Arzthaftung – Teil 04 – Totaler (einheitlicher) Krankenhausaufnahmevertrag

2.3.1 Totaler (einheitlicher) Krankenhausaufnahmevertrag

Beim totalen bzw. einheitlichen Krankenhausvertrag ist der Krankenhausträger alleiniger Vertragspartner des Patienten. Der Krankenhausträger schuldet dem Patienten danach alle Leistungen, die mit der Behandlung in Zusammenhang stehen. Also zum einen die ärztliche Behandlung und zum anderen auch die Unterbringung, die pflegerische Betreuung und die Verpflegung (Fußnote). Der Krankenhausträger als Vertragspartner erbringt die Leistungen durch seine Erfüllungsgehilfen, also durch ärztliches, pflegerisches und nicht-ärztliches Personal. Der Patient hat, anders als bei der Behandlung beim niedergelassenen Arzt, keinen Anspruch auf die Behandlung durch einen bestimmten Arzt. Sein Anspruch bezieht sich lediglich auf die Behandlung durch einen ausreichend qualifizierten und fachlich geeigneten Mediziner, es sei denn, der Patient bringt deutlich zum Ausdruck, dass seine Einwilligung in die Behandlung sich auf einen bestimmten Arzt beschränkt. Der lediglich geäußerte Wunsch oder die Erwartung, durch einen bestimmten Arzt behandelt zu werden, reicht dabei nicht aus (Fußnote). Das Krankenhaus darf sich grundsätzlich zu der Behandlung seiner Patient seines gesamten angestellten Personals bedienen (Fußnote) Unterläuft dem Arzt als Angestelltem des Krankenhausträgers ein Behandlungsfehler, ist er in diesem Moment Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses. Sein Verhalten wird dem Krankenhausträger somit zugerechnet. Die Chefarztbehandlung wird grundsätzlich durch einen eigenen Vertrag zusätzlich geregelt, allerdings kann das Verhalten des Chefarztes dann dem Krankenhausträger zugerechnet werden, wenn dieser innerhalb dieses Behandlungsvertrages wegen der medizinischen Notwendigkeit in die Behandlung miteinbezogen wird. Dadurch entsteht zwischen Chefarzt und Patient nicht per se ein zusätzlicher Behandlungsvertrag. Im einheitlichen Krankenhausvertrag hat der Patient keine vertragliche Bindung zu dem/den behandelnden Ärzten. Der Krankenhausträger ist der richtige Anspruchsgegner in haftungsrechtlichen Belangen aus dem Vertrag, er muss sich das Verschulden seiner Angestellten zurechnen lassen nach § 278 BGB. Deliktsrechtlich haftet der Krankenhausträger für seine Angestellten Ärzte über die Zurechnungsnorm des § 831 BGB. Gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag (Fußnote)
Die Vertragsform des gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags liegt regelmäßig in Belegkrankenhäusern vor. Der Patient schließt zwei verschiedene Verträge. Zum einen den Behandlungsvertrag mit dem Arzt über die konkrete medizinische Maßnahme, zum anderen den mit dem Krankenhausträger über die pflegerische Betreuung und die Unterbringung. Die Haftung spaltet sich deshalb auch in die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche der Behandlung auf. Diese Art des Vertrages im Rahmen der stationären Behandlung ist besonders häufig in Behandlungen durch einen Belegarzt anzutreffen. Hier ist zunächst abzugrenzen, um welche Art des Vertrages es sich genau handelt, um die Verantwortungsbereiche sorgfältig trennen zu können. Prinzipiell haftet der Belegarzt selbst erst einmal nur für sein eigenes Verschulden. Für das Verhalten der ihm nachgeordneten Ärzte haftet er nur in Belangen, die in konkretem Zusammenhang mit der durch ihn angeordneten Behandlung stehen. Für Pflegepersonal haftet der Belegarzt jedoch grundsätzlich nur dann, wenn ihm ein persönlicher Vorwurf für ein Verhalten zu machen ist, der zu dem Fehler durch das Pflegepersonal geführt hat. Demnach muss der Belegarzt dann für das Verhalten von seinen Angestellten und Vertretern einstehen, sowie für die von ihm eingeleiteten Maßnahmen und Leistungen durch Ärzte und ärztliche Einrichtungen. Der Belegarzt haftet dadurch nur für Fehler, die auch im konkreten Zusammenhang mit der Behandlung stehen, die für ihn beherrschbar ist. Im Übrigen haftet er für das Fehlverhalten von ihm nachgeordneten Ärzten, die nicht im Fachgebiet des Belegarztes tätig geworden sind, und für das Verhalten des Pflegepersonals bei Maßnahmen, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Behandlung stehen, der Krankenhausträger. Der Krankenhausträger trägt die Verantwortung für eine ausreichende Grund-, Funktions- und Behandlungspflege (Fußnote), sowie für die Organisation von personellen und apparativen Einrichtungen.
Für Pflichtverletzungen, die den Pflegekräften oder sonstigen Angestellten des Krankenhauses im Rahmen der Grund- und Funktionspflege unterlaufen, haftet der Krankenhausträger (Fußnote).
In den Fällen, in denen eine Abgrenzung der Kompetenz- und Verantwortungsbereiche nicht möglich ist oder ein Behandlungsfehler sowohl dem Arzt als auch dem Krankenhausträger zugerechnet werden müssen, kommt eine gesamtschuldnerische Haftung gegenüber dem Patienten in Betracht.

Beispiel für gespaltene Haftung
Der Belegarzt erteilt den Pflegekräften für die Nachbehandlung nach einer Operation offensichtlich falsche Anweisungen. Das Pflegepersonal hinterfragt diese nicht und setzt dadurch den Patienten vermeidbaren Gefahren aus. Durch die fehlerhafte Behandlung kommt es zu einer Schädigung des Patienten.

  • Das beim Krankenhaus angestellte Pflegepersonal ist verpflichtet, bei offensichtlich fehlerhaften Behandlungsanweisungen, die zu einer hochgradigen und vermeidbaren Gefahr für den Patienten führen können, die Anweisungen zu hinterfragen. Im Fall ist dies nicht geschehen, womit das Pflegepersonal als Angestellte des Krankenhauses eine Pflichtverletzung begangen hat, die der Krankenhausträger sich zurechnen lassen muss. Der Arzt selbst muss sich als selbstständig Handelnder seinen Behandlungsfehler, den er durch die fehlerhafte Anweisung begangen hat, selbst zurechnen lassen. Für denselben Behandlungsfehler, der aus zwei verschiedenen Verhaltensweisen resultiert, werden der Krankenhausträger und der Belegarzt somit zu Gesamtschuldnern. Nach den zivilrechtlichen Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft kann der Patient hier nach seiner Wahl den Krankenhausträger, den Belegarzt oder beide gemeinsam in Anspruch nehmen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Arzthaftung: Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler
  • Die Ärztegesellschaft: Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft
  • Arzthonorar und Kassenärztliche Vereinigung: Abrechnung und Regress
  • Vergütungsansprüche von Ärzten und Therapeuten

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