Kapitalmarktrecht – Teil 08 – Organisierte Handelssysteme

Für den Freiverkehr gelten nur teilweise die Bedingungen, die für den regulierten Markt gelten. Wenn die Wertpapiere mit Zustimmung des Emittenten in den Handel einbezogen wurden, gelten folgende Regelungen:

  • das Verbot des Insiderhandels,
  • die Ad-hoc Publizitätspflicht,
  • die Pflicht zur Veröffentlichung von Directors Dealings/Managers Transactions,
  • die Pflicht zum Führen einer Insiderliste und
  • das Verbot der Marktmanipulation

Nicht immer, aber meistens, ist die Erstellung eines Wertpapierprospektes erforderlich (Fußnote). Nicht erforderlich ist eine Entsprechungserklärung zum Deutschen Corporate Governance-Kodex, die börsennotierte AGs gem. § 161 AktG abgeben müssen.

An der FWB gibt es drei Segmente im Freiverkehr:

  • das Quotation Board, das die niedrigsten Transparenzanforderungen hat,
  • das Basic Board, mit einem Mindestmaß an Transparenzanforderungen und
  • das Scale-Segment, mit höheren Transparenzanforderungen.

Mit seinen geringeren Transparenzanforderungen ist der Freiverkehr gerade auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) interessant, die den ersten Schritt an den Kapitalmarkt gehen wollen.

3.2.4 Organisierte Handelssysteme („OTF“)

Organisierte Handelssysteme ("Organised Trading Facility", OTF) unterscheiden sich von MTFs darin, dass der Betreiber einen Entscheidungsspielraum hat, ob, wann und in welchem Umfang er Kauf- und Verkaufsanfragen zusammenführt. Davon erfasst werden alle Handelsplätze, die nicht den MTFs zuzuordnen sind. An ihnen dürfen keine Aktien gehandelt werden. Auch OTF-Betreiber müssen die Regelungen der §§ 72 ff. WpHG befolgen und brauchen eine Erlaubnis der BaFin (Fußnote).

3.2.5 Systematische Internalisierer („SI“)

Systematische Internalisierung ist das häufige organisierte und systematische Betreiben von Eigenhandel in erheblichem Umfang außerhalb organisierter Märkte oder MTFs bzw. OTFs. Die meisten SIs führen Kundenaufträge aus, indem sie Eigenhandel betreiben und dabei nur bilateral, also in Zwei-Personen-Verhältnissen Geschäfte abschließen.

Beispiel

Bank B wird regelmäßig von ihren Kunden beauftragt, Wertpapiere für diese zu kaufen oder zu verkaufen. Wenn sie einen Auftrag zum Kauf eines Wertpapieres bekommt, schaut sie zunächst, ob sie das gewünschte Wertpapier selbst besitzt. Falls ja, verkauft sie das Wertpapier aus dem eigenen Bestand an den Kunden. Falls nein, erwirbt sie das Wertpapier selbst und verkauft es dann an den Kunden weiter.

  • Bank B schließt nur zweiseitige Geschäfte ab: Sie schließt einen Kaufvertrag mit dem Kunden und, falls nötig, einen Kaufvertrag mit einem Wertpapierverkäufer. Sie vermittelt aber keinen Kaufvertrag zwischen dem Kunden und dem Wertpapierverkäufer.

3.2.6 Sonderfall: Grauer und schwarzer Kapitalmarkt

Der graue Kapitalmarkt war kein Handelssegment. An ihm wurden Produkte gehandelt, die keine Wertpapiere waren. Er war wenig reguliert, was zu großen Missständen führte. Inzwischen wurden mit dem VermAnlG und dem KAGB umfangreiche Regelungen für den grauen Kapitalmarkt geschaffen.

Als schwarzen Kapitalmarkt bezeichnet man den illegalen Kapitalmarkt. Darunter fallen alle Finanzmarktgeschäfte, die ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben werden.

4. Marktzugang

Der Zugang von Unternehmen zum Kapitalmarkt findet über die Ausgabe und Platzierung von Wertpapieren statt. Diesen Vorgang nennt man Emission. Das Unternehmen, das diese Wertpapiere ausgibt, ist der Emittent. Der wichtigste Fall des Marktzugangs ist die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel. Für KMU spielt auch der Zugang zum Freiverkehr eine wichtige Rolle. Die erste Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel nennt man Initial Public Offering (IPO). Vor allem bei einer ersten Zulassung zum regulierten Markt, also zum Börsenhandel, sind viele Faktoren zu beachten. Es müssen einige gesetzliche Voraussetzungen erfüllt werden. Außerdem zieht eine Börsenzulassung eine Reihe von Pflichten nach sich, die von den Emittenten erfüllt werden müssen. Daneben spielen auch wirtschaftliche Überlegungen eine große Rolle, z.B. bei der Wahl des richtigen Zeitpunktes für eine Emission. Ein Börsengang muss daher sorgfältig überlegt und geplant sein.

4.1 Vor- und Nachteile einer Börsenzulassung

Praktisch jedes wachsende Unternehmen kommt irgendwann an den Punkt, an dem es den Kapitalbedarf für das weitere Wachstum nicht mehr selbst aufbringen kann. Der Kapitalmarkt ermöglicht es Unternehmen, zusätzliches Kapital aufzunehmen, entweder in der Form von Fremd- oder Eigenkapital. Gleichzeitig erleichtert ein Börsengang auch die spätere Finanzierung, z.B. durch eine weitere Kapitalerhöhung (Fußnote). Ein Börsengang sorgt in der Regel auch für Publicity und erhöht die Bekanntheit eines Unternehmens. Daneben sind börsennotierte Unternehmen zu einer hohen Publizität verpflichtet. Das kann zu einem größeren Vertrauen in die Bonität des Unternehmens führen und erleichtert Kreditgebern die Risikoanalyse, was ebenfalls die zukünftige Finanzierung durch Fremdkapital erleichtern kann (Fußnote). Aus Anlegersicht erleichtert ein Börsengang den Handel mit den Wertpapieren und macht sie damit attraktiver. Das führt dazu, dass Emittenten mit einer Börsenzulassung oft höhere Emissionspreise für ihre Produkte erzielen können (Fußnote).

Auf der anderen Seite ist ein Börsengang mit hohen Kosten verbunden. Um einen Börsengang durchzuführen, müssen gesellschaftsrechtliche Vorbereitungen getroffen werden und es muss ein Wertpapierprospekt erstellt werden. Dafür müssen Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte beauftragt werden. Oft ist eine sog. Roadshow erforderlich. Das sind aufwendige Marketingveranstaltungen für potentielle Investoren (Fußnote). Außerdem zieht ein Börsengang Pflichten nach sich, die laufende Kosten verursachen. Eine börsennotierte AG muss z.B.

  • für spätere Aktien ebenfalls die Zulassung zur Börse beantragen,
  • strenge Rechnungslegungsvorschriften beachten und
  • unterliegt vielen Veröffentlichungspflichten.

Eine Verletzung dieser Pflichten kann zu einer Haftung führen z.B. wegen eines fehlerhaften Prospekts oder eines Verstoßes gegen die Ad-hoc-Pflicht (Fußnote).


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-011-3.


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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  • Durchsetzung von Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen bei Bankberatungsfehlern, z.B. beim Abschluss von offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Schiffsfonds, Zinsdifferenzgeschäften, Swapverträgen etc.
  • Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
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  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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