Int. Vertragsrecht - Teil 15 - Versteigerungsverträge, Auffangklausel

5.2.1.7 Versteigerungsverträge, lit. g

Bei beweglichen Sachen, die im Rahmen einer Versteigerung verkauft werden gilt abweichend von Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO eine Ausnahmeregelung. Nicht der Ort des Verkäufers ist gem. Abs. 1 lit. g ausschlaggebend, sondern der Ort an dem die Versteigerung stattfindet.

Beispiel 1
Bei einer in Deutschland stattfindenden öffentlichen Versteigerung ersteigert ein schwedischer Geschäftsmann eine vor Rotterdam liegende Yacht. Welches Recht ist hier mangels Rechtswahl anwendbar?

  • Vorliegend handelt es sich um einen Vertrag über den Kauf einer beweglichen Sache. Hierfür gilt grundsätzlich Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO. Da die Sache allerdings im Rahmen einer Versteigerung verkauft wurde, kommt die Sonderregelung des Art. 4 Abs. 1 lit. g Rom I-VO zur Anwendung. Ob es sich bei der Versteigerung um eine private oder öffentliche Auktion gehandelt hat ist für eine Kategorisierung nach lit. g unerheblich.[1] Daher kommt es nicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers, sondern auf den Ort der Versteigerung an. Da der Versteigerungsort in diesem Fall Deutschland ist, unterliegt der Vertrag hier deutschem Recht.

Einen Sonderfall stellen jedoch Warenkäufe dar, die durch Online-Versteigerungen zustande kommen:

Beispiel 2
Der schwedische Geschäftsmann nimmt zusätzlich an einer Internet-Auktion eines englischen Versteigerungshauses teil. Dort erhält er den Zuschlag für eine von einem deutschen Anwalt angebotene antike Kapitänsmütze. Welches Recht ist bei fehlender Rechtswahl anzuwenden?

  • Grundsätzlich kommen auch hier die Regeln des Warenkaufvertrags iSd Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO in Frage. Da es sich um eine Versteigerung handelt könnte aber die Sonderregelung des Art. 4 Abs. 1 lit. g Rom I-VO vorrangig greifen. Allerdings ist der tatsächliche Versteigerungsort der Kaufsache bei einer Online-Versteigerung physisch nicht zu ermitteln.[2] Da es auf den Ort der Versteigerung an sich ankommt ist es unerheblich, dass es sich um einen englischen Versteigerer handelt. In diesem Fall finden daher die Regelungen für den "normalen" Warenkaufvertrag Anwendung (lit. a). Es kommt also auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers an. Da sich dieser in Deutschland befindet ist deutsches Recht anzuwenden.

5.2.1.8 Finanzinstrumente innerhalb multilateraler Systeme, lit. h

Die in Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO aufgelisteten Katalogverträge werden mit einer Sonderregelung für Verträge abgeschlossen, die innerhalb multilateraler Systeme geschlossen wurden und den Kauf und Verkauf von bestimmten Finanzinstrumenten zum Inhalt haben. Liegen die Voraussetzungen vor, so ist das Recht des Staates anzuwenden, dem die Aufsicht über dem Börsenplatz zukommt.[3]

Multilaterale Systeme im Sinne der Vorschrift sind sowohl klassische Börsen sowie moderne elektronische Handelssysteme.[4] Die von der Regel betroffenen Finanzinstrumente werden sehr ausführlich in Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 der Finanzmarkt-Richtlinie[5] definiert. Die wichtigsten von der Finanz-Richtlinie umfassten Finanzinstrumente sind:

  • Übertragbare Wertpapiere
  • Geldmarktinstrumente
  • Optionen
  • Termingeschäfte
  • Zinsausgleichsvereinbarungen
  • Bestimmte Derivate.

Typische mit diesen Finanzinstrumenten geschlossene Geschäfte sind Kauf, Verkauf und Leihe bzw. Darlehen.[6] Nicht in den Regelungsbereich der Vorschrift gehören jedoch Dienstleistungsverträge zwischen Finanzmittlern und Kunden, sowie Verträge im Zusammenhang mit Wertpapierliefer- und Wertpapierabrechnungssystemen.[7]

Beispiel
Ein in Paris ansässiger Händler bestellt im elektronischen Handel der Frankfurter Börse eine Partie Aktien. Welches Recht ist bei mangelnder Rechtswahl anzuwenden?

  • Bei der Frankfurter Börse handelt es sich um ein multilaterales Finanzsystem, bei dem Kauf von Aktien um ein von der Vorschrift umfasstes Finanzinstrument. Daher ist bei mangelnder Rechtswahl an das Merkmal des Art. 4 Abs. 1 lit. h Rom I-VO anzuknüpfen. Danach ist das Recht des den Börsenplatz beaufsichtigten Landes anzuwenden. Da dies für die Frankfurter Börse Deutschland ist unterliegt der Vertrag deutschem Recht.

5.2.2 Auffangklausel, Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO

Fällt der Vertrag nicht in eine durch Art. 4 Abs. 1 lit. a - h Rom I-VO definierte Kategorie oder handelt es sich um eine Mischung der aufgeführten Verträge, so findet die Auffangklausel des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO Anwendung. Ausschlaggebend ist demnach der gewöhnliche Aufenthalt der die Leistung erbringenden Vertragspartei. Das Recht des Staates, indem sich dieser Aufenthaltsort befindet wird dann auf den Vertrag angewendet.


[1] Palandt/Thorn Rom I-VO Art. 4 Rn 20.

[2] Güllemann, Internationales Vertragsrecht, 2. Auflage 2014, S. 58.

[3] Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Auflage 2015, 2. Teil, Rn 2.156.

[4] MüKoBGB/Martiny, 7. Auflage 2018, Rom I-VO Art. 4 Rn 155.

[5] Richtlinie 2004/39/EG.

[6] Ringe in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, Art. 4 Rom I-VO Rn 42.

[7] Ringe in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, Art. 4 Rom I-VO Rn 42.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Vertragsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Tim Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-88-5.


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Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele begleitet IT-Projekte von der Vertragsgestaltung und Lastenheftdefinition über die Umsetzung bis hin zur Abnahme oder Gewährleistungs- und Rückabwicklungsfragen.

Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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