Kommunalabgabenrecht – Teil 15 – Abgabenvereinbarungen

3.6 Abgabenvereinbarungen

Kommunalabgaben werden zumeist durch einen Abgabenbescheid (einen sog. Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)) festgesetzt. Diese einseitige Form ist allerdings nicht immer zwingend, insb. besteht kein generelles Vertragsformverbot. So kommt es auch in der Praxis vor, dass ein Unternehmen und eine Kommune einen Vertrag über eine bestimmte Abgabe schließen. Gründe dafür sind vor allem die Beseitigung bestehender Ungewissheiten sowie die Notwendigkeit der Verfahrensökonomie. Gleichwohl haben die Gerichte für zulässige Abgabenvereinbarungen strenge Anforderungen formuliert. Hintergrund dessen ist, dass zumeist eine Pflicht zur Erhebung von Kommunalabgaben besteht, die nicht durch vertragliche Vereinbarungen unterlaufen werden darf. Vielmehr kann eine vertragliche Vereinbarung nur bei den Abgaben in Betracht kommen, bei denen die Kommune einen Ermessensspielraum hat. Zudem ist eine vertragliche Vereinbarung wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 GG im Regelfall nichtig, wenn sie einen vollständigen Verzicht auf eine kommunale Abgabe enthält.[(Fußnote) Dies liegt daran, dass aus dem Grundsatz der Kostendeckung eine solche Vereinbarung zulasten aller anderen Abgabenschuldner gehen würde, die entsprechend mehr zahlen müssten. Bei den als zulässig erachteten Abgabenvereinbarungen ist zu unterscheiden zwischen Ablösungsvereinbarungen und Vergleichsverträgen.

3.6.1 Ablösungsvereinbarungen

Erstes prominentes Beispiel für einen zulässigen Abgabenvertrag ist die Ablösungsvereinbarung, die auch im Rahmen der gesetzlich zugelassenen Ausnahmen vom Erlass eines Abgabenbescheids die Hauptgruppe bildet. Die Anforderungen an eine zulässige Ablösungsvereinbarung sind vergleichbar mit denen für eine Erschließungsbeitragssatzung (etwa Angaben zur Art der Ermittlung und der Verteilung des mutmaßlichen beitragsfähigen Erschließungsaufwands).

Beispiel [(Fußnote)
Grundstückseigentümer A wohnt in einem Sanierungsgebiet in der Stadt H. Die Sanierung eines Teilstücks des Sanierungsgebiets steht noch aus. Nach § 154 BauGB ist die Stadt H auch für das restliche Teilstück verpflichtet, Ausgleichsbeiträge zu erheben, u.a. auch von dem A. Sie schließt jedoch mit A eine Ablösungsvereinbarung, nach der dieser einen gewissen Ablösebetrag auf das Konto der Stadt H zu überweisen hat und behält sich bei Nichtzahlung die Kündigung ausdrücklich vor.

In diesem Beispielsfall wurde eine Ablösungsvereinbarung beschlossen, die den A von der Zahlung der Ausgleichsbeträge gem. § 154 BauGB befreit. Würde die Stadt H nun trotzdem einen Ausgleichsbeitragsbescheid erlassen, wäre dieser rechtswidrig, denn wenn sich die Stadt H einmal auf eine Ablösungsvereinbarung eingelassen hat, darf sie dies nicht durch den Erlass eines Bescheids unterlaufen. Kommt A der vereinbarten Zahlungspflicht allerdings nicht nach, wird die Stadt H den geschlossenen Vertrag wohl kündigen. In diesem Fall kann sich A nicht mehr auf den einmal geschlossenen Vertrag berufen. Die Stadt H darf folglich den Ausgleichsbeitrag gegenüber H wieder durch Bescheid festsetzen.

3.6.2 Vergleichsverträge

In der Praxis besteht häufig ein Bedürfnis danach, einen Vergleichsvertrag zu schließen. Die Möglichkeit hierzu eröffnet § 55 VwVfG, der auch nicht durch das nach den Kommunalabgabengesetzen anzuwendende Verfahrensrecht der AO verdrängt wird. Nach § 55 VwVfG sind Vergleichsverträge zulässig, durch die eine "bei verständiger Würdigung des Sachverhalts und in der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird" und wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens für zweckmäßig hält.[(Fußnote)

An eine entsprechende Vergleichsvereinbarung sind die Parteien dann nach Treu und Glauben gebunden, soweit keine Verletzung des Gleichheitssatzes oder von anderen Grundrechten vorliegt. Die Kommune darf daher nicht später einen Abgabenbescheid erlassen, der im Wege des Über- und Unterordnungsverhältnisses ergeht. Hat sie sich einmal in das Gleichordnungsverhältnis zum Bürger gestellt, bleibt sie auch daran gebunden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kommunalabgabenrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Patrick Christian Otto, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-62-5.


 

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Stand: Januar 2017


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