Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 21 – Hauptversammlung

6 Hauptversammlung

Die Hauptversammlung ist das oberste Organ der SE. Die Hauptversammlung muss gem. Art. 54 I SE-VO mindestens einmal im Kalenderjahr binnen sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres zusammentreten. Ausnahmsweise können branchenspezifische Regelungen häufigere Versammlungen verlangen. Nach Gründung einer SE muss die erste Hauptversammlung der neuen Gesellschaft in einem Zeitraum von bis zu 18 Monaten nach Gründung abgehalten werden.

6.1 Zuständigkeit

Die Hauptversammlung ist für

  • die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans bzw. Verwaltungsrates
  • Satzungsänderungen
  • Kapitaländerungen in Form einer Kapitalerhöhung oder -herabsetzung des Gesellschaftsvermögens sowie
  • die in den nationalen Gesetzen oder in der Satzung verankerten Angelegenheiten zuständig.(Fußnote)

6.2 Ablauf

Ablauf und Organisation der Hauptversammlung gleichen im Wesentlichen einer deutschen Aktiengesellschaft.

6.2.1 Einberufung

Die Hauptversammlung kann gem. Art. 54 II SE-VO grundsätzlich jederzeit und ohne einen besonderen Grund von dem Leitungs-, Aufsichtsorgan oder dem Verwaltungsrat sowie von ausgewählten Behörden gemäß nationaler Regelungen einberufen werden.

Bei folgenden Gründen ist eine Einberufung durch das Leitungs-, Aufsichtsorgan oder dem Verwaltungsrat sowie durch ausgewählte Behörden gemäß nationaler Regelungen jedoch zwingend:

  • wenn Aktionäre mit einem Anteil von mindestens 10% am gekennzeichneten Kapital eine Berufung verlangen
  • bei Verlust der Hälfte des Grundkapitals
  • nach Eingang des Jahresabschlussberichtes des Aufsichtsorgans oder aber des Verwaltungsrates
  • wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert
  • in den in der jeweiligen Satzung vorgesehenen Fällen.

Ebenso ist nach allgemein anerkannter Ansicht die Zuständigkeit der Hauptversammlung i.S.d. "Holzmüller" Entscheidung gegeben. D.h. bei einer Entscheidung, die grundsätzlich in den Bereich des Leitungsorgans bzw. des Verwaltungsrates fällt und von der Satzung gedeckt ist, ist die Hauptversammlung einzuberufen, wenn die Maßnahme des Leitungsorgans Veränderungen nach sich ziehen würde, die der Sorte der Veränderung zumindest nahekommen würde, die allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden könnte.(Fußnote)

Beispiel
Die dualistisch strukturierte H-SE führt in ihrem Betrieb einen Holzhandel und eine Spedition, wobei die Spedition den größeren Teil am Gesamtumsatz des Unternehmens ausmacht. Es kam zur Gründung einer neuen Tochtergesellschaft, der S-SE in Frankreich und zur Übertragung des Speditionsbetriebs mit allen Aktiva und Passiva auf die S-SE. Das Unternehmen möchte die Spedition auf diese Tochtergesellschaft ausgliedern.

  • Grundsätzlich fällt die Entscheidung in den Bereich des Leitungsorgans. In der Satzung ist keine besondere Zuständigkeit geregelt. Verlagert jedoch eine SE wesentliche Teile ihres Betriebsvermögens auf eine Tochtergesellschaft, so schwächt diese Strukturänderung die Rechtsstellung ihrer Aktionäre selbst dann, wenn sämtliche Anteile in den Händen der Obergesellschaft verbleiben, sodass eine Hauptversammlung einberufen werden muss.

Die ordentliche wie auch die außerordentliche Hauptversammlung werden durch den Verwaltungsrat in einer monistischen SE oder vom Leitungsorgan oder Aufsichtsorgan einer dualistischen SE einberufen. Die Frist zur Einberufung beträgt 30 Tage. Die Einberufung ist vorab im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen. Im Rahmen der Einberufung sind ebenso die Tagesordnungspunkte bekannt zu geben.

Beispiel
Der Jahresbericht liegt dem Leitungsorgan am 31.03.2016 vor. Eine Hauptversammlung wird zum 02.05.2016 einberufen.

  • Sofern der Jahresbericht am 31.03.2016 dem Leitungsorgan vorgelegt wurde, hätte die Hauptversammlung gemäß der regulären 30 Tagesfrist am 30.04.2016 einberufen werden müssen. Die Hauptversammlung wurde somit nicht fristgerecht einberufen. Die Folge daraus ist die Anfechtbarkeit der von der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse.

6.2.2 Leitung und Durchführung der Hauptversammlung

Für die Hauptversammlung ist ein Versammlungsleiter zu bestimmen. Der Leiter hat für einen zügigen und geregelten Ablauf zu sorgen und darauf einzuwirken, dass die Tagesordnungspunkte sachlich erörtert werden. Im Rahmen der Ordnungskompetenzen ist es dem Leiter möglich, Beschränkungen der Redezeit oder Unterbrechungen als Maßnahmen einzuführen.

Die Hauptversammlung wird grundsätzlich im Rahmen einer Präsenzveranstaltung durchgeführt, bei der die Leitungsmitglieder der SE, sowie Leitungsorgan oder Verwaltungsrat zugegen sein müssen. Bei Aktionären genügt eine Online-Teilnahme.(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.


 

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Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

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  • Wahl des Firmennamens
  • Gesellschaftsgründungen:
    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
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  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
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  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
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  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Normen: Art. 54 II SE-VO

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