Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 07 – Verbot des Eingriffs in die Betriebsleitung seitens des Betriebsrats, die Regelungskompetenzen der Betriebspartner

3.2. Verbot des Eingriffs in die Betriebsleitung seitens des Betriebsrats

Der Durchführungsanspruch des Betriebsrats berechtigt ihn jedoch nicht, die Betriebsvereinbarung durch eigene Maßnahmen durchzuführen. Dies ist Sache der Betriebsleitung des Arbeitgebers, in welche der Betriebsrat nicht durch einseitige Handlungen eingreifen darf (§ 77 Abs. 1 S. 2 BetrVG).

3.2.1. Verbotsumfang

Das Verbot des Eingriffs in die Betriebsleitung besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Durchführungspflicht falsch oder gar nicht nachkommt. Führt der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung nicht richtig durch, so ist es dem Betriebsrat insbesondere verwehrt den Arbeitnehmern anderslautende Weisungen zu erteilen, welche seiner meiner nach den Regelungen der Vereinbarung entsprechen. Der Betriebsrat ist also auch hierbei auf die arbeitsgerichtliche Durchsetzung seines Durchführungsanspruchs beschränkt (--> 3.1.2).

Beispiel
Es besteht eine Betriebsvereinbarung, welche die vorübergehende Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber regelt. Diese ermöglicht es ihm vor allem im Fall ungeplanter Auftragsspitzen maximal sechs Überstunden pro Woche und Arbeitnehmer anzuordnen. Als es zu einer solchen Auftragsspitze kommt, weist der Arbeitgeber jedoch acht Überstunden an. Daraufhin hält der Betriebsrat die Arbeitnehmer dazu an, die Weisung des Arbeitgebers bezüglich der zwei zusätzlichen Überstunden zu ignorieren.

  • Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarung nicht richtig durchgeführt. Eine Anordnung von mehr als sechs Überstunden war von den Betriebspartnern in der Vereinbarung nicht vorgesehen. Dies rechtfertigt jedoch nicht das Verhalten des Betriebsrats. Es liegt demnach ein unzulässiger Eingriff in die Betriebsleitung vor.
  • Weigern sich die Arbeitnehmer zur Ableistung der zwei zusätzlichen Überstunden, so handeln sie hierdurch nicht pflichtwidrig. Da die Weisung des Arbeitgebers gegen die bestehende Betriebsvereinbarung verstößt, ist sie gem. § 106 S. 1 GewO unwirksam (--> 6.4).

3.2.2. Rechtsfolgen bei Verstößen

Greift der Betriebsrat in unzulässiger Weise in die Betriebsleitung des Arbeitgebers ein, so verletzt er hierdurch seine Amtspflichten. Liegt ein grober Verstoß vor, ist sogar eine Auflösung des Betriebsrats gem. § 23 Abs. 1 BetrVG denkbar. Handelt ein einzelnes Mitglied grob pflichtwidrig, kann dies nach derselben Vorschrift auch seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat zur Folge haben. Ein solcher Pflichtverstoß berechtigt den Arbeitgeber im Regelfall auch gleichzeitig zu einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Verursacht das Betriebsratsmitglied durch sein Verhalten einen Schaden, so kommt darüber hinaus auch grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gem. § 280 Abs. 1 oder § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.(Fußnote)

4. Die Regelungskompetenzen der Betriebspartner

Der Betriebsrat und der Arbeitgeber sind beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen an die Kompetenzen gebunden, die ihnen das Gesetz für die Aufstellung betrieblicher Regelungen einräumt. Um eine verbindliche Regelung zu treffen, muss daher die Überschreitung dieser sogenannten Regelungskompetenzen vermieden werden. Diese betreffen vor allem sachliche, personelle und räumliche Aspekte. Entsprechende Fragen, die sich die Betriebspartner diesbezüglich stellen müssen, sind somit folgende:

  • Was soll durch die Betriebsvereinbarung geregelt werden?
  • Wer soll von dieser Regelung betroffen sein?
  • Wo soll die Betriebsvereinbarung gelten?

Den Kompetenzrahmen, in welchem sich die Betriebspartner beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen bewegen dürfen, bezeichnet man als Betriebsvereinbarungsautonomie.

4.1. Sachliche Kompetenzen

Durch die sachlichen Kompetenzen wird festgelegt, was der Regelungsgegenstand einer Betriebsvereinbarung sein kann. Obwohl die Befugnisse der Betriebspartner hierbei sehr weitreichend sind, gibt es dennoch Grenzen. Demnach kann nicht jede erdenkliche Thematik mithilfe einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

4.1.1. Grundsätzliches

Durch Betriebsvereinbarungen können vor allem die im Betrieb herrschenden Arbeitsbedingungen gestaltet werden. Hierzu gewährt der Gesetzgeber dem Betriebsrat in zahlreichen sozialen, technisch-organisatorischen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten Mitbestimmungsrechte. Erstere sind für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen am wichtigsten, da die sachlichen Regelungskompetenzen hier am umfangreichsten sind. Auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen können mithilfe einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die Grenze der sachlichen Regelungskompetenz der Betriebspartner ist dann überschritten, wenn der Inhalt der Betriebsvereinbarung über die Funktion der Betriebsverfassung hinausgeht bzw. mit dieser nicht im Einklang steht.
Eine allgemeine Unterscheidung der in Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen kann danach erfolgen, ob sie der erzwingbaren Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegen oder freiwilliger Natur sind.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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