Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 23 – Besondere Betriebsvereinbarungen

10. Besondere Betriebsvereinbarungen

Es gibt einige besondere Arten von Betriebsvereinbarungen, die das Betriebsverfassungsgesetz (nicht immer ausdrücklich) vorsieht. Obwohl für sie größtenteils die allgemeinen Vorschriften über Betriebsvereinbarungen gelten, existieren auch teilweise Sonderregeln, welche es bezüglich dieser besonderen Betriebsvereinbarungen zu beachten gilt.

10.1. Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen

Je nach vorhandener Unternehmens- und Betriebsstruktur kann dem Arbeitgeber als Betriebspartner auch ein Gesamt- oder ein Konzernbetriebsrat gegenüberstehen. Ein Gesamtbetriebsrat kann in dem Fall gebildet werden, in welchem sich das Unternehmen aus mehreren Betrieben zusammensetzt, die jeweils selbst schon über Betriebsräte verfügen (§ 47 Abs. 1 BetrVG). Dieser kann dann mit dem Arbeitgeber sogenannte Gesamtbetriebsvereinbarungen abschließen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Regelungskompetenzen des Gesamtbetriebsrats gem. § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG beschränkt sind. Nach dieser Vorschrift ist er nämlich nur für solche Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Überschreitet der Gesamtbetriebsrat beim Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung seine Regelungskompetenz, so ist die Vereinbarung unwirksam (vgl. --> Kap. 4). Möglich ist nach § 50 Abs. 2 S. 1 BetrVG aber auch, dass der Gesamtbetriebsrat durch die einzelnen Betriebsräte zur Regelung einer bestimmten Angelegenheit beauftragt wird, sofern ihm hierfür die originäre Zuständigkeit fehlt. Hierfür sind jedoch entsprechende Beschlüsse der beauftragenden Betriebsräte erforderlich (vgl. --> 2.1.1).

Beispiel
Der Arbeitgeber möchte Dienstkleidung einführen. Diesbezüglich soll eine betriebliche Regelung aufgestellt werden. Das Unternehmen besteht aus mehreren verschiedenen Betrieben. Deren Betriebsräte haben einen Gesamtbetriebsrat gebildet. Mit diesem schließt der Arbeitgeber eine Vereinbarung zu der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung ab.

  • Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber haben hier eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen. Der Gesamtbetriebsrat hat seine Regelungskompetenz auch nicht überschritten, da die unternehmenseinheitliche Dienstkleidung eine Angelegenheit ist, die das Gesamtunternehmen betrifft und durch die einzelnen Betriebsräte nicht geregelt werden kann.

Beispiel
Der Arbeitgeber erklärt sich grundsätzlich zur Einführung einer freiwilligen Leistung in Gestalt eines Weihnachtsgelds bereit. Dies soll jedoch entweder unternehmenseinheitlich oder gar nicht geschehen. Deswegen schließt er mit dem Gesamtbetriebsrat eine Vereinbarung ab, nach der das Weihnachtsgeld allen Arbeitnehmern, die in den verschiedenen Betrieben des Unternehmens beschäftigt werden, zustehen soll.

  • Dem Gesamtbetriebsrat fehlt grundsätzlich die Regelungskompetenz bezüglich freiwilliger Leistungen wie dem Weihnachtsgeld, da diese Angelegenheit auch durch die Betriebsräte der einzelnen Betriebe geregelt werden kann. Da der Arbeitgeber in diesem Fall aber ausschließlich zur unternehmenseinheitlichen Einführung der freiwilligen Leistung bereit ist, ist der Gesamtbetriebsrat hier ausnahmsweise zur Regelung dieser Angelegenheit befugt.(Fußnote) Die hier abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung zum unternehmenseinheitlichen Weihnachtsgeld ist somit wirksam.

Beispiel
Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber einigen sich auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung durch welche unternehmenseinheitliche Urlaubsgrundsätze aufgestellt werden sollen. Hintergrund ist der Wunsch des Arbeitgebers, unterschiedliche Urlaubsgrundsätze in den einzelnen Betrieben des Unternehmens zu vermeiden. Die Betriebsräte der einzelnen Betriebe haben den Gesamtbetriebsrat zur Regelung unternehmenseinheitlicher Urlaubsgrundsätze nicht beauftragt.

  • Urlaubsgrundsätze können durch die Betriebsräte der einzelnen Betriebe geregelt werden, weshalb dem Gesamtbetriebsrat hier die Regelungskompetenz zu dieser Angelegenheit fehlt. Da er durch die Betriebsräte der einzelnen Betriebe auch nicht gem. § 50 Abs. 2 S. 1 BetrVG zur Regelung der Urlaubsgrundsätze beauftragt wurde, ist die abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung im vorliegenden Fall unwirksam.

Sind mehrere Unternehmen, in denen bereits Gesamtbetriebsräte bestehen, zu einem Konzern zusammengefasst, so kann ein Konzernbetriebsrat gebildet werden (§ 54 Abs. 1 BetrVG). Das ihm zur Verfügung stehende Regelungsinstrument bezeichnet man als Konzernbetriebsvereinbarung, die im Regelfall mit der Konzernleitung abgeschlossen wird. Im Hinblick auf die Konzernbetriebsvereinbarung beschränken sich die Regelungskompetenzen des Konzernbetriebsrats gem. § 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG auf solche Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Hier gelten somit die oben beschriebenen Vorschriften zur Gesamtbetriebsvereinbarung entsprechend.

Beispiel
Der Konzernbetriebsrat setzt eine Vereinbarung "Konzernweiter Transfer von Arbeitnehmerdaten" durch. Zweck der Vereinbarung ist es, verbindliche Regeln bezüglich des Umgangs mit Arbeitnehmerdaten, die zwischen den einzelnen Konzernunternehmen ausgetauscht werden, aufzustellen.

  • Vorliegend wurde eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen. Hierzu war der Konzernbetriebsrat auch berechtigt, da der konzernweite Transfer von Arbeitnehmerdaten eine Angelegenheit ist, die den gesamten Konzern betrifft.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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