Kreditvertragsrecht – Teil 12 – Wirksamkeit von Darlehensverträgen: Scheingeschäft, auffälliges Missverhältnis


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Alena Kehret
wissenschaftliche Mitarbeiterin


2.3. Wirksamkeit des Vertrages

Für die Wirksamkeit des Vertrages ist neben den zwei übereinstimmenden Willenserklärungen des Darlehensnehmers und -gebers die Form des Vertrages entscheidend.
Grundsätzlich kann ein Darlehensvertrag formfrei abgeschlossen werden. Allerdings ist bei wichtigen und langfristigen Darlehensverträgen der schriftliche Abschluss zu empfehlen.

Etwas anderes gilt, wenn es sich bei dem Darlehen um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt. Hier schreibt das Gesetz die Schriftform vor, andernfalls ist der Darlehensvertrag nichtig. Hintergrund ist, dass der Verbraucher als schutzwürdige Vertragspartei über den Vertrag und seine Konditionen umfassend informiert werden und vor übereilten Vertragsabschlüssen geschützt werden soll. Hierbei reicht es aus, dass Angebot und Annahme getrennt voneinander schriftlich niedergelegt werden. (Weitere Besonderheiten des Verbraucherdarlehensvertrages in Kapitel 3.)

2.3.1. Scheingeschäft

Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einen Vertrag nur zum Schein abschließen. Das heißt, sie tun so, als einigen sie sich über den Vertragsschluss, wollen sich aber in Wirklichkeit gar nicht rechtlich an den Vertrag binden. Es fehlt dann der erforderliche Rechtsbindungswillen, sodass der Vertrag nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist. Hintergrund eines Scheingeschäftes ist regelmäßig, dass Ziele verfolgt werden, die durch das Scheingeschäft verdeckt werden sollen.
Darlehensverträge können nichtige Scheingeschäfte sein, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, d.h. die Parteien sich in Wirklichkeit gar nicht binden wollen.

Beispiel

Die X-GmbH benötigt ein Darlehen. Der mit dem Geschäftsführer gut bekannte Herr S wird von der Bank gebeten, den Darlehensvertrag anstelle der X-GmbH abzuschließen, weil dies für die Bankinterna besser sei. Die Bank versichert dabei gegenüber Herrn S, dass er nicht für die Rückzahlung des Darlehens einstehen müsse, sondern allein die X-GmbH, die dieses auch erhalte. Unterschrift und Nennung des Herrn S im Vertrag erfolge nur pro forma. Hier sollen die rechtlichen Wirkungen des Vertragsabschlusses (Überlassung des Betrages und Rückzahlungspflicht) gerade nicht eintreten, sodass ein Scheingeschäft vorliegt (Fußnote)

2.3.2. Sittenwidrigkeit

Sittenwidrigkeit kann dann vorliegen, wenn zwischen den vereinbarten Leistungen der Vertragsparteien ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Darlehensgeber in verwerflicher Gesinnung eine Notlage des Darlehensnehmers ausnutzt.

2.3.2.1. auffälliges Missverhältnis

Zwischen der Leistung des Darlehensgebers - der zeitweiligen Überlassung des Kreditbetrages - und der Gegenleistung des Darlehensnehmers - Zahlung der Zinsen - muss ein auffälliges Missverhältnis bestehen.
Dieses Missverhältnis wird ermittelt, indem der effektive Vertragszins, zu dem auch sonstige Vertragskosten wie z.B. Bearbeitungsgebühren, Teilzahlungszuschläge etc. zählen, mit dem marktüblichen Effektivzins vergleichen wird. Wird der Marktzins relativ um 100 % oder mehr überschritten, so ist ein auffälliges Missverhältnis immer gegeben. Eine Überschreitung von 90 % kann bereits genügen, wenn weitere belastende Umstände hinzukommen, wie beispielsweise hohe Vorfälligkeitsentschädigungen, Kosten- und Gebührenklauseln, unangemessene Sanktionen, Fortzahlungsvereinbarungen bezüglich des Vertragszinses nach Vertragsende usw. Ein auffälliges Missverhältnis wird ebenso angenommen, wenn der Vertragszins den Marktzins absolut um 12 Prozentpunkte überschreitet.

Beispiele

Frau Y hat bei der V-Bank einen Darlehensvertrag abgeschlossen. Der Zinssatz soll 19 % pro Jahr betragen. Der marktübliche Zinssatz liegt bei 9 %. Somit übersteigt der vereinbarte Zinssatz den marktüblichen um mehr als 100 % (das doppelte von 9 %). Es liegt ein auffälliges Missverhältnis vor.

Frau Y hat bei der R-Bank einen Darlehensvertrag abgeschlossen; der Zinssatz soll 26 % betragen. Der marktübliche Zins liegt bei 14 %. Hier übersteigt der vereinbarte Zinssatz den marktüblichen nicht um 100 %. Allerdings ist der marktübliche Zinssatz absolut um 12 % überschritten. Es liegt ein auffälliges Missverhältnis vor.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditvertragsrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Alena Kehret, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezember 2014


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Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht. 

Carola Ritterbach hat zum Kapitalmarktrecht veröffentlicht:

  • „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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