Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Teil 03 - England und Wales Teil 1

II. Überblick über die Insolvenzverfahren in einigen europäischen Ländern

1. England und Wales

1.1. Einleitung

1.1.1. Insolvency Act 1986

Das englische und walisische Insolvenzrecht wurde ursprünglich im Bankruptcy Act von 1914 und später im Insolvency Act von 1976 geregelt. Im Jahre 1986 wurden beide Gesetze durch den Insolvency Act 1986 abgelöst. Dieses Gesetz gilt für England und Wales, die anderen Gebiete wie Schottland und Nordirland sind ausgenommen (beide sind von England und Wales unabhängige Rechtsgebiete). Die Vorschriften des Insolvency Act 1986 erfassen sowohl Unternehmensinsolvenzen als auch Privatinsolvenzverfahren.

1.1.2. Ziel des Gesetzes

Den Zweck, den das englische und walisische Insolvenzrecht verfolgt, ist mit demjenigen des deutschen oder tschechischen zu vergleichen – die gerechte Verteilung der Vermögenswerte, den Schutz vor „Ewigkeitshaftung“ und gleichzeitig des ehrlichen, aber nicht erfolgreichen Schuldners.

1.2. Insolvenzverfahren

1.2.1. Unternehmensinsolvenzverfahren

Falls ein Unternehmen insolvent oder beinahe insolvent ist, kann dies verschiedene Folgen haben:

1.2.1.1. Administration (Insolvenzplanverfahren)

Der Enterprise Act 2002, der am 1.4. 2004 in Kraft trat und durch den der Insolvency Act 1986 tiefgreifend geändert wurde, hat ein vereinfachtes dreistufiges Ziel des Insolvenzplanverfahrens eingeführt. Dieses Verfahren soll vor allem dazu dienen, die Rettung des Unternehmens zu gewährleisten und für die Gläubiger ein besseres Ergebnis als bei einer Abwicklung zu erzielen. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, so ist - auf der zweiten Stufe - die Rettung von Teilen des Unternehmens anzustreben. Kann auch dieses Ziel nicht erreicht werden, so ist in der dritten Stufe die Verwertung von Vermögensteilen zu verfolgen, um einen oder mehrere gesicherte und bevorrechtigte Gläubiger auszuzahlen.

1.2.1.1.1. Administrator

Das Insolvenzplanverfahren wird mittels eines Administrators durchgeführt, wobei die Beteiligung des Gerichtes an der Durchführung der „administration“ verringert werden soll. Beispielsweise kann der Administrator ohne Gerichtsbeteiligung entweder durch das Unternehmen oder durch den Inhaber bestimmt werden.

Eine „administration“ kann aufgrund der durch den Enterprise Act eingeführten Veränderungen nun als solche unter bestimmten Umständen beendet werden. Sofern das weitere Insolvenzverfahren nicht mehr notwendig ist.

1.2.1.2. Administrative Receivership (Zwangsverwaltung)

Diese Verfahrensform können die gesicherten Gläubiger nutzen. Der Inhaber eines Globalpfandrechts (floating charge) bestellt einen Zwangsverwalter, dessen Hauptaufgabe es ist, diejenigen Vermögensgegenstände zur Befriedigung des gesicherten Gläubigers zu verwerten, die von der Sicherheit erfasst werden. Diese Art von Pfandrecht verleiht dem Inhaber keine unmittelbaren dinglichen Rechte an den verpfändeten Vermögenswerten. Das Unternehmen kann frei über die verpfändeten Vermögenswerte verfügen, bis der Sicherungsfall eintritt.

1.2.1.3. Liquidation (Abwicklung)

Die Verwertung und die Verteilung des Vermögens kann in drei Formen folgen:

a) Zwangsabwicklung (zumeist betrifft die Unternehmen, die ihre Verbindlichkeiten nicht begleichen können),
b) freiwillige Abwicklung,
c) Abwicklung unter Kontrolle der Gläubiger,
d) freiwillige Abwicklung auf Veranlassung der Gesellschafter (bei ausreichender Liquidität des Unternehmens).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Ein Vergleich der Insolvenzordnungen der Länder der EU" von Harald Brennecke und Eva Otépková, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-05-2.


 

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Stand: März 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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