Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 06 – Unbezahlte Freistellungen

3.5 Unbezahlte Freistellungen

Bei der unbezahlten Freistellung ist ebenso darauf zu achten, dass gesetzliche und vertragliche Freistellungsansprüche unterschieden werden müssen. Treten keine gesetzlichen Vorschriften im betreffenden Fall ein, liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, einen unbezahlten Sonderurlaub zu gewähren. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer hinreichend deutlich machen muss (gegebenenfalls durch Nachweise), dass es unumgänglich ist, diese unbezahlte Freistellung wahrnehmen zu können. Seine persönlichen Interessen müssen den betriebswirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Wenn z.B. der Arbeitnehmer an dem Tag der einzig mögliche Mitarbeiter ist, um die Arbeit zu erledigen und bei dem Arbeitnehmer geht es um die Einschulung seiner Nichte, dürfte dieses persönliche Interesse nicht das Interesse des Arbeitgebers überwiegen. Die Vereinbarung über die Inanspruchnahme unbezahlter Freistellung ist nur einvernehmlich möglich (Fußnote).

Hinweis:

    • Während das Arbeitsverhältnis aufgrund der unbezahlten Freistellung ruht, hat der Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
    • Ebenso entsteht für die Dauer des unbezahlten Sonderurlaubs kein Anspruch auf Erholungsurlaub.

3.5.1 Elternzeit, § 15 BEEGG

Gemäß § 15 BEEG haben Eltern das Recht, für die Kinderbetreuung bis zu 36 Monate unbezahlt in Elternzeit zu gehen. Während dessen braucht der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung zu erbringen, andererseits hat er keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Allerdings leben die Pflichten nach dem dritten Geburtstag des Kindes wieder auf, hierfür bedarf es keiner gesonderten Absprache. Der Antrag der Elternzeit stellt dem gegenüber eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung dar, welche mit Zugang beim Arbeitgeber nach § 130 BGB wirksam wird. Ist der Zugang des Elternzeitantrags erfolgt, ist dieser ab diesen Moment unwiderruflich (Fußnote). Grund hierfür ist, dass auch der Arbeitgeber Planungssicherheit benötigt und damit rechnen muss, wann der Arbeitnehmer in Elternzeit ist und wann nicht. Für die unbesetzte Stelle während der Elternzeit sind gegeben falls Neuanstellungen, als Überbrückung, notwendig. Diese können dann in Form von sachgrundbefristeten Verträgen entstehen.

3.5.2 Erkrankung des Kindes über einen längeren Zeitraum, § 45 SGB V

Eine Abwesenheit des Arbeitnehmers bei Erkrankung des Kindes, was eine Betreuung erforderlich macht, führt zwar zu einem arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch. Hier entfällt jedoch die Entgeltzahlungspflicht für den Arbeitgeber. Lediglich bei Vorliegen tarif- oder arbeitsvertraglichen Abreden kann der Arbeitnehmer mit einem Entgeltzuschuss rechnen. Anderenfalls entsteht der Krankengeldanspruch gegenüber dem betreffenden Sozialversicherungsträger des Arbeitnehmers.

Hinweis:

    • Bleibt der Beschäftigte seinem Arbeitsplatz unter Berufung auf § 45 Abs. 3 SGB V fern, ist er unbezahlt freigestellt und erhält hieraus Krankengeld von seinem Sozialversicherungsträger. Wenn sich allerdings im Nachhinein herausstellt, dass z.B. das Kind, trotz Krankschreibung, in der Kita und der Arbeitnehmer dennoch zu Hause geblieben war, war er nicht dazu berechtigt, diesen Anspruch gegenüber seiner Krankenkasse, geltend zu machen.
    • Liegt solch ein Fall vor, entfällt nicht nur Krankengeldanspruch an sich, sondern auch der Anspruch, dass er bei der nächsten Freistellung durch das kranke Kind, eine unbezahlte Freistellung erhält. Diese hat er ja, unberechtigter weise, schon genutzt. Er hätte quasi "sein Guthaben aufgebraucht". Der Arbeitgeber hat in diesem Fall das Recht, sich diese bereits -zu Unrecht- genommene Freistellung "aufzusparen/als verbraucht anzusehen" und bei der nächsten Freistellung darauf hinweisen kann. Weiterhin folgt daraus, dass der Arbeitgeber keine Handhabe hinsichtlich anderer arbeitsrechtlicher Maßnahmen, wie Abmahnung oder Kündigung, innehat (Fußnote).

3.5.3 Teilnahme an Abschlussfeier des Kindes, andere Feierlichkeiten

Für private -keine außergewöhnlichen- Angelegenheiten, wie die Abschlussfeier des Kindes, Hochzeiten naher Verwandter oder andere spezieller Feierlichkeiten können nach der Zustimmung als unbezahlter Sonderurlaub wahrgenommen werden. Diese entfernteren Arten von Feiern fallen nicht unter die von der Rechtsprechung anerkannten Anlässe für bezahlte Freistellungen, wie beispielsweise die Goldene Hochzeit der Eltern (vgl. Kapitel 3.4.11).

3.5.4 Widrige Verkehrsverhältnisse

Starke Schneefälle, Glatteis oder eisiger Wind - extreme Wetterbedingungen können dazu führen, dass Mitarbeiter zu spät oder gar nicht zur Arbeitsstelle kommen. Bei solchen Gegebenheiten brauchen die Arbeitnehmer nicht damit zu rechnen, dass der Arbeitgeber ihnen Sonderurlaub gewährt. Maßgeblich für eine bezahlte Freistellung ist die Tatsache, dass sich der Umstand des Fernbleibens einzig und allein auf die Person des Mitarbeiters beziehen muss. Wenn der Auslöser allerdings zugleich mehrere Arbeitnehmer an der Erfüllung der Arbeitsleistung hindert, ist eine der Voraussetzungen für den bezahlten Freistellungsanspruch nicht gegeben. Denn der Grund des Fehlens oder Zuspätkommens auf der Arbeitsstelle, liegt nicht in der Person der Mitarbeiter, sondern ist auf die allgemeine Lage zurückzuführen. Diese betrifft alle Beschäftigten, die aufgrund des Ereignisses gehindert werden, auf Arbeit zu erscheinen. Hieraus folgt, dass die betreffenden Mitarbeiter keinen Anspruch auf den Ausfall der Vergütung gegenüber dem Arbeitgeber haben.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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