Baugenehmigung – Teil 24 – Baugenehmigung

4.3.2 Baugenehmigung

Der Nachbar, der die Bautätigkeit verhindern oder unterbinden will, begehrt typischerweise die Aufhebung der dem Bauherrn durch die Behörde erteilten Baugenehmigung. Er kann sich mittels einer Anfechtungsklage gegen die erteilte Baugenehmigung wehren. Der Erhebung der Anfechtungsklage muss ein Vorverfahren vorausgegangen sein. Dieses beginnt mit der Erhebung des Nachbarwiderspruchs. Für diesen gilt grundsätzlich die Monatsfrist ab Bekanntgabe der Baugenehmigung. Häufig fehlt es jedoch an der Bekanntgabe gegenüber dem Nachbarn, weil die Behörde die Drittwirkung der Genehmigung ihm gegenüber nicht erkannt oder die Bekanntgabe irrtümlich für nicht erforderlich gehalten hat.
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sich der Nachbar, wenn er von der erteilten Baugenehmigung zuverlässige Kenntnis erlangt hat oder erlangen musste, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung amtlich bekannt gemacht worden. Nach Ablauf einer angemessenen Frist – in der Regel nach der Frist von einem Jahr nach sicherer Kenntnis von der Genehmigungserteilung – ist ihm die Berufung auf die fehlende Bekanntgabe verwehrt. Die Frist von einem Jahr nach Kenntniserlangung ist nicht streng zu sehen. Vielmehr kann die Frist auch kürzer als ein Jahr sein.

Voraussetzung für die Erhebung des Widerspruchs und der Klage ist, dass der Nachbar in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Dabei muss es sich also um Normen handelt, die einen sog. Drittschutz entfalten. Im Bereich des Bauordnungsrechts werden beispielsweise die Vorschriften über die Abstandflächen, die Standsicherheit baulicher Anlagen und der Brand- und Schallschutz als nachbarschützend bewertet.

Für die Beurteilung der Baugenehmigung im Nachbarprozess kommt es grundsätzlich auf die letzte behördliche Entscheidung an. Allerdings ist die Änderung der Rechtslage zum Nachteil des Bauherrn nach Erteilung einer rechtmäßigen Baugenehmigung unbeachtlich, während die Änderung der Rechtslage zugunsten des Bauherrn nach Erteilung einer ursprünglich rechtswidrigen Baugenehmigung beachtlich ist. Dies resultiert aus dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG.

4.3.3 Vorläufiger Rechtsschutz

Der vorläufige Rechtsschutz ist im Nachbarstreit das Regelverfahren. Ist ein Bauwerk erst einmal errichtet, erfordert sein Abriss weitere Rechtsbehelfe, die häufig aus finanziellen Gründen nicht wahrgenommen werden.

Nimmt der Bauherr die illegale Bautätigkeit auf oder setzt er sie fort, bietet der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO dem Nachbarn, der eine vorläufige Baueinstellungsverfügung bzw. Nutzungsuntersagung begehrt, vorläufigen Rechtsschutz. Legt hingegen der Bauherr gegen die Ordnungsmaßnahme der Behörde einen Rechtsbehelf ein und hat die Behörde nicht bereits von sich aus die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet, kann der Nachbar gemäß § 80a Abs. 2 VwGO an die Behörde oder über die Verweisung des § 80a Abs. 3 S.1 VwGO an das Verwaltungsgericht einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO richten.
§ 80a VwGO regelt den sog. Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Dabei handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der einen Dritten belastet, oder um einen belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt.
Widerspruch und Anfechtungsklage des Nachbarn haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Jedoch hat der Gesetzgeber einen gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (sog. Suspensiveffekt) des nachbarlichen Rechtsbehelfs gegen die Baugenehmigung normiert. Dadurch darf der Bauherr die Baugenehmigung so lange ausnutzen, bis die Behörde oder das Verwaltungsgericht auf Antrag des Nachbarn die Vollziehung ausgesetzt, also den Suspensiveffekt des Rechtsbehelfs angeordnet hat. Folglich muss der Nachbar aktiv werden um seine Rechte zu sichern.

Der Maßstab der gerichtlichen Entscheidung ergibt sich aus einer Abwägung der Interessen des Nachbarn und des Bauherrn. Das Gericht nimmt dabei eine summarische Prüfung (Prüfung nach Aktenlage) vor. Lässt diese Prüfung erkennen, dass die Baugenehmigung rechtswidrig ist und den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, überwiegt das nachbarliche Interesse dasjenige des Bauherrn. Der Antrag des Nachbarn hat daher Erfolg. Zeichnet sich eine Nachbarrechtsverletzung nicht ab, hat der Antrag keinen Erfolg.

4.4 Rechtsschutz für Gemeinden

Auch Gemeinden können sich gegen baurechtliche Einzelentscheidungen zur Wehr setzen. Dabei wird auch vorausgesetzt, dass die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Recht geltend gemacht werden kann. Das kann sich aus der sog. kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, welches aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG resultiert, ableiten, und zwar in ihrer Ausprägung als gemeindliche Planungshoheit. Dabei ist Voraussetzung, dass eine gewisse Erheblichkeitsschwelle vorliegt. Es muss sich daher um mehr als eine nur geringfügige Beeinträchtigung handeln. Bislang wurden „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ für die klagende Gemeinde gefordert.Als Grundlage subjektiv-öffentlicher Rechte der Gemeinde kommen auch einfachgesetzliche Normen in Betracht (z.B. § 36 BauGB).
Verletzt eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Rechte der Gemeinde, kann sich diese nach erfolglosem Vorverfahren mit der Anfechtungsklage zur Wehr setzen.

Mit der Verpflichtungsklage kann die Gemeinde einen Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen baurechtswidrige Bauvorhaben gerichtlich durchsetzen.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Das Recht der Baugenehmigung“ von Olaf Bühler, Rechtsanwalt, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-90-8.


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