Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 12 – Vergütung während Freistellung

5 Freistellungsansprüche aus Tarifvertragsrecht

Auch in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen können Freistellungsansprüche vorgesehen werden. Die Vereinbarungen regeln oft neben den Fragen zu den Voraussetzungen, auch die des maximalen Zeitraumes. Aber auch wie bei den Freistellungsansprüchen aus Arbeitsverträgen, benötigt der Arbeitnehmer, bei Freistellungsansprüchen aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die Zustimmung des Arbeitgebers zu der begehrten Freistellung. Hierbei ist nicht die allgemeine Zustimmung zu der Freistellung gemeint, dessen Anspruch sich im Zweifel aus dem Tarifvertrag unstrittig ergibt und gegebenenfalls dem Arbeitnehmer zusteht, sondern beispielsweise die Zustimmung der zeitlichen Wahrnehmung. Allerdings ist dies nicht bei jeder Freistellung/Sonderurlaub möglich, wie beispielsweise bei einem gesetzten Beerdigungstermin, worauf der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat, wie bei einem selbst gewählten Umzugstag.

Es bedeutet unter Anderem, dass, selbst wenn der Arbeitnehmer den Anspruch auf die avisierte Freistellung hat, er nicht ohne vorherige, wenn auch formlose, Beantragung gegenüber dem Arbeitgeber, diesen Anspruch wahrnehmen kann.

Voraussetzung für Ansprüche aus einem Tarifvertrag ist hierbei allerdings die Tarifbindung. Ein entsprechender Tarifvertrag gilt, sobald der Arbeitgeber seinem Arbeitgeberverband und der/die Arbeitnehmer/in Mitglied der zuständigen Gewerkschaft sind. In einigen Fällen können Tarifverträge auch angewandt werden, wenn keine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder dem Arbeitgeberverband existiert. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Staat, also die zuständigen Bundesminister oder Landesminister, den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat.

6 Arbeitsvertragliche Freistellungsklauseln

Eine Freistellungsklausel ist eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, welche es dem Arbeitgeber gestattet, den Arbeitnehmer während der vertraglich garantierten Kündigungsfrist bei vollen Lohnleistungen nach Hause zu schicken und ihnen keine Arbeiten anzubieten. Bei der Ausgestaltung arbeitsvertraglicher Freistellungsklauseln, sind allerdings dringend die gesetzlichen Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zu beachten. Die Freistellungsklausel darf zum Beispiel den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Freistellungsklauseln müssen sachliche Gründe für eine Freistellung enthalten.
Die vielfach in Formulararbeitsverträgen enthaltenen Freistellungsvorbehalte hinsichtlich von Kündigungen sind ebenso von Fall zu Fall, unter Berücksichtigung beider Interessen, zu betrachten, wie solche, die Straftaten oder dringende Verdachtsmomente betreffen. Vorformulierte Freistellungsanordnungen in Arbeitsverträgen hinsichtlich von Straftaten oder in dringenden Verdachtsmomenten dieser sind in der Regel wirksam, da sich in diesen Fällen das Interesse des Arbeitgebers dem Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers durchsetzt.

7 Arbeitsrechtliche Auswirkungen

Die Freistellungsansprüche von Gesetzes wegen wirken auf verschiedenen Ebenen des Arbeitsrechts, je nach dem, um welchen Freistellungsgrund es sich handelt und wie der Arbeitsvertrag dahingehend ausgeschmückt ist.

7.1 Unberechtigte Freistellungen

Eine unberechtigte Freistellung kann zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber führen.

Beispiel
Arbeitgeber A hat den Arbeitnehmer Y unberechtigterweise für vier Monaten von der Arbeitsleistung freigestellt. Grund der Freistellung war, Y zu bedrängen, selbst zu kündigen. Nachdem die vier Monate abgelaufen waren, ging der A auf Y zu und hat ihr die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses angeboten.
o A hat sich durch seine Vorgehensweise, Y gegenüber, schadensersatzpflichtig gemacht. Der Entzug der Möglichkeit, die tatsächlich geschuldete Arbeitsleistung erfüllen zu können, hatte entscheidende Auswirkungen auf das Recht von Y, auf Achtung und die berufliche Entfaltung seiner Persönlichkeit. Y hat somit Anspruch gegenüber A auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von Summe X für jeden freigestellten Monat, zuzüglich des monatlich geschuldeten Arbeitsentgeltes.

Grundsätzlich kann sich der zu Unrecht freigestellte Arbeitnehmer mit einem Anspruch auf Weiterbeschäftigung nebst Kündigungsschutzklage wehren.

7.2 Leistungs- und erfolgsabhängige Vergütung

Im Rahmen von leistungs- und erfolgsabhängigen Vergütungen handelt es sich um Leistungszulagen, welche von der gemeinsamen Zielvereinbarung abhängig sind. Hierdurch sollen die Motivation und Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers gestärkt werden.

Wird nun dem Arbeitnehmer gegenüber eine ordentliche Kündigung nebst zeitgleicher Freistellung von der Arbeitsleistung bis zum Austritt aus dem Unternehmen ausgesprochen, heißt das nicht zwingend, dass neben dem vertraglichen Arbeitsentgelt auch die Leistungszulagen weitergezahlt werden müssen. Hier gilt es nach gewissen Bemessungskriterien zu prüfen, welcher Fall eintritt.

7.2.1 Rechtmäßige/unrechtmäßige Freistellung

Zunächst ist zu differenzieren, ob eine rechtmäßige oder eine unrechtmäßige Freistellung seitens des Arbeitgebers vorliegt. Unrechtmäßig wäre eine Freistellung, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, nach Ausspruch der Kündigung, von der Arbeitsleistung freistellt, obwohl vertraglich keine Vereinbarung dahingehend getroffen worden oder die Kündigung offenkundig unwirksam ist. Nach § 615 BGB würde ein Annahmeverzug des Arbeitgebers vorliegen, welcher zur weiteren Gehaltszahlung verpflichtet. Da die leistungs- und erfolgsabhängigen Vergütungszulagen Bestandteil des laufenden vertraglich vereinbarten Gehalts sind, müssen diese auch im Falle der Freistellung des Arbeitnehmers weiterhin ausgezahlt werden (Fußnote). Allerdings muss der Arbeitnehmer nachweislich bis zum Ende der gekündigten Vertragslaufzeit

Ist die Freistellung vertraglich aufgeführt oder haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich darauf geeinigt, liegt eine rechtmäßige Freistellung von der Arbeitspflicht vor. Hier sind ebenso, neben dem vertraglichen Arbeitsentgelt, auch Zahlungen der variablen Leistungszulagen fällig.

Ausnahme der fortführenden Zahlung
o wenn das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers Anlass zur begründeten Freistellung im Rahmen der rechtmäßigen Kündigung dem Arbeitnehmer gegenüber.

7.2.2 Bemessung der Höhe der variablen Vergütung

Ein weiterer wichtigerer Punkt, ist die Bestimmung der Zielerreichung/-vereinbarung, welche über die Höhe der auszukehrenden erfolgsabhängigen Vergütung Aussagen trifft. Durch die Freistellung von der Arbeitspflicht ist es hier umso mehr von Bedeutung zu wissen, welchen Weg man diesbezüglich gehen muss.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele begleitet IT-Projekte von der Vertragsgestaltung und Lastenheftdefinition über die Umsetzung bis hin zur Abnahme oder Gewährleistungs- und Rückabwicklungsfragen.

Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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