Handelsvertreterausgleich – Teil 18 – Fälligkeitsdifferenz

Dies ist sinnvoll, um klarzustellen, dass beide Parteien die Altersvorsorge im Rahmen der Billigkeit berücksichtigen wollten. Im Zweifel wird der Tatrichter dies in seiner Billigkeitsfeststellung berücksichtigen.
Gleichzeitig sollte sich der Inhalt der Klausel auf die Feststellung beschränken, dass die Altersvorsorge als Billigkeitsaspekt bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs berücksichtigt werden soll (Fußnote).
Vereinbarungen, die eine zwingende Berücksichtigung der Altersvorsorge statuieren, verstoßen gegen § 89b Abs. 4 S. 1 und Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB und sind daher sowohl in allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch individualvertraglich unwirksam (Fußnote). Gleichwohl schließt die unwirksame Vereinbarung die Berücksichtigung innerhalb der Billigkeit nicht von vorneherein aus (Fußnote).


Beispiel

Im vom Unternehmen U vorformulierten Vertretervertrag wird dem Handelsvertretervertrag nach § 25 des Vertrages eine Altersvorsorge garantiert. In § 25 Abschnitt 3 heißt es zudem, dass „die Altersvorsorge bei Bestimmung der Höhe des dem Handelsvertreter nach § 20 des Vertrages zustehendem Ausgleichsanspruch abzuziehen ist“.
Die Billigkeitserwägung ist Sache des Tatrichters, § 286f. ZPO. Die Klausel ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
Im Prozess um den Ausgleichsanspruch kann der Richter die Altersvorsorge zwar berücksichtigen. Die unwirksame Klausel könnte bei der Billigkeitserwägung negative Auswirkungen auf die Abzugshöhe haben. U kann dies leicht vermeiden, indem er den Abzug innerhalb der Billigkeit nicht erwähnt oder die Klausel dahingehend umschreibt, dass „die Parteien bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs die Alters- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigen“.

  • Ungenaue Formulierungen können die Wirksamkeit einer „Rentenklausel“ beeinträchtigen.

Der Unternehmer kann eine Doppelbelastung wirksam vermeiden, indem er mit dem Handelsvertreter einen Verzicht auf die Altersversorgung vereinbart. Dabei wird der Versorgungsanspruch unter die Bedingung der Nichtgeltendmachung des Ausgleichsanspruchs gestellt. Diese Klauseln stellen keinen Verstoß gegen § 89 Abs. 4 S. 1 HGB dar und sind wirksam (Fußnote).
Der Handelsvertreter kann damit entscheiden, welcher Anspruch der wertvollere für ihn ist. Er hat nach der Jahresfrist des § 89 Abs. 4 S. 2 HGB stets ein Jahr Zeit für die Bewertung (Fußnote).

5.2.5.2.3.2 Berücksichtigung der Fälligkeitsdifferenz

Fehlt eine solche Vereinbarung und besteht die Altersversorgung bei Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs ebenso, so ist die sog. Fälligkeitsdifferenz zu beachten.
Fälligkeitsdifferenz ist die Differenz der Fälligkeit der Altersversorgung zur Fälligkeit des Handelsvertreterausgleichsanspruchs. Im Falle des Ausscheidens des Handelsvertreters zum Eintritt in den Ruhestand werden Ausgleichsanspruch und Altersvorsorge nahezu gleichzeitig fällig. Je mehr Zeit zwischen Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs (Fußnote) und der Fälligkeit der Altersversorgung (Fußnote) liegt, desto größer ist die Fälligkeitsdifferenz.


Beispiel

Handelsvertreter H tritt mit 67 in den Ruhestand ein. Gleichzeitig endet vereinbarungsgemäß sein Vertrag mit dem Unternehmen X. Die Fälligkeiten sind in diesem Fall an das Vertragsende und den Ruhestandseintritt angeknüpft. Die Fälligkeitsdifferenz beträgt damit 0.
Handelsvertreter V hat ebenfalls ein Ruhestandsalter von 67 vereinbart. Im Alter von 37 Jahren möchte er sich beruflich umorientieren und vereinbart mit X die Vertragsauflösung. Hier liegen 30 Jahre Unterschied zwischen den Fälligkeiten.

  • Die Fälligkeitsdifferenz hat Auswirkungen auf die Berücksichtigung der Altersvorsorge im Rahmen der Billigkeitsprüfung.

Je höher die Fälligkeitsdifferenz ist, desto niedriger ist die funktionelle Verwandtschaft zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung. Die Funktion der Altersversorgung bleibt gleich. Der Ausgleichsanspruch dient bei hoher Fälligkeitsdifferenz allerdings eher dem Neuaufbau einer beruflichen Existenz oder einer Überbrückungsfinanzierung (Fußnote).
Im Rahmen der Billigkeit kann es daher bei hoher Fälligkeitsdifferenz zur vollständigen Nichtberücksichtigung der Altersvorsorge im Rahmen der Billigkeitsprüfung kommen. Marginale Fälligkeitsdifferenzen können bei der Bewertung außer Acht bleiben (Fußnote).

Der Umgang mit der Fälligkeitsdifferenz ist stark einzelfallabhängig und hängt vor allem von der konkreten Parteivereinbarung ab (Fußnote). Der BGH berücksichtigt die Differenz nicht einheitlich. Teilweise haben die Karlsruher Richter bei einer Fälligkeitsdifferenz von 24 Jahren mit Parteivereinbarung eine vollständige Berücksichtigung der Altersversorgung im Rahmen der Billigkeit akzeptiert (Fußnote), wiederum in einem Fall mit 21 Jahren Differenz ohne entsprechende Vereinbarung die Altersversorgung unberücksichtigt gelassen (Fußnote).

5.2.5.2.3.3 Konkrete Berücksichtigung im Einzelfall

Abschließend verdeutlichen wir die Auswirkung der Altersklausel bei der Berechnung.
Prämisse dafür ist, dass ein Altersversorgungsanspruch besteht und die Berücksichtigung innerhalb des Ausgleichsanspruchs nicht ausgeschlossen ist.
Stets ist für die Berücksichtigung der Altersversorgung innerhalb der Billigkeit des Ausgleichsanspruches der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung ausschlaggebend (Fußnote). Ab diesem Zeitpunkt ist eine Zukunftsprognose zu bilden:
Zunächst ist die zu erwartende Summe der Rentenzahlungen anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung zu errechnen (Fußnote).


Quelle: Durchschnittliche Lebenserwartung (Fußnote), Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020 (Fußnote)

Der Wert der unternehmerischen Versorgungsleistung ist von den zu erwartenden Unternehmervorteilen, also dem vorher bestimmten Rohausgleich des Unternehmers, abzuziehen (Fußnote).
Bleibt nach Abzug aller Billigkeitserwägungen vom Rohausgleich nichts mehr übrig, schuldet der Unternehmer keinen Ausgleich mehr.
Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Höhe der Altersversorgung trifft den Unternehmer (Fußnote). Empfindet der Handelsvertreter hingegen die Berücksichtigung der Altersversorgung als unberechtigt, liegt es an ihm, die entsprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen (Fußnote).


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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