Handelsvertreterausgleich – Teil 23 – Kündigung durch Tankstellenpächter

7.2.2 Eigenkündigung des Tankstellenpächters aus begründetem Anlass

Nicht jede Eigenkündigung durch den Tankstellenbetreiber erfolgt ohne begründeten Anlass. § 89b Abs. 3 Nr. 1 nennt drei Tatbestände, bei deren Vorliegen der Ausgleichsanspruch ausnahmsweise nicht ausgeschlossen ist.

7.2.2.1 Veranlassung der Kündigung durch den Unternehmer

Falls die Tankstellengesellschaft begründeten Anlass zur Kündigung gegeben hat, bleibt der Ausgleichsanspruch bestehen. Ein begründeter Anlass muss dabei nicht gleichzeitig ein Kündigungsgrund darstellen. Die Schwelle liegt niedriger, sodass ein rechtmäßiges Verhalten des Unternehmers einen „begründeten Anlass“ darstellen kann.
Die Bewertung ist stets einzelfallabhängig. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Unternehmers aus objektiver Sicht ein vernünftiger Anlass für die Kündigung des Tankstellenbetreibers darstellt (Fußnote).

Besonders relevante Umstände sind:

  • Alle wichtigen Kündigungsgründe aus § 89a HGB, die aus der Unternehmersphäre resultieren
  • Unwirksame fristlose Kündigung durch den Unternehmer (Fußnote)
  • Erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens (Fußnote)
  • Aufgabe einer Suchanzeige für einen Nachfolger (Fußnote)
  • Einschränkung der Unabhängigkeit des Handelsvertreters (Fußnote)
  • Verkürzung von Provisionschance (Fußnote)
  • Nicht: eine vom Wettbewerb abweichende Festlegung der Kraftstoffpreise durch den Unternehmer (Fußnote)
  • Nicht: Unzureichende Vertragskonditionen, da der Tankstellenpächter sich diesen freiwillig unterworfen hat (Fußnote)
  • Nicht: Unterlassen eines Angebots zur Reduzierung zur Tankstellenpacht durch den Unternehmer, um dem Betreiber einen höheren Gewinn zu ermöglichen (Fußnote)

Die Darlegungs- und Beweislast, dass zum Kündigungszeitpunkt ein begründeter Kündigungsanlass vorliegt, trägt der Tankstellenbetreiber (Fußnote). In seiner Erklärung muss er diesen Grund jedoch nicht nennen, er kann diesen im Prozess nachschieben (Fußnote). Entscheidend ist, dass der Grund im Zeitpunkt der Kündigungserklärung objektiv vorlag.

7.2.2.2 Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung

Nicht immer muss der Kündigungsgrund aus der Sphäre des Unternehmers stammen. Der Handelsvertreter selbst kann aus in seiner Person liegenden Gründen den Vertrag berechtigt beenden wollen.

7.2.2.2.1 Erreichen der Altersgrenze

§ 89 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 2 nennt zunächst die Erreichung eines Alters, bei dem die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Betreiber unzumutbar wird.
Dies dürfte in der Regel gegeben sein, wenn der Tankstellenbetreiber das Rentenalter erreicht hat und Leistungen des „Deutschen Rentenversicherung Bunds“ erhalten könnte (Fußnote). Derzeit (Fußnote) wäre die Fortsetzung im Alter von 65-67 Jahren dem Betreiber unzumutbar.
Der Handelsvertreter muss sich dann tatsächlich zur Ruhe setzen. Betreibt er trotz Erreichen des Pensionsalters weiter eine andere Tankstelle, spricht dies gegen das Vorliegen des Ausnahmetatbestands (Fußnote). Eine „rentnertypische“ Nebentätigkeit, d.h. ohne erhebliches Einkommen oder Zeitaufwand, schließt den Ausnahmetatbestand jedoch nicht aus.

7.2.2.2.2 Krankheit des Handelsvertreters

Der Begriff der „Krankheit“ ist nur erfüllt, wenn die Störung des Gesundheitszustands schwerwiegend und von nicht absehbarer Dauer ist und mit Ersatzkräften nicht behebbar ist (Fußnote).
Eine Schwerbehinderung des Handelsvertreters führt nicht per se zu einer Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, ist jedoch ein Indiz (Fußnote).
Andererseits ist Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht erforderlich (Fußnote).
Es ist stets eine Abwägung im Einzelfall durchzuführen.

7.2.2.2.3 Besonderheiten bei Personen- und Kapitalgesellschaften

Agiert der Handelsvertreter in der Rechtsform einer Gesellschaft, ist Vertragspartner die Gesellschaft und nicht der dahinterstehende Gesellschafter.
Liegt eine Personengesellschaft (Fußnote) oder ein Einzelkaufmann vor, wirkt das Alter oder die Krankheit des Gesellschafters nur ausgleicherhaltend, wenn mit diesem die betroffene Gesellschaft „steht und fällt“ (Fußnote). Ist der kranke Gesellschafter persönlicher Gesellschafter und seine Familienangehörigen Kommanditisten einer KG, kann dies der Fall sein, weil das maßgebliche Geschäft vom persönlichen Gesellschafter durchgeführt wird.
Bei Kapitalgesellschaften (Fußnote) greift keine der beiden Ausnahmen, auch wenn der betroffene Gesellschafter geschäftsführend ist (Fußnote).

7.3 Kündigung durch den Unternehmer aus wichtigem Grund

§ 89b Abs. 3 S. 2 HGB schließt den Ausgleichsanspruch bei Kündigung durch den Unternehmer aus, wenn das schuldhafte Verhalten des Handelsvertreters einen wichtigen Grund zur Kündigung gab.
Der Handelsvertreter muss selbst schuldhaft gehandelt haben, ihm wird das schuldhafte Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen (Fußnote) nicht zugerechnet (Fußnote). Ist der Handelsvertreter in der Rechtsform einer Gesellschaft organisiert, genügt schuldhaftes Verhalten des gesetzlichen Vertreters (Fußnote).
Die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses muss für den Unternehmer stets unzumutbar sein (Fußnote).


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:

  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
  • Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
  • Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
  • Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer

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