Fahrverbote – Teil 12 – Fahreignungsregister

5.3 Führerscheinentzug im Ordnungswidrigkeitenverfahren

Neben der strafrechtlichen Maßregel* der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB (siehe 5.2) ist, ähnlich wie beim Fahrverbot, auch den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit gegeben, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis richtet sich in diesem Fällen nach § 3 StVG. Der formelle Ablauf der Entziehung der Fahrerlaubnis ist mit dem Verfahren bei der Erteilung des Fahrverbots im Ordnungswidrigkeitenverfahren vergleichbar (siehe 3.1).

5.3.1 Voraussetzungen

Die Voraussetzungen des Entzugs der Fahrerlaubnis ergeben sich aus § 3 I S. 1 StVG. Demnach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Wer "befähigt" ist, ein Kraftfahrzeug zu führen, richtet sich nach § 2 V StVG.
Befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer:

  • ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat,
  • mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist,
  • die zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs, gegebenenfalls mit Anhänger, erforderlichen technischen Kenntnisse besitzt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist und
  • über ausreichende Kenntnisse einer umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise verfügt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist.

Die Befähigung ist mittels einer Fahrprüfung nachzuweisen.
Der relevantere und bereits bekannte Begriff der Ungeeignetheit ist in § 2 IV StVG allgemein beschrieben. Danach sei geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.

Eine nähere Erklärung der Ungeeignetheit findet sich in § 11 I der Fahrerlaubnisverordnung (FeV):
"Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Außerdem dürfen die Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, so dass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird. Bewerber um die Fahrerlaubnis der Klasse D oder D1 und der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung gemäß § 48 müssen auch die Gewähr dafür bieten, dass sie der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht werden."

Die körperlichen und geistigen Mängel, welche zur Ungeeignetheit führen, sind insbesondere in der Anlange 4 und 5 der FeV aufgeführt. Die Anlage 4 führt verschiedenste Erkrankungen (Mangelndes Sehvermögen, Schwerhörigkeit, Herzinfarkte, Diabetes usw.) auf und beschreibt, ob und möglicherweise wann eine Eignung noch vorliegt bzw. nicht mehr vorliegt. Des Weiteren sind für einzelne Erkrankungen weitere Auflagen vorgesehen. Die Anlange 5 betrifft die Führerscheinklassen C, C1, D, D1 und der zugehörigen Anhängerklassen E sowie die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Sehr relevant ist, dass die Anlagen mit ihren Aufzählungen nicht abschließend sind. Sollten Erkrankungen vorliegen, welche nicht in der Anlage aufgezählt sind, muss die Behörde selbst feststellen, ob und inwieweit die Fahreignung gegeben bzw. nicht gegeben ist.
Weiterhin gibt es die Alternative der erheblichen oder wiederholten Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Eine Erläuterung, was ein erheblicher Verstoß sei, ist im Gesetz nicht zu finden. Diese Voraussetzung ist auch unter dem Begriff der charakterlichen Mängel bekannt.
Es handelt sich also bei der Ungeeignetheit um körperliche, geistige oder charakterliche Mängel, ebenso wie es bei der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 StGB der Fall war.

5.3.2 Sonstiges

Durch die praktisch häufigere Überschneidung von Ordnungswidrigkeit und Strafverfahren kann die Angst einer "Doppelbestrafung" entstehen. Die Behörde kann jedoch einen Sachverhalt, welcher in einem Strafverfahren mit der Möglichkeit des § 69 StGB (Entzug der Fahrerlaubnis) anhängig ist, nicht zur Grundlage des Entzuges der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG machen.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG richtet sich nach dem sog. Verwaltungsrecht, weswegen nach der Entscheidung keine Berufung oder Revision eingelegt werden kann, sondern zunächst ein Widerspruch. Sollte dieser Widerspruch abgelehnt werden, kann auf dem Verwaltungsrechtsweg, mit Hilfe einer Anfechtungsklage*, auf die Aufhebung der Entscheidung geklagt werden.
Einer der relevantesten Gründe, die Fahrerlaubnis nach § 3 StVG zu entziehen, ist das "Ausreizen" des Fahreignungsregisters.

6 Fahreignungsregister (FAER)

Das Fahreignungsregister (FAER) wurde im bisherigen Teil einzig als Randbemerkung eingebracht. In dargestellten Beispielen wurde teilweise genannt, wie viele "Punkte" ein bestimmtes Verhalten in "Flensburg" einbringen würde. Aufgrund dieses großen praktischen Einflusses wird im Weiteren genauer darauf eingegangen werden.

6.1 Überblick

Das Fahreignungsregister ist größtenteils noch unter dem Verkehrszentralregister (VZR) bekannt. In Folge der Punktereform, auf welche noch eingegangen wird, wurde das VZR am 30.04.2014 umbenannt.
Das FAER wird vom Kraftfahrtbundesamt in Flensburg geführt, woher auch die umgangssprachliche Aussage "Punkte in Flensburg" stammt. Die Informationen, welche im Fahreignungsregister gespeichert werden, richten sich nach § 28 StVG.

Im Fahreignungsregister gespeichert werden nach § 28 StVG:

  • rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte wegen einer Straftat, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s bezeichnet ist, soweit sie auf Strafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennen oder einen Schuldspruch enthalten,
  • rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte, die die Entziehung der Fahrerlaubnis, eine isolierte Sperre oder ein Fahrverbot anordnen, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, sowie Entscheidungen der Strafgerichte, die die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen,
  • Verzichte auf die Fahrerlaubnis,
  • unanfechtbare Ablehnungen eines Antrags auf Verlängerung der Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis,
  • die Beschlagnahme, Sicherstellung oder Verwahrung von Führerscheinen nach § 94 der Strafprozessordnung,
  • rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit

nach den §§ 24, 24a oder § 24c, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s bezeichnet ist und gegen den Betroffenen

  • ein Fahrverbot nach § 25 angeordnet worden ist oder
  • eine Geldbuße von mindestens sechzig Euro festgesetzt worden ist und § 28a nichts anderes bestimmt,

nach den §§ 24, 24a oder § 24c, soweit kein Fall des Buchstaben a vorliegt und ein Fahrverbot angeordnet worden ist,
nach § 10 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s bezeichnet ist,

  • unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen,
  • unanfechtbare Versagungen einer Fahrerlaubnis,
  • unanfechtbare oder sofort vollziehbare Entziehungen, Widerrufe oder Rücknahmen einer Fahrerlaubnis oder Feststellung über die fehlende Berechtigung, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen,
  • Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2,
  • die Teilnahme an einem Aufbauseminar, an einem besonderen Aufbauseminar und an einer verkehrspsychologischen Beratung, soweit dies für die Anwendung der Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe (§ 2a) erforderlich ist,
  • die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, soweit dies für die Anwendung der Regelungen des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4) erforderlich ist,
  • Entscheidungen oder Änderungen, die sich auf eine der in den Nummern 1 bis 13 genannten Eintragungen beziehen.

Zusammengefasst sind die wichtigsten Daten, welche gespeichert werden: die Entscheidungen der Fahrerlaubnisbehörden über die Entziehung, Versagung/Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und Entscheidungen über Maßnahmen nach dem Fahreignungsbewertungssystem; Entscheidungen aufgrund einer Ordnungswidrigkeit, soweit sie in der Anlage 13 - § 40 FeV aufgeführt ist und eine Geldbuße von mindestens 60 Euro festgesetzt oder ein Fahrverbot verhängt wurde; Entscheidungen über Straftaten, die in der Anlage 13 - § 40 FeV aufgeführt sind.
Die Punktereform im Jahre 2014 senkte die Maximalpunktzahl von 18 auf 8 Punkte, wobei bei "Ausreizung" des Kontos die Fahrerlaubnis entzogen wird. In Folge dessen wurde ein Verstoß nicht mehr mit maximal 7, sondern "nur" noch mit 1-3 Punkten bewertet. Dafür trat am 01.05.2014 auch der neue, an das neue Fahreignungsregister angepasste, Bußgeldkatalog in Kraft. Durch die Veränderungen der Punktbewertung eines Verstoßes fielen einige Verstöße, welche zuvor mit Punkten bestraft wurden, aus der Punktebewertung im neuen Bußgeldkatalog heraus. Der "alte" Punktestand wurde durch eine Umrechnung an den neuen Punktestand angepasst.
Äußert relevant sind auch die Tilgungsfristen, welche sich durch die Reform geändert haben. Vor 2014 gab es flexible Tilgungsfristen, bei welchen Punkte zwar verschiedene Tilgungsfristen hatten, welche allerdings durch "neu erworbene" Punkte bis zu 5 Jahre verlängert wurden. Bei Alkohol- oder Drogenverstößen sowie bei Straftaten galt sogar keine 5 Jahresgrenze. Nach der Punktereform gilt eine starre Tilgungsfrist, bei welcher jeder Verstoß einzeln, ohne Rücksicht auf neue Verstöße, verjährt.
Die neuen Tilgungsfristen berechnen sich wie folgt:

  • Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Punkt eingetragen werden gem. § 29 I Nr. 1 StVG = 2,5 Jahre
  • Ordnungswidrigkeiten, die mit zwei Punkten eingetragen werden; bei Straftaten, die keinen Fahrerlaubnisentzug nach sich ziehen; bei Mitteilungen über die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, einem Aufbauseminar, einem besonderen Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung und bei Verboten oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen gem. § 29 I Nr. 2 StVG = 5 Jahre
  • Straftaten, die einen Fahrerlaubnisentzug oder eine isolierte Sperre nach sich zogen; bei einer behördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis und bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis gem.§ 29 I Nr. 3 StVG = 10 Jahre

Nach Ablauf der Tilgungsfrist werden die Punkte vom Konto abgezogen, aber der Verstoß per se bleibt noch ein Jahr im FAER enthalten. Die Zeit zwischen dem Ablauf der Tilgungsfrist und der endgültigen Entfernung aus dem FAER nennt sich Überliegefrist. Der Sinn der Überliegefrist ist die Vorsorge für den Fall, das eine zu einem Tilgungshindernis führende neue Entscheidung innerhalb der Tilgungsfrist getroffen wurde, aber erst nach Ablauf der Frist dem Kraftfahrzeugbundesamt Flensburg mitgeteilt wurde.
Der aktuelle Punktestand kann jederzeit beim Kraftfahrzeugbundesamt in Flensburg abgefragt werden. Dazu reicht ein formloses Schreiben, welches Namen, Anschrift, Geburtsort und -datum sowie eine Unterschrift und eine Kopie des Personalausweises/Reisepasses enthält oder online über die Homepage des Kraftfahrzeugbundesamtes[1].


[1] http://www.kba.de/DE/ZentraleRegister/FAER/Auskunft/faer_auskunft_node.html

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Fahrverbote und Führerscheinentzug“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Maik Papiernick, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-85-4.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Rechtsanwalt Michael Kaiser berät auf den Gebieten des zivilen Verkehrsrechts (insbesondere bei Verkehrsunfällen) und im Bereich Verkehrsordnungswidrigkeiten und im Verkehrsstrafrecht.

Der besondere Schwerpunkt von Michael Kaiser liegt im Bereich der Fahrverbote und Führerscheinentzugsverfahren. Er vertritt Betroffene mit dem Ziel, den Führerscheinentzug zu vermeiden, sei es wegen Fehlern im Messverfahren, Fehlern der Beschilderung oder beruflichen Umständen, die den Führerscheinentzug zu einer besonderen Härte machen würden, so dass eine erhöhte Geldstrafe den Führerscheinentzug entfallen lassen kann.

Rechtsanwalt Kaiser ist seit vielen Jahren im gesamten Verkehrsrecht tätig. Er berät und vertritt bei Verkehrsunfällen und übernimmt alle notwendige Korrespondenz mit Versicherungen, Gutachtern, Zeugen und Polizei. Er macht nicht nur den Fahrzeugschaden für Sie geltend, sondern prüft alle denkbaren Ansprüche, vom Verdienstausfall über Schmerzensgeld und Schadensersatz bis zum Ersatz von Mietwagenkosten, Urlaubsverlust bis hin zum Wertverlust bei Fahrzeugen aufgrund von Reparaturen. Er prüft Versicherungsrückstufungen und verhandelt mit Versicherungen über angemessene Entschädigungen.

Er wehrt unberechtigte Ansprüche gegen vermeintliche Unfallverursacher ab.
Er vertritt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, von der Geschwindigkeitsüberschreitung bis zur Alkoholfahrt, und hilft bei drohendem Führerscheinverlust oder Punkten in Flensburg sowie bei Verkehrsstraftaten.

Rechtsanwalt Kaiser bereitet derzeit eine Veröffentlichung vor zum Thema:

  • Fahrverbot und Führerscheinentzug

Rechtsanwalt Kaiser ist Dozent für Verkehrsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Rechtsanwalt Kaiser bietet Vorträge, Seminare und Schulungen zu folgenden Themen an

  • Versicherungspraxis im Verkehrsrecht
  • Schadensabwicklung bei Verkehrsunfällen – Tricks und Tücken
  • Drohenden Führerscheinverlust vermeiden – Möglichkeiten und Handlungsspielräume 
  • Das neue Punktesystem - Flensburg alt und neu 
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