Die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft - Ein Überblick über die Auswirkungen auf die Praxis - 1. Beginn, Umfang und Haftung

Einleitung:

Nachdem über fünf Jahrzehnte die herrschende Auffassung vertreten wurde, dass es sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft, bestehend aus einer von Fall zu Fall unterschiedlichen Zahl von Wohnungseigentümern, um eine sachenrechtlich geprägte, beson-ders ausgestaltete Bruchteilsgemeinschaft handelt, hat der Bundesgerichtshof (Fußnote) nunmehr mit seiner Entscheidung vom 2.06.2005 eine entscheidende Wende vollzogen. Danach ist die Wohnungseigentümergemeinschaft künftig als rechtsfähig anzu-sehen, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Diese Entscheidung stellt den Verwalter und auch den Wohnungseigentümer vor eine Fülle von neuen Problemen. Die für die Woh-nungseigentümer und die Verwalter zunächst bedeutsamen Konsequenzen dieser Entscheidung ergeben sich vor allem im Bereich der Haftung. Aber auch eine Fülle anderer Fragestellungen zeichnet sich ab, ohne dass schon jetzt - über gewisse Ansätze hinaus - Lösungen offenkundig sind. Nachfolgend sollen in einem Überblick die Auswirkungen der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigen-tümergemeinschaft für die Praxis nach den Vorgaben des BGH ansatzweise erläutert werden. Eine Darstellung im Einzelnen ist - auf Grund der auch weiterhin im Zusammenhang mit der (Fußnote) Teilrechtsfähigkeit bestehenden ungeklärten - Probleme noch nicht möglich.

1. Umfang und Beginn der Teilrechtsfähigkeit

Der BGH hat die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht in vollem Umfang für rechtsfähig erklärt. Bei der Wohnungseigentümergemeinschaft handelt es sich vielmehr um eine so genannte Außenrechtsfähigkeit. Dies bedeutet, dass sich die Rechtsfähigkeit auf die Teilbereiche beschränkt, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums am Rechtsverkehr teilnehmen, was insbesondere im Außenverhältnis der Fall ist. Aber auch die Verfolgung von gemeinschaftlichen Beiträgen oder Schadensersatzansprüchen gegen einzelne Wohnungseigentümer sind davon betroffen. Des Weiteren ist die Teilrechtsfähigkeit nur dahingehend bejaht, soweit die Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Das gemeinschaftliche Eigentum als solches verbleibt bei den Wohnungseigentümern, so dass die dingliche Seite unberührt bleibt. Als Beispiel für die Zuständigkeit der Wohnungseigentümer-gemeinschaft ist die Widmung einer zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Strasse oder die Eigentumsaufgabe an Wasserrohrleitungen. Dagegen bleibt die Durchsetzung von Beseitigungsansprüchen gegen Dritte auch weiterhin Aufgabe der Wohnungseigentümer und keine Angelegenheit der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Teilrechtsfähigkeit beginnt mit der Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft.

2. Haftungsrechtliche Folgen

Nach bisheriger Auffassung hafteten für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft aus einem Vertrag nur die Woh-nungseigentümer, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft angehörten bzw. die neuen Wohnungseigentümer, die nach Vertragsschluss in die Wohnungseigentümergemeinschaft eingetreten sind und die entsprechenden Verpflichtungen aus dem früheren Vertrag ausdrücklich übernommen hatten. Nach der Entscheidung des BGH haften die Wohnungseigentümer künftig nicht mehr als Gesamtschuldner im Außenverhältnis. Es haftet vielmehr nur noch die Wohnungseigentümergemeinschaft als selbständiges, teilrechtsfähiges Subjekt "Verband". Es haftet nur noch der Verband mit seinem Verwaltungsvermögen. Neben der Haftung der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft kommt eine gleichzeitige (Fußnote) gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer nur dann in Be-tracht, wenn sich der Wohnungseigentümer neben der Wohnungseigentümergemeinschaft klar und eindeutig auch persönlich ver-pflichtet hat. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise der Heizöllieferant oder ein Handwerksbetrieb, der für die Wohnungseigen-tümergemeinschaft eine Leistung erbracht hat, nicht mehr den einzelnen Wohnungseigentümer zur Begleichung der Gesamtrechnung heranziehen kann, wenn der Verwalter kein Geld mehr in der Kasse oder auf dem Konto hat. Der Heizöllieferant oder der Handwerks-betrieb gehen aber nicht leer aus. Diese können nunmehr auf das Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümer-gemeinschaft durch Pfändung zugreifen. Darüber hinaus können sie auch fällige, aber noch nicht geleistete Hausgeldzahlungen der Wohnungs-eigentümer oder Zahlungen aufgrund von Beschlüssen über Sonderumlagen pfänden. Im Zweifelsfalle spätestens dann, wenn sie auf dem Gemeinschaftskonto eingehen. Verzögern oder verhindern die Wohnungseigentümer durch schuldhaft unterlassene Beschlussfassung die entsprechende Zuführung von Finanzmitteln in das Verwaltungsvermögen - also insbesondere Hausgeldzahlungen -, können sie für Schäden in Anspruch ge-nommen werden, die der Wohnungseigentümergemeinschaft hieraus entstehen. Ein schuldhaftes Verhalten liegt dann vor, wenn auch ein einzelner Wohnungseigentümer die erforderlichen Schritte zur Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung zwecks entsprechender Beschlussfassung zur Bereitstellung der erforderlichen Mittel zum Ausgleich der Verbindlichkeiten nicht unternommen hat.

Wird fortgesetzt in Die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft – Ein Überblick über die Auswirkungen auf die Praxis – 2. Beschlussanfechtung, Verwalterstellung und Forderungen


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zum folgenden Teil des Buches

 

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Stand: September 2006


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Gericht / Az.: BGH,V ZB 32/05
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