Handelsvertreterausgleich – Teil 24 – Einvernehmlicher Eintritt eines Dritten

Ein schuldhaftes Verhalten liegt beispielsweise in:

  • Wesentliche Vertragsverletzung (Fußnote)
  • Unzulässiger Wettbewerb, v.a. Tätigwerden für ein Konkurrenzunternehmen (Fußnote)
  • Mangelnde Überwachung von Erfüllungsgehilfen (Fußnote) (Fußnote)
  • Manipulation von Kassendaten (Fußnote
  • Verschuldete Insolvenz des Handelsvertreters (Fußnote)
  • Nicht: bloßes Verschulden von Angestellten des Handelsvertreters (Fußnote)

Nach der Rechtsprechungsänderung des BGH im Jahre 2011 (Fußnote) muss das Verhältnis wegen des schuldhaften Verhaltens beendet worden sein. Es muss also Kausalität zwischen Verhalten und Beendigung liegen. Dies hat zur Folge, dass der Unternehmer die Gründe bei der Kündigungserklärung nennen muss und ein Nachschieben im Prozess nicht möglich ist (Fußnote).
Beenden die Parteien den Vertrag einvernehmlich und erfährt der Unternehmer nachträglich von einem besonderen Kündigungsgrund, schließt dies den Ausgleichsanspruch nicht nachträglich aus (Fußnote), kann jedoch im Rahmen der Billigkeit berücksichtigt werden.
Dagegen kann der der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen sein, wenn die Parteien in Kenntnis eines besonderen Kündigungsgrunds den Vertrag einvernehmlich (Fußnote) auflösen (Fußnote).
Der Kündigung durch den Unternehmer steht es gleich, wenn dieser einen Kettenvertrag aufgrund schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters nicht verlängert (Fußnote Dem Mineralölunternehmen ist ab Kenntnis des Beendigungsgrundes in der Regel eine zweimonatige Überlegungsfrist für die Beendigungserklärung zu gewähren (Fußnote). Bei längerem Warten ist davon auszugehen, dass der Beendigungsgrund für den Unternehmer nicht schwerwiegend war, wobei stets der Einzelfall zu prüfen ist (Fußnote). Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweispflicht für das Verschulden und das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes (Fußnote).

7.4 Einverständlicher Eintritt eines Dritten

7.4.1 Handelsvertreterausgleich entfällt bei Vertragsübernahme

Den letzten gesetzlichen Anspruchsausschluss stellt nach § 89b Abs. 3 Nr. 3 HGB der Eintritt eines Dritten in den Vertretervertag mit dem Unternehmen dar.
Damit ist gemeint, dass im Wege der Vertragsübernahme ein Dritter das Vertragsverhältnis des Tankstellenbetreibers mit dem Unternehmer übernimmt (Fußnote). Für den bisherigen Tankstellenbetreiber bedeutet die Übernahme das Ausscheiden aus dem Vertrag.
Die Vertragsübernahme kann dabei durch Vereinbarung des Unternehmers mit dem bisherigen Tankstellenbetreiber unter Zustimmung des neuen Tankstellenbetreibers sowie einer Vereinbarung zwischen Unternehmer und neuem Tankstellenbetreiber unter Zustimmung des Dritten, erfolgen (Fußnote).
Das Gesetz geht in dieser Konstellation davon aus, dass der bisherige Tankstellenbetreiber vom neuen eine Gegenleistung für die Übernahme erhält. Ob der neue Tankstellenpächter dem alten die Gegenleistung tatsächlich auszahlt, ist für den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs gegen das Unternehmen unerheblich (Fußnote). Notfalls muss der alte Tankstellenpächter den Zahlungsanspruch gegen den neuen Pächter gerichtlich durchsetzen.
Von einer Vertragsübernahme kann nur die Rede sein, wenn der bisherige Vertrag im Wesentlichen beibehalten wird. Er darf also in einzelnen Punkten modifiziert werden, muss jedoch seine „Identität“ beibehalten (Fußnote).
Nach § 89b Abs. 3 Nr. 3 Hs. 2 HGB darf die Vertragsübernahme nicht vor Beendigung vereinbart werden. Dieser missverständliche Wortlaut bedeutet lediglich, dass die Vertragsübernahme nicht schon im Voraus vom Unternehmer durch AGB vorweggenommen werden darf (Fußnote). Ansonsten wird die Vertragsübernahme immer vor Beendigung vorgenommen, da die Beendigung gerade durch die zeitlich vorgelagerte Vertragsübernahme erfolgt.

7.4.2 Abgrenzung zur Abwälzungsvereinbarung

Nicht als Eintritt in das Vertragsverhältnis des Tankstellenpächters sind sog. „Abwälzungsvereinbarungen“ anzusehen (Fußnote). Bei diesen erstattet der Nachfolger dem Unternehmer die Ausgleichsansprüche des Vorgängers (Fußnote). Dieser Vorgang führt nicht zum Ausschluss des Ausgleichsanspruchs des alten Tankstellenbetreibers, da dieser mit dem neuen Betreiber in keinerlei Verbindung steht.
Die „Einstandsvereinbarung“ mit dem neuen Tankstellenbetreiber ist von der Eintrittsvereinbarung (Fußnote) zu unterscheiden. Bei dieser zahlt der neue Tankstellenpächter dem Unternehmen ein Entgelt für die freie Handelsvertretung und vergütet damit quasi die Chance, Provisionen einzunehmen (Fußnote).

8 Abweichende Vereinbarungen

Die Ausgleichsansprüche des Tankstellenbetreibers erreichen häufig sechsstellige Beträge. Die Tankstellengesellschaften haben daher ein Interesse, den Anspruch einzuschränken oder komplett auszuschließen. Grundsätzlich besteht im Privatrecht Vertragsfreiheit. § 89b Abs. 4 S. 1 HGB stellt jedoch den Grundsatz der Unabdingbarkeit auf: Der Anspruch kann im Voraus nicht ausgeschlossen werden.


8.1 Zeitpunkt der abweichenden Vereinbarung

Entscheidend ist zunächst der Zeitpunkt der Regelung einer vom Gesetz abweichenden Vereinbarung.
Da § 89 Abs. 4 HGB lediglich einen Ausschluss vor Beendigung des Vertrages untersagt, sind Ausschlussvereinbarung bei oder nach Vertragsbeendigung im Grundsatz zulässig (Fußnote). Insbesondere bei einvernehmlicher Vertragsbeendigung können die gegenseitigen Folgeansprüche konkret geregelt werden.
Die grundsätzliche Zulässigkeit von den Ausgleichsanspruch beschneidenden Vereinbarungen nach Vertragsbeendigung birgt für den Tankstellenpächter erhebliche Risiken. Vor dem Abschluss eines umfangreichen Beendigungsvertrages sollte daher unbedingt rechtlicher Rat eingeholt werden.


8.2 Ausschluss vor Vertragsbeendigung

Regelungen zu Lasten des Tankstellenbetreibers vor Vertragsbeendigung sind grundsätzlich unwirksam. Vor Beendigung meint dabei die rechtliche Beendigung, z.B. durch einen Aufhebungsvertrag. Unzulässig sind daher Vereinbarungen auch wenige Tage vor Abschluss eines Beendigungsvertrages (Fußnote).


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:

  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
  • Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
  • Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
  • Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer

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