Factoring – echte Chance oder falscher Schein?

Wie in allen Krisen gibt es auch in der Finanzkrise echte Gewinner – hier ist es der Factoring-Dienstleister, auch Factor genannt. Allein im ersten Halbjahr 2009 stieg die Zahl der Unternehmen, die sich dieser Dienstleister bedienten, um fast 50 % auf 8700 an.
Grundsätzlich werden beim Factoring Forderungen des Unternehmens gegen Dritte an den Factor abgegeben und die Unternehmen erhalten ihr verdientes Geld - abzüglich eines Abschlags für den Factor - sofort. Diesen Abschlag verwendet der Factor zur Kostendeckung und Absicherung sowie Gewinnerzielung.
Jedoch ganz so einfach, vorteilhaft und unkompliziert, wie es sich vielleicht anhört, ist Factoring aber nicht.

1. Arten des Factoring

Es ist grundsätzlich zwischen dem Standard-Factoring und dem Inhouse-Factoring zu unterscheiden.

a. Standard-Factoring

Beim Standard-Factoring werden vom Factor alle Leistungen im Zusammenhang mit Forderungsabwicklung erbracht.

b. Inhouse-Factoring

Beim Inhouse-Factoring werden die Buchhaltung und das Mahnwesen vom Unternehmen selbst abgewickelt.

2. Voraussetzungen

Generelle Grundlage für den Abschluss eines Factoring-Vertrages ist, dass noch keine Forderungsabtretung erfolgte und keine anderen Rechte Dritter bestehen.

Die weiteren Voraussetzungen, die das Unternehmen vor dem Abschluss eines Factoring-Vertrages erfüllen muss, sind abhängig von dem jeweiligen Factor. In der Regel ist erforderlich, dass das Unternehmen einen bestimmten Mindestumsatz (keinesfalls Unternehmen mit einem Umsatz unter 100.000 € p.a.; in der Regel Mindestumsatz zwischen 1.000.000 € und 1.500.000 € p.a. als Voraussetzung) erreicht, als Abnehmer ausschließlich gewerbliche Kunden hat, eine Bilanz vorgelegt werden kann und die Bankauskünfte keine negativen Merkmale enthalten.

Somit muss bei Unternehmen, die zum ersten Mal einen Factor aufsuchen, aufgrund des bürokratischen Aufwands ein gewisser Zeitrahmen mit eingeplant werden.

3. Vorteile

Die Vorteile des Factoring liegen auf der Hand. Der Unternehmer erhält schnelles, sicheres Geld sofort nach Rechnungsstellung vom Factor. Das Risiko des Zahlungsausfalls wird größtenteils beseitigt. Durch die neue, sofortige Liquidität kann zudem die Inanspruchnahme teurer Kredite umgangen werden. Zusätzlich benötigt man – je nach gewählter Factoringart – kaum oder sogar keine Buchhaltung mehr, was dazu führt, dass die monatlichen Fixkosten des Unternehmens sinken.
Viele mittelständische Unternehmen, die sich momentan in der Krise befinden, haben durch Factoring die Möglichkeit sich „über Wasser“ zu halten beziehungsweise das laufende Geschäft aufrecht zu erhalten.

4. Nachteile

Die Nachteile des Factoring ergeben sich direkt aus den Vorteilen.
Durch die Abgabe der Buchhaltung wird auch Kontrollmöglichkeit sowie Flexibilität abgegeben. Ein Eingehen auf individuelle Kundenwünsche, wie beispielsweise Zahlungsaufschub, und das Treffen eigener Entscheidung diesbezüglich ist folglich nicht mehr möglich. Dadurch kann es schlimmstenfalls zum Verlust von - durch die Vorgehensweise verärgerten - Stammkunden kommen.
Zudem können durch die plötzliche Inanspruchnahme des Factoring bezüglich der eigenen Liquidität böse Gerüchte aufkommen, was in einzelnen Branchen dazu führt, dass der Markt Abstand von dem Unternehmen nimmt und die Geschäftsbeziehungen abbricht. Dazu sei angemerkt, dass sogenanntes „heimliches“ Factoring in Deutschland nicht angeboten wird. Folglich enthalten alle Rechnungen die Information, dass die Forderung an den Factor verkauft wurde.
Ebenso ist das Risiko des Zahlungsausfalls nicht gänzlich eliminiert. Die Factoringgesellschaft zahlt in der Regel nur ungefähr 70 % des Rechnungsbetrages aus. Der Rest wird als Sicherheit einbehalten und erst nach Zahlung durch den Schuldner abzüglich der Gebühren und Zinsen überwiesen. Fällt die Zahlung aus, wird auch der einbehaltene Betrag nicht an das Unternehmen ausgezahlt.

Auch ist zu beachten, dass folgende Geschäftszweige/Grundgeschäfte in der Regel nicht Inhalt eines Factoring-Vertrages sein können (Aufzählung nicht abschließend):

  • Baubranche
  • Direkt-/Barzahlung bei Lieferung
  • Forderungen verbunden mit Rückgaberechten
  • Individualanfertigungen
  • Maschinenbau
  • Software
  • Vorkasse
  • Werkrechnungen vor Abnahme

5. Ausblick

Auch die Umsätze der Factoring-Dienstleister sind an die Umsätze ihrer Kunden gekoppelt und diese sind aufgrund der Wirtschaftskrise in den letzten Monaten auch drastisch eingebrochen. Trotz des einleitend erwähnten Anstiegs der Neukunden war der Umsatz im gleichen Zeitraum rückläufig, was das erste Minus in diesem Bereich seit mehr als 30 Jahren bedeutete. Demnach werden auch einige Factoring-Dienstleister die Wirtschaftskrise wohl nicht überstehen.

Abschließend muss man festhalten, dass Factoring eine Option für gesunde Unternehmen ist. Ein Unternehmen, das ertragsschwach ist oder die falsche Strategie verfolgt, kann mit Hilfe des Factorings keinesfalls gerettet werden. Zwar kann ein, sich in finanziellen Schwierigkeiten befindendes, Unternehmen mit Hilfe des Factorings kurzfristig wieder Liquidität erreichen und somit die Insolvenz vermeiden, jedoch wird bei einem solchen Unternehmen aufgrund des unzureichenden Unternehmenskonzepts spätestens in ein paar Monaten erneut die gleiche Problematik wieder hervortreten. Jedoch diesmal ohne den „Rettungsanker“ des Factoring und die Insolvenz ist spätestens dann unvermeidbar.


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Stand: Oktober 2009


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