UN-Kaufrecht – Teil 22 – Erfüllung

4.3.1 Erfüllung

Bei der Erfüllung gem. Art. 46 Abs. 1 CISG handelt es sich um den ursprünglichen Anspruch des Käufers darauf, dass der Verkäufer seinen vertraglichen Leistungspflichten nachkommt. Der Verkäufer kann sich also grundsätzlich nicht einfach dadurch von seinen Pflichten befreien, indem er dem Käufer eine Geldentschädigung zahlt, sofern dieser an der Vertragserfüllung festhält. Dabei muss die Erfüllung (Fußnote) von der Nacherfüllung (Art. 46 Abs. 2, 3 CISG) abgegrenzt werden. Während es sich bei der Erfüllung um den ursprünglichen Anspruch des Käufers handelt, der dann greift, wenn der Verkäufer überhaupt nicht seinen Leistungspflichten nachgekommen ist, kommt ein Nacherfüllungsanspruch dann in Frage, wenn der Verkäufer zwar geleistet hat, diese aber nicht vertragsgemäß war. Diese Unterscheidung hat in der Praxis weitreichende Konsequenzen, da der vertragliche Erfüllungsanspruch nicht an weitere Bedingungen oder Fristen gebunden ist (Fußnote), während die Nacherfüllung nur unter bestimmten Voraussetzungen statthaft ist.

Beispiel
D bestellt beim spanischen Bauern S 200 kg Äpfel und 150 kg Birnen. Als Lieferfrist ist der 20.09.2020 festgelegt. Als D am 21.09.2020 die Wareneingänge des vorigen Tages überprüft, muss er allerdings feststellen, dass nur 50 kg der Äpfel von S geliefert wurden. Die Birnen wiederum wurden zwar in der bestellten Menge geliefert, allerdings bemerkt er, dass sie mit einem Schimmelpilz befallen und damit nicht für den Verzehr geeignet sind. D braucht das Obst für ein anstehendes Fest und besteht gegenüber S daher auf der Vertragserfüllung.

  • S hat vorliegend nicht die vereinbarte Mange an Äpfeln geliefert. Es handelt sich daher um eine teilweise Nichtleistung. Bezüglich der nicht gelieferten Äpfel bleibt daher der originäre Erfüllungsanspruch des D bestehen. Er kann von S also ohne weiteres Erfüllung in Form der Lieferung der fehlenden 150 kg Äpfel verlangen. Auf der anderen Seite hat S durch vollständige Lieferung der Birnen eigentlich seine ursprüngliche Leistungspflicht erfüllt. Dadurch, dass die Birnen in einem vertragswidrigen Zustand geliefert wurden handelt es sich hierbei allerdings um eine Schlechtleistung. Eine Ersatzlieferung der Birnen kann D gem. Art. 46 Abs. 2 CISG daher nur verlangen, wenn er den Mangel rechtzeitig rügt und es sich bei dem Mangel um eine wesentliche Vertragsverletzung gehandelt hat (Fußnote).

Zwar definiert das UN-Kaufrecht die Erfüllung bzw. Nacherfüllung in Art. 46 CISG als zulässigen Rechtsbehelf des Käufers. Dieser steht gem. Art. 28 CISG allerdings unter dem Vorbehalt, dass Gerichte in Jurisdiktionen, die den Rechtsbehelf der Erfüllung bzw. Nacherfüllung in Natur nach nationalem Recht nicht anerkennen, keine hiervon abweichenden Entscheidungen treffen müssen. Während Erfüllung und Nacherfüllung in Natur sowohl im deutschen als auch generell im kontinental-europäischen Recht problemlos anerkannt werden, kann die Vorschrift des Art. 26 CISG insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis zu abweichenden Ergebnissen führen. So werden im Common Law Ansprüche auf Erfüllung in Natur regelmäßig nur für Stückschulden anerkannt, während für der Gattung nach geschuldete Ware grundsätzlich nur Schadensersatz in Geld verlangt werden kann.

Beispiel
D bestellt vom Bostoner Exporteur B für eine Halloween-Aktion 1.000 Packungen Marshmallows. Die Lieferfrist wird dabei auf den 15. Oktober festgesetzt. Als am 18. Oktober immer noch keine Lieferung erfolgt ist verlangt D von B Erfüllung in Natur.

  • Gem. Art. 4 Abs. 1 lit a) Rom I-VO Ist mangels anderweitiger Rechtswahl das Recht am Sitz des Verkäufers anzuwenden. Das ist vorliegend US-amerikanisches Recht. Die Ware ist zudem nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt, geschuldet sind nicht ganz bestimmte einzelne Marshmallows, sondern 1.000 Packungen der Ware mittlerer Qualität und Güte. Das anglo-amerikanische Common Law kennt für derartige Gattungsschulden jedoch keinen Anspruch auf (Nach-)Erfüllung in Natur. Daher sind gem. Art. 28 CISG Gerichte, die dieses Recht anwenden grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, dem Kläger eine Erfüllung in Natur zu gewähren. Somit wird D mit seinem Verlangen voraussichtlich keinen Erfolg haben. Stattdessen kann er aber von B seinen Schaden in Geld ersetzt verlangen und / oder den Vertrag aufheben.

4.3.2 Nacherfüllung

Sofern der Verkäufer die bestellte Ware zwar geliefert hat, sich diese aber in einem vertragswidrigen Zustand befindet, kann der Käufer vom Verkäufer Nacherfüllung gem. Art. 46 Abs. 2, 3 CISG verlangen. Dabei ist in die Ersatzlieferung (Fußnote) einerseits und die Nachbesserung (Fußnote) andererseits zu unterscheiden. Während im Rahmen einer Ersatzlieferung die komplette Neulieferung der Ware verlangt werden kann, ist der Verkäufer bei der Nachbesserung der Ware nur dazu verpflichtet die bereits gelieferte Ware in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen. Im Gegensatz zum deutschen Recht (Fußnote) sind die beiden Alternativen der Nacherfüllung im UN-Kaufrecht allerdings an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft. So muss es sich bei der Ersatzlieferung um einen wesentlichen Mangel gehandelt haben, während es sich bei der Nachbesserung zwar nur um irgendeinen Mangel handeln muss, die Nachbesserung dem Käufer aber zumutbar sein.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de

Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
Mail: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosInternationales Recht