Int. Vertragsrecht - Teil 08 - Teilrechtswahl

4.2.2.2 Indizien mit geringem Beweiswert

Nicht oder nur in sehr begrenztem Maße als Indizien für eine konkludente Rechtswahlvereinbarung anerkannt sind die folgenden:

  • Abschlussort(Fußnote)
  • Erfüllungsort(Fußnote)
  • Vertragssprache(Fußnote)
  • Vereinbarte Währung(Fußnote)
  • Gewöhnlicher Aufenthaltsort / Gemeinsame Staatsangehörigkeit(Fußnote).

Beispiel
Zwei seit ihrer Kindheit in Deutschland lebende Schweden schließen in Köln einen Mietvertrag über eine Wohnung in der Innenstadt ab.

  • Es handelt sich um einen reinen Inlandssachverhalt ohne Auslandsbezug. Daher ist vorliegend deutsches Recht anzuwenden.

Ausnahmsweise kann die Staatsangehörigkeit allerdings auch einen verwertbaren Hinweis auf das anwendbare Recht liefern. Ergibt sich aus der Staatsangehörigkeit nämlich ein Rückschluss auf die kulturelle Identität der Parteien, dann kann auch darin eine konkludente Rechtswahl liegen, bspw. wenn zwei in Deutschland lebende Parteien türkischer Staatsangehörigkeit Brautgeschenke nach türkisch-islamischen Ritus austauschen.(Fußnote)

4.2.3 Teilrechtswahl

Die von den Parteien getroffene Rechtswahlvereinbarung muss sich nicht zwangsläufig auf den ganzen Vertrag beziehen. Den Parteien steht es gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 Rom I-VO frei, ob sie die Rechtswahl für ihren ganzen oder nur für einen Teil des Vertrags treffen.

4.2.3.1 Grundsätzliches

Die Teilrechtswahl schließt nicht nur abgrenzbare Vertragsteile - bspw. einzelne Klauseln - ein, sondern kann sich auch auf bestimmte vertragliche Rechtsfragen beziehen.(Fußnote) Auf die entsprechenden Teile ist dann nur das gewählte Recht anzuwenden und zwar unabhängig davon welches oder ob überhaupt eine Rechtswahl hinsichtlich des rechtlichen Vertrags geschlossen wurde. Einem berechtigten Interesse oder einer ausdrücklichen Begründung für die Aufspaltung in verschiedene Rechtsordnungen bedarf es von Seiten der Parteien nicht.(Fußnote)

Beispiel
Die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Vertrag insgesamt die kanadische Rechtsordnung unterliegen soll. Davon abweichend sollen aber alle den Schadenersatz betreffenden Fragen nach deutschem Recht behandelt werden. Ist diese Teilrechtswahl zulässig?

  • Zwar haben die Parteien hier keinem bestimmten Teil des Vertrags ausdrücklich deutschem Recht unterstellt. Eine Teilrechtswahl muss aber nicht zwangsläufig einen bestimmten Teil des Vertrags umfassen, sondern kann sich ebenso auf die Beantwortung bestimmter Rechtsfragen beziehen. Die Teilrechtswahl ist zulässig.

Die Parteien können auch vereinbaren, nur bestimmte Rechtsfragen (Fußnote)nach einem bestimmten Recht zu behandeln.(Fußnote) Der Rest des Vertrags wird dann so behandelt, als wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten, sodass Art. 4 Rom I-VO zur Anwendung kommt (Fußnote).

4.2.3.2 Grenzen der Teilrechtswahl

Ausgeschlossen ist eine Teilrechtswahl jedoch dann, wenn die betroffenen Vertragsteile oder Rechtsfragen vom Vertrag nicht sinnvoll abgrenzbar sind.(Fußnote) Das ist dann der Fall, wenn die Teilrechtswahl zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. Die Rechtsprechung hat in diesem Bereich noch keine belastbaren Maßstäbe produziert, anhand derer eine Abgrenzung vorgenommen werden könnte. Einigkeit besteht aber insoweit, dass bestimmte Rechtsfragen, die aufgrund ihrer aufeinander aufbauenden Systematik nicht oder nur schwer voneinander zu trennen sind, nicht verschiedenen Rechtsordnungen unterworfen werden können.(Fußnote) Das gilt im deutschen Recht insbesondere für folgende Fälle:

  • Die Ansprüche des Leistungsstörungsrechts(Fußnote),
  • Den Konsens der Parteien(Fußnote),
  • Das funktionelle Synallagma(Fußnote).

4.2.3.3 Praxisrelevantes

In der Praxis sind Teilrechtswahlen aufgrund ihrer Rechtszersplitterung und der daraus erwachsenen Rechtsunsicherheit vergleichsweise selten.(Fußnote) Relevant sind sie insbesondere dann, wenn der Vertragsschluss dem einen und der inhaltliche Teil des Vertrags einem anderen Recht unterstellt werden.

Beispiel
Die Parteien vereinbaren bei einem Kaufvertrag, dass der Vertragsschluss deutschem, der Inhalt des Vertrags jedoch französischem Recht unterliegen soll.

  • Durch die Teilrechtswahl der Parteien sind für den Vertragsschluss die einschlägigen deutschen Normen anzuwenden. Das bedeutet, dass gem. § 433 BGB ein Kaufvertrag dann wirksam geschlossen wurde, wenn von Käufer und Verkäufer jeweils eine auf den Vertragsschluss ausgerichtete Erklärung abgegeben worden ist. Ansonsten findet auf den Vertrag jedoch französisches Zivilrecht Anwendung. Das bedeutet für den Fall konkret, dass der Eigentumserwerb an der Kaufsache nicht wie in Deutschland durch Übergabe und Übereignung stattfindet, sondern bereits durch Abschluss des Kaufvertrags.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Vertragsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Tim Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-88-5.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele begleitet IT-Projekte von der Vertragsgestaltung und Lastenheftdefinition über die Umsetzung bis hin zur Abnahme oder Gewährleistungs- und Rückabwicklungsfragen.

Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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