BGH Beschluss II ZR 201/08 vom 7. Januar 2010

BUNDESGERICHTSHOF



BESCHLUSS II ZR 201/08 vom 7. Januar 2010 in der Kostensache

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Caliebe, Dr. Drescher, Dr. Löffler und Bender beschlossen:
Auf die Erinnerung der Beklagten wird der Kostenansatz in der Kostenrechnung vom 20. Juli 2009 Kassenzeichen: 780009124337 aufgehoben. Die Kosten sind nach Maßgabe der Gründedurch den Kostenbeamten neu anzusetzen nach einem Streitwert von 69.269.559,23 €. Gründe: Die Erinnerung der Beklagten gegen den mit Kostenrechnung vom 20. Juli 2009 verlautbarten Kostenansatz ist zulässig und führt zur Aufhebung des Kostenansatzes und zur neuen Ansetzung der Kosten durch den Kostenbeamten nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses. 1


I.


Die Parteien nahmen sich wechselseitig durch Klage und Widerklage in Anspruch. Die Beklagte legte gegen die Nichtzulassung der Revision in dem im Wesentlichen sie beschwerenden Berufungsurteil Beschwerde ein. Während des laufenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens einigten sich die Parteien außergerichtlich. Gemäß dem außergerichtlichen Vergleich nahmen sie Klage und Widerklage zurück. Im Übrigen teilten sie dem Senat übereinstimmend mit, 2 eine gerichtliche Kostenentscheidung solle nicht ergehen, Kostenanträge würden nicht gestellt werden. Aufgrund des Kostenansatzes vom 12. Juni 2009 stellte der Kostenbeamte der Beklagten aus einem Streitwert von 73.715.962,49 € eine Verfahrensgebühr (Fußnote) nach Kostenverzeichnis Nr. 1243 in Höhe von 91.456,00 € in Rechnung und ersetzte diese Kostenrechnung aufgrund des Kostenansatzes vom 9. Juli 2009 durch die hinsichtlich des Rechnungsbetrages inhaltsgleiche Kostenrechnung vom 20. Juli 2009. 3 Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Begründung, Kostenverzeichnis Nr. 1243 erfasse den Fall einer Beendigung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens durch wechselseitige Rücknahme von Klage und Widerklage nicht. Im Übrigen seien Kosten nicht zu ihren Lasten, sondern zu Lasten der Klägerin anzusetzen, da diese die Klage zurückgenommen habe. Die Voraussetzungen, unter denen sie, die Beklagte, als Zweitschuldnerin hafte, lägen nicht vor. 4


II.


Die Erinnerung ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.5

1.
Die Erinnerung ist nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft und formgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 5 Satz 1 GKG). Aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 31. Juli 2009 ergibt sich trotz der Bezugnahme auf die überholte Kostenrechnung vom 17. Juni 2009, dass die Beklagte sich gegen den der Kostenrechnung vom 20. Juli 2009 zugrunde liegenden Kostenansatz wendet. Über 6 die Erinnerung entscheidet nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 139 Abs. 1 GVG der Senat (Fußnote).

2.
Die Erinnerung ist insoweit begründet, als der Kostenbeamte der Beklagten mehr als die Hälfte einer Gebühr nach Kostenverzeichnis Nr. 1243 in Rechnung gestellt hat. 7

a)
Die Berechnung der Kosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach Kostenverzeichnis Nr. 1243 ist sachlich richtig. Die Beendigung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens durch Zurücknahme von Klage und Widerklage lässt sich ohne weiteres unter den Gebührentatbestand von Kostenverzeichnis Nr. 1243 (Fußnote) fassen, zumal schon die Begründung zum Entwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (Fußnote) diesen Gebührentatbestand ausdrücklich mit der Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung in Verbindung brachte. Dass die Zurücknahme der Klage und Widerklage aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs der Parteien und die damit verbundene Beendigung des Verfahrens nicht ausdrücklich als "anderweitige Erledigung" bezeichnet sind, steht dem nicht entgegen. 8

b)
Zulasten der Beklagten ist jedoch nach § 29 Nr. 2, § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 98 Satz 2 ZPO lediglich die Hälfte der vollen Gebühr in Ansatz zu bringen, während die andere Hälfte nach § 29 Nr. 2, § 31 Abs. 2 GKG i.V.m. § 98 Satz 2 ZPO von der Klägerin zu tragen ist: 9 10 aa) Nach § 29 Nr. 2, § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG haftet als Vergleichsbzw. Übernahmeschuldner für die Kosten vorrangig vor dem Anlassschuldner i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG , wer sie in einem dem Gericht mitgeteilten Vergleich übernommen hat. Gemäß § 29 Nr. 2,

2.
Halbsatz GKG findet diese Regelung auch Anwendung, wenn bei einem Vergleich ohne Bestimmung über die Kosten diese als von beiden Teilen je zur Hälfte übernommen anzusehen sind. Erledigen die Parteien einen Rechtsstreit durch einen außergerichtlichen Vergleich und geben sie an, weder wünschten sie eine gerichtliche Kostenentscheidung noch beabsichtigten sie, Kostenanträge zu stellen, greift mangels einer dem Gericht mitgeteilten anderweitigen Vereinbarung die gesetzliche Vermutung des § 98 Satz 2 ZPO. § 98 ZPO findet auf den außergerichtlichen Vergleich jedenfalls dann entsprechende Anwendung, wenn er wie hier zur Prozessbeendigung führt (Fußnote). Nach Maßgabe des § 98 Satz 2 ZPO sind die Kosten des durch den Vergleich erledigten Rechtsstreits als gegeneinander aufgehoben zu erachten. Damit sind sowohl die Beklagte als auch die Klägerin Erstschuldnerin im Sinne des § 29 Nr. 2 GKG in Höhe der Hälfte einer vollen Gebühr (Fußnote).

bb)
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt eine vorrangige Inanspruchnahme ausschließlich der Klägerin nach § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht in Betracht. Die Klägerin ist mangels gerichtlicher Kostenentscheidung über die 11 Klagerücknahme nicht Entscheidungsschuldnerin im Sinne des § 29 Nr. 1 GKG (Fußnote).


III.


Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 66 Abs. 8 GKG). Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag der Beklagten nach § 66 Abs. 7 GKG. 12 Goette Caliebe Drescher Löffler Bender Vorinstanzen: LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 20.03.2002 3/9 O 113/01 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 29.07.2008 5 U 73/02


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Stand: 7. Januar 2010


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