Arbeitnehmerüberlassung – Teil 10 – Das werkvertragliche Anweisungsrecht

4.1.1.4.2 Das werkvertragliche Anweisungsrecht

Zu unterscheiden ist vom arbeitsvertraglichen Weisungsrecht das werkvertragliche Anweisungsrecht nach § 645 S. 1 BGB. Dieses Anweisungsrecht steht dem Besteller zu. In der Praxis ist immer korrekt abzugrenzen, ob eine arbeitsvertragliche Weisung oder eine werkvertragliche Anweisung abgegeben wurde.

Beispiel 1
Frau Schmidt beauftragt Herrn Meyer mit der Sanierung ihrer Bäder. Der Werkvertrag sieht ein werkvertragliches Anweisungsrecht vor, um die Fertigungsmethoden zu regeln.
Frau Schmidt bestimmt während den Arbeiten, dass die Mitarbeiter von Herrn Meyer nur während ihren Arbeitszeiten von 08.00 bis 16.00 Uhr im Haus tätig sein dürfen.

  • Das ist ein arbeitsvertragliches Weisungsrecht, zu dem sie nicht befugt ist.

Das werkvertragliche Anweisungsrecht ist

  • sachbezogen,
  • ergebnisorientiert,
  • gem. § 645 I S. 1 Hs. 2 BGB nur auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt,
  • eine Willenserklärung, die auf die Konkretisierung des bereits vertraglich vereinbarten Leistungsinhalts gerichtet ist,
  • nicht nur eine Anregung, Vorstellung oder Wunsch, sondern eine Anweisung in dem Bereich, den der Werkunternehmer üblicherweise selbständig regeln darf.

Mit dem werkvertraglichen Anweisungsrecht soll dem Besteller ermöglicht werden, auf die Fertigung des bestellten Werks einzuwirken. Eine objekt- oder gegenstandsbezogene Anweisung kann der Besteller gegenüber dem Werkunternehmer oder gegenüber seinem Erfüllungsgehilfen hinsichtlich Qualitätsanforderungen oder Fertigungsmethoden erteilen.

Beispiel 2
Das Bauunternehmen Kalkbrenner AG schließt mit der Boden und Grund OHG einen Vertrag über das Verlegen aller Böden in einem von der Kalkbrenner AG errichteten Neubau. Eine Konkretisierung des Auftrages, die bestimmt, welche Böden in welchen Wohnungen bzw. Räumen gelegt werden soll, ist erst nach der Fertigstellung des Hauses möglich.

  • Die Kalkbrenner AG kann nach der Fertigstellung ihr werkvertragliches Anweisungsrecht ausüben.

In der Regel ist von einem werkvertraglichen Anweisungsrecht auszugehen, wenn die Weisungen des Dritten gegenständlich begrenzt sind und sich auf die zu erbringende Werkleistung beziehen. Ein projektbegleitendes Qualitätsmanagement, das einen permanenten Austausch zwischen Mitarbeitern des Bestellers und des Werkunternehmers ermöglichen soll, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Werkvertrags. Die Anweisungen erfolgen hier projektbezogen und beeinflussen die Arbeitsweise nur mittelbar. Entscheidend ist, dass der Besteller nicht über die Arbeitnehmer des Werkunternehmers disponiert, sondern seine Projekte fördert.

Beispiel 3
Der Automobilhersteller Auto & Co GmbH schließt mit der Lackiererei Kleiber GmbH einen Werkvertrag über die Lackierarbeiten ab. Der Automobilhersteller legt in seinem projektbegleitenden Qualitätsmanagement nicht nur fest, welchen Mindestanforderungen der Lack entsprechen soll, sondern führt im Anschluss noch einen Qualitätstest durch.

  • Hierzu ist die Auto & Co GmbH berechtigt.

Notwendig ist ein werkvertragliches Anweisungsrecht vor allem bei Rahmenverträgen, die erst später konkretisiert werden.

Hat der Besteller eine werkvertragliche Anweisung erteilt und ist das Werk auf Grund dieser Anweisung vor Abnahme untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen.

Beispiel 4
Herr Weis beauftragt den Malermeister Herrn Bernd, seine Mietwohnung zu tapezieren.
Dabei weist er Herrn Bernd an, zuerst die Tapeten zu verwenden, die beim letzten Tapezieren durch Herrn Weis übrig geblieben sind. Als Herr Bernd am nächsten Tag mit seiner Arbeit fortfahren möchte, stellt er fest, dass die Tapeten des Herrn Weis nicht geeignet waren und sich von der Wand wieder abgelöst haben. Hätte Herr Weis nicht die Anweisung erteilt, seine alten Tapeten zu verwenden, würde dieses Risiko bei Herrn Bernd liegen. Herr Bernd hat die alten Tapeten aber nur auf Anweisung des Herrn Weis verwendet.

  • Herr Weis muss Herrn Bernd diese Arbeitsleistung vergüten, obwohl sie vor Abnahme unbrauchbar geworden ist.

Erteilt der Besteller des Werks arbeitsvertragliche Weisungen, verhält er sich wie ein Entleiher, was zu einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung führen kann. Eine Ausnahme kann nur angenommen werden, wenn der Besteller des Werks ausnahmsweise eine arbeitsvertragliche Weisung erteilt, beispielsweise, wenn eine Abweichung vom normalen Tagesablauf eingetreten ist.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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