Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 04 – Vorteile für mittelständische Unternehmen

2.3.4 Mitbestimmungsregelungen

Eine weitere Besonderheit der SE sind die Mitbestimmungsregelungen, die sowohl bei einer dualistisch als auch bei einer monistisch organisierten deutschen SE eine zentrale Rolle spielen. Die Mitbestimmung, d.h. die Beteiligung der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertretungen am Willensbildungsprozess des Unternehmens, wurde durch das SEBG in nationales Recht umgesetzt und gilt für alle deutschen SE. Bei einer Umfirmierung in eine SE besteht die Möglichkeit die Mitbestimmungsregelung frei auszuhandeln.

Sofern die an der Umfirmierung beteiligten Gesellschaften nicht mitbestimmungspflichtig sind, ist die künftige SE ebenso nicht mitbestimmungspflichtig. Sofern auch in der künftigen SE Mitbestimmungspflicht herrscht, kann die Aufsichtsratsgröße individuell ausgehandelt werden. So bleibt die Mitbestimmung in der künftigen SE unabhängig von der Beschäftigtenanzahl des Unternehmens konstant. Es wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, den Mitbestimmungsstatus konstant zu halten. Besonders vorteilhaft ist dies für mittelständische Unternehmen, die sich aufgrund der effektiven und effizienten Aufsichtsarbeit gegenüber Großunternehmen und Wettbewerbern durch schnelles Handeln auszeichnen.

Beispiel
Ein großes mittelständisches Softwareunternehmen, die S-AG, beschäftigt 2800 Mitarbeiter. Die Tendenz ist steigend. Der Aufsichtsrat des Unternehmens wird immer größer, sodass sich die Abstimmungen zu wichtigen Themen immer mehr in die Länge ziehen.

  • Im Rahmen des Umwandlungsverfahrens ist es der S-AG möglich, die Größe des Aufsichtsorgans dauerhaft festzusetzen. Somit würde zukünftig - trotz steigender Anzahl der Arbeitnehmer - die Anzahl der Aufsichtsorganmitglieder konstant bleiben.

3 Vorteile für mittelständische Unternehmen

Die Rechtsform der SE bringt in folgenden Bereichen insbesondere für mittelständische Unternehmen Vorteile:

  • Internationale Wettbewerbstätigkeit und europäische Corporate Identity
  • Freie Wahl des Leitungssystems
  • Flexible Mitbestimmungsregelung
  • Kostenersparnis
  • Sitzwechsel

3.1 Internationale Wettbewerbstätigkeit und europäische Corporate Identity

Die SE, als derzeit einzige supranationale Rechtsform, ermöglicht eine Entwicklung einer offenen und internationalen Gesellschaftskultur und bestärkt eine internationale Ausrichtung des Unternehmens über die Grenzen Deutschlands hinaus. Dadurch wird die Bedeutung des europäischen Marktes unterstrichen und psychologische Hemmnisse grenzüberschreitender Tätigkeit abgebaut.(Fußnote) Die supranationale Rechtsform trägt nach innen zum Aufbau einer europäischen Unternehmenskultur (corporate identity) bei und nach außen zu einer europäischen Markenbildung (branding).(Fußnote) Der hiervon ausgehende Imagegewinn kann beispielweise bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder bei der Rekrutierung von Arbeitskräften dem Unternehmen den entscheidenden Vorteil verschaffen.(Fußnote)

3.2 Freie Wahl des Leitungssystems

Als weiterer Vorteil wird die durch die SE erstmals eröffnete europaweite Auswahlfreiheit zwischen dem monistischen und dualistischen Modell der Unternehmensführung angesehen.(Fußnote) Speziell der Umstieg auf das monistische System führt zu einer strafferen und schlankeren Organisationsstruktur bzw. einer schnelleren Umsetzung von Managemententscheidungen.(Fußnote) Durch die vorgegeben auszuwählende Leitungssysteme kann ein Konzern ebenso einheitlich organisiert werden.

3.3 Flexible Mitbestimmungsregelung

Durch die SE besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer Verhandlungslösung eine auf die SE spezifische abgestimmte Mitbestimmungslösung zu finden. Mittelständische Unternehmen können im Rahmen der Verhandlungslösung einmalig eine bestimmte Mitbestimmungsstruktur festlegen, unabhängig von der späteren Anzahl an Mitarbeitern oder geplanten Fusionen. Ebenso ist es möglich die Sitze im Aufsichtsorgan und damit auch den Einfluss einzelner nationaler Arbeitnehmervertreter zu verringern; dies erfordert jedoch zugleich eine engere Abstimmung und Einigkeit unter den aus verschiedenen Ländern kommenden Arbeitnehmervertretern.

3.4 Kostenersparnis

Auf die SE bezogen ist aus ökonomischer Sicht die Ersparnis von Transaktionskosten auf folgenden Gebieten vorteilhaft:

  • Ersparnisse aufgrund einer einheitlichen Corporate Governance-Struktur
  • Ersparnisse aufgrund einfacherer Konzernstrukturen und
  • Ersparnisse bei der Durchführung EU-weiter Umstrukturierungen.(Fußnote)

3.5 Sitzwechsel

Eine weitere Stärke der SE ist die Möglichkeit, unter erleichterten Anforderungen grenzüberschreitenden Unternehmensverbindungen durchzuführen, so Verschmelzungen, Holdingbildungen und Joint-Ventures. Ferner kann die SE gem. Art. 8 I SE-VO nach ihrer Umfirmierung ihren Satzungssitz in einen anderen Mitgliedsstaat verlegen und hierbei trotzdem ihre Identität wahren. Dadurch wird es erstmals einer Gesellschaft ermöglicht von der in Art. 49, 54 AEUV statuierten Niederlassungsfreiheit durch Sitzverlegung Gebrauch zu machen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.


 

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Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

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    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
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  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
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  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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