Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht – Teil 28 – Abfall nach § 326 StGB, Tathandlungen

7.2 Abfall nach § 326 StGB

Der strafrechtliche Abfallbegriff iSd. § 326 StGB orientiert sich zwar an dem Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 KrWG, wonach Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände sind, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung. Der strafrechtliche Abfallbegriff kann daneben durch die Rechtsprechung selbständig bestimmt werden. Es besteht keine Pflicht, im Bereich des strafbaren unerlaubten Umgangs mit Abfällen, den Abfallbegriff aus dem Abfallverwaltungsrecht nach § 3 Abs. 1 KrWG zu verwenden, sodass strafrechtlich etwas als Abfall gelten kann, was im Verwaltungsrecht nicht als Abfall zählt (vgl. Witteck, in: BeckOK-StGB, § 326 Rn. 5).

Es gibt zwei Arten von Abfall:

  • Als Abfall gelten nach der Rechtsprechung alle Stoffe und Gegenstände, deren sich der Besitzer durch Beseitigung oder Verwertung entledigt, entledigen will oder entledigen muss (vgl. BGH, NJW 2014, S. 91, 92). Maßgeblich ist, dass der Stoff oder Gegenstand für den Besitzer wertlos geworden ist, egal ob man ihn wiederverwenden oder weiterverarbeiten könnte.
  • Davon losgelöst gibt es den sog. Zwangsabfall. Die betreffenden Gegenstände oder Stoffe müssen zur Wahrung des Gemeinwohls und aus Gründen des Umweltschutzes entsorgt werden. Aufgrund dessen gelten sie als Abfall iSd. § 326 StGB. Es kommt dabei nicht mehr auf den Willen des Besitzers an, sondern nur, ob die Sache wegen ihres Zustands objektiv wertlos und gefährlich für die Umwelt ist (vgl. BGH, NStZ 1991, S. 282, 283).

7.3 Die Tathandlungen des §326 StGB

Die Tathandlungen des § 326 StGB sind:

  • Unbefugtes Bewirtschaften von gefährlichen Abfällen (§ 326 Abs. 1 StGB)
  • Unbefugter Export von gefährlichen Abfällen (§ 326 Abs. 2 StGB)
  • pflichtwidriges Nichtablieferung von radioaktiven Abfällen (§ 326 Abs. 3 StGB)

7.3.1 Unbefugtes Bewirtschaften von gefährlichen Abfällen (§ 326 Abs. 1 StGB)

Strafgrund des unbefugten Bewirtschaftens von gefährlichen Abfällen nach § 326 Abs. 1 StGB ist der unerlaubte Umgang mit Abfällen, die besonders gefährlich und deshalb kontrollbedürftig sind (vgl. Witteck, BeckOK-StGB § 326 Rn. 13).

7.3.1.1 Abfall

Die Tatobjekte (Abfallarten) des unbefugten Bewirtschaftens von gefährlichen Abfällen nach § 326 Abs. 1 StGB sind:

  • Nr. 1: Abfälle, die Gifte oder Erreger von auf Menschen oder Tieren übertragbaren gemeingefährlichen Krankheiten enthalten oder hervorbringen können. Gift ist dabei jeder organische oder anorganische Stoff, der aufgrund seiner chemischen oder chemisch-physikalischen Wirkung die Gesundheit schädigen kann (vgl. Bange, BeckOK-StGB, § 314 Rn. 10). Der Begriff des Erregers bestimmt sich nach §§ 1 Nr. 1, 6,7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) iVm. § 1 Tierseuchengesetz (TierSG). Ein Erreger ist demnach ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, welches bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann.
  • Nr. 2: Abfälle, die für den Menschen krebserregend, fortpflanzungsgefährdend oder erbgutsverändernd sind (§§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 2 Nr. 2 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Diese Stoffeigenschaften reichen weiter als die Eigenschaften des Gifts in § 326 Abs. 1 Nr. 1 StGB, sodass es weder eine spezielle Einwirkung auf die Gesundheit noch eine unmittelbare Toxizität erfordert (vgl. Witteck, BeckOK-StGB, § 326 Rn. 15).
  • Nr. 3: Abfälle, die explosionsgefährlich (§§ 1, 3 Abs. 1 Sprengstoffgesetz (SprengG), § 3a Abs. 1 Nr. 1 Chemikaliengesetz (ChemG), § 3 Abs. 2 Nr. 1 GefStoffV), selbstentzündlich (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 3 Abs. 2 Nr. 1 GefStoffV) oder nicht nur geringfügig radioaktiv sind (§ 9 Abs. 2 Atomgesetz (AtG), §§ 46 ff. Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)).
  • Nr. 4 a: Abfälle die nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, nachhaltig ein Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen oder sonst nachteilig zu verändern (siehe hierzu die Ausführungen zum Gewässer- und Bodenschutzstrafrecht nach §§ 324, 324a StGB). Zusätzliche Auswirkungen auf andere Umweltmedien, Mensch oder Tier braucht es nicht (vgl. BGH, NJW 2014, S. 91, 94). Zur Feststellung der gefährlichen Menge bedarf es eines durch Sachverständigengutachten zu ermittelnden naturwissenschaftlich hinreichend abgesicherten Erfahrungssatzes.
  • Nr. 4 b: Abfälle, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, einen Bestand von Tieren oder Pflanzen zu gefährden. Bestand meint die Tier- und Pflanzenpopulation in einem bestimmten Gebiet. Der Bestand ist gefährdet, wenn sein Überleben fraglich. Es reicht dafür aus, dass die Gefährdung sich nur auf den Bestand einzelner Tier- oder Pflanzenarten bezieht (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 326 Rn. 30).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.


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Stand: Januar 2017


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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