Schuldverhältnis zwischen Zedent und Schuldner

Zunächst muss zwischen Zedent und Schuldner ein Schuldverhältnis bestehen. Um was für eine Art Schuldverhältnis es sich handelt ist nicht relevant, nach dem Wortlaut der Norm ist die einzige Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 14 Rom I-VO, dass aus ihr eine Forderung des Zedenten gegen den Schuldner resultiert. Das bedeutet, dass nicht nur Forderungen aus "klassischen" Verträgen wie Kauf, Miete oder Pacht erfasst sind, sondern auch dem Zedenten zustehende gesetzliche Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner.[1]

Auf das ursprüngliche Schuldverhältnis zwischen Zedent und Schuldner findet Art. 14 Rom I-VO keine Anwendung. Handelt es sich dabei um einen internationalen Vertrag, so sind die Art. 3 ff Rom I-VO anwendbar, ansonsten das einschlägige nationale Recht.

Beispiel
Das deutsche Unternehmen A schuldet dem französischen Geschäftsmann B für den Kauf eines Grundstücks in Lille 200.000 EUR. Auf den Grundstückskaufvertrag soll französisches Recht gelten. Da sich der Geschäftsmann in finanziellen Schwierigkeiten befindet, möchte er die Forderung später an einen Interessenten abtreten. Welches Recht ist auf den Vertrag zwischen A und B anwendbar?

  • Das auf den zwischen A und B geschlossenen Immobilienkaufvertrag anwendbare Recht bestimmt sich nach Art. 3 ff Rom I-VO. Nicht relevant ist, dass sich B vorbehält, die Forderung später abzutreten. Art. 14 Rom I-VO findet nur auf die Abtretung selbst und das dadurch entstehende Rechtsverhältnis zwischen dem neuen Gläubiger und dem Schuldner der Forderung Anwendung. Da die Parteien vorliegend eine zulässige Rechtswahl iSd Art. 3 Rom I-VO getroffen haben ist auf den Vertrag zwischen A und B französisches Recht anzuwenden.

7.5.1.2 Rechtsverhältnis zwischen Zedent und Zessionar

Das auf die Übertragung der Forderung von Zedent zu Zessionar anwendbare Recht wird Zessionsstatut genannt. Dieses bemisst sich nach Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO nach dem Recht das nach der Rom I-VO auf einen Vertrag zwischen Zessionar und Zedent Anwendung findet. Das bedeutet also, dass das Recht, das auf den Vertrag, der die Grundlage für die Forderungsübertragung bildet angewendet wird, das gleiche Recht ist, das auch auf die Übertragung selbst Anwendung findet.

Beispiel
Der Geschäftsmann B aus dem obigen Beispiel tritt die Forderung gegen den A für einen Kaufpreis von 75.000 EUR an die belgische Bank C ab. Auf den der Zession zu Grunde liegenden Kaufvertrag soll belgisches Recht Anwendung finden. Welches Recht ist vorliegend Zessionsstatut?

  • Das Zessionsstatut richtet sich bei grenzüberschreitenden Forderungsübertragungen nach Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO. Danach ist Zessionsstatut auf den die Zession begründenden Vertrag anwendbare Recht, hier also das Recht, das auf den zwischen B und C geschlossene Kaufvertrag über die Forderung des B gegen A Anwendung findet. Da die Parteien des Kaufvertrags vorliegend die Anwendung belgischen Rechts vereinbart haben und diese Wahl gem. Art. 3 Rom I-VO zulässig ist, wird auch auf die Übertragung der Forderung selbst belgisches Recht angewendet.

7.5.1.3 Rechtsverhältnis zwischen Zessionar und Schuldner

Das Rechtsverhältnis zwischen dem Zessionar als neuem Forderungsgläubiger und dem Forderungsschuldner wird von Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO geregelt. Da dem Schuldner kein Vertragsstatut zugemutet werden soll, welches dieser nicht mitbestimmt hat, ist für die Forderung weiterhin das Recht anzuwenden, das bereits für das ursprüngliche Schuldverhältnis bestand. So ist bei einer aus Kaufvertrag entstandenen Forderung bspw. das ursprünglich auf den Kaufvertrag anwendbare Recht auch das Recht, das nach Abtretung der Forderung auf das Rechtsverhältnis zwischen Zessionar und Schuldner anzuwenden ist. Nach Maßgabe des ursprünglichen Vertragsstatutes ist also zu entscheiden, ob:

  • eine Forderung überhaupt übertragen werden darf
  • die Voraussetzungen für die Übertragung erfüllt werden muss
  • die Bewirkung der Leistung durch den Schuldner befreiende Wirkung hat

Beispiel
Im obigen Beispiel haben das deutsche Unternehmen A und der französische Geschäftsmann B abweichend die Geltung deutschen Rechts vereinbart. B tritt die Forderung gegen den A ohne dessen Kenntnis an die belgische Bank C ab. Daraufhin bewirkt A kurz darauf die 100.000 EUR an B in dem Glauben, die Forderung stehe diesem weiterhin zu. B, der Schulden hat, nimmt das Geld entgegen ohne die Bank C darüber zu informieren. C tritt daraufhin an A heran und verlangt von ihm die Begleichung der Forderung in vollem Umfang. Muss A an C leisten oder ist er durch die Leistung an B bereits von seiner Leistungspflicht befreit?

  • Inwieweit das Bewirken der Leistung an B den A von seiner Leistungspflicht gegenüber dem C befreit hat ist eine Frage die das Verhältnis zwischen dem Zessionar C und dem Schuldner A betrifft. Daher kommt auf hier Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO zur Anwendung, der dieses Verhältnis dem gleichen Recht wie dem ursprünglichen Vertrag unterstellt. Für diesen haben A und B von ihrer Rechtswahlfreiheit gem. Art. 3 Rom I-VO Gebrauch gemacht und ausdrücklich die Anwendbarkeit von deutschem Recht vereinbart.
  • Gem. § 407 Abs. 1 BGB muss der Zessionar die Bewirkung der Forderung durch den Schuldner, die dieser gegenüber dem Zedenten geleistet hat dann gegen sich wirken lassen, wenn der Schuldner keine Kenntnis von der Abtretung hatte. Vorliegend wusste A nicht, dass B die Forderung an die Bank C abgetreten hatte. Daher befreit ihn die Zahlung der Kaufpreissumme an B von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Forderungsinhaber C. C kann von A also keine Zahlung verlangen, sondern muss seinen Anspruch gegenüber B geltend machen.


[1] Palandt/Thorn Rom I-VO Art. 14 Rn 3.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Vertragsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Tim Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-88-5.


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Stand: Januar 2019


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele begleitet IT-Projekte von der Vertragsgestaltung und Lastenheftdefinition über die Umsetzung bis hin zur Abnahme oder Gewährleistungs- und Rückabwicklungsfragen.

Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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