Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG – Teil 20 – BGH, Urteil vom 11.01.2011 / 01

BGH, Urteil vom 11.01.2011 zum Auskunftsbegehren

Der BGH hat in seinem Urteil vom 11.01.2011 entschieden, dass das Auskunftsbegehren der Kläger nicht deshalb unbegründet sei, weil Namen und Anschriften der anderen Treugeber nur zweck- und anlassgebunden verlangt werden könnten.

Der Anspruch auf Mitteilung der Namen und der Anschrift, der einem Gesellschafter einer aus den Anlegern einer Fondsgesellschaft bestehenden (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegen seine Mitgesellschafter zustehe, sei nicht in dieser Hinsicht beschränkt.

Zwischen den einzelnen (mittelbaren) Anlegern und der Beklagten als ihrem Organ bestehe im Innenverhältnis jeweils eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Kläger könnten aufgrund dieser gesellschaftsvertraglichen Verbindung grundsätzlich Auskunft über die Namen und Anschriften ihrer jeweiligen Mitgesellschafter verlangen. Dieser Anspruch richte sich gegen die Beklagte, der die Geschäftsführung dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts obliege. Ein entsprechender Auskunftsanspruch stehe auch Anlegern zu, die sich als Treugeber über eine Treuhandkommanditistin an einer Publikumsgesellschaft in Form einer Kommanditgesellschaft beteiligt hätten, wenn die Anleger aufgrund der im konkreten Fall getroffenen vertraglichen Vereinbarungen im Innenverhältnis eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bildeten.

Nach der Rechtsprechung des Senats folge der Auskunftsanspruch auch bei Publikumsgesellschaften in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus § 716 Abs. 1 BGB sowie aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem; das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, sei in jedem Vertragsverhältnis selbstverständlich.
Der aus § 716 BGB folgende Auskunftsanspruch könne gegen den geschäftsführenden Gesellschafter oder das geschäftsführende Organ verfolgt werden.

Da der Vertrag einer Publikumsgesellschaft nach seinem objektiven Befund auszulegen sei, könne das Revisionsgericht diese Auslegung selbständig vornehmen. Die Auslegung des von den Anlegern mit der Beklagten abgeschlossenen Treuhand- und Verwaltungsvertrags ergebe, dass zwischen ihnen eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bestehe.

Die Anleger der beiden Fondsgesellschaften verfolgten auf der Basis des Treuhand- und Verwaltungsvertrags, der von der Treuhänderin jeweils inhaltlich entsprechend mit dem jeweiligen Anleger abgeschlossen wurde, nicht nur einen gemeinschaftlichen Zweck. Die vertraglichen Vereinbarungen seien vielmehr darauf gerichtet, durch Beitragsleistung einen gemeinsamen Zweck zu fördern und erfüllten damit die - auch für die Annahme einer Innengesellschaft zu fordernden - Voraussetzungen eines Gesellschaftsvertrags einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erschöpfe sich der Treuhand- und Verwaltungsvertrag nicht in der Regelung des jeweiligen Treuhandverhältnisses zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Anleger. Vielmehr regele der Vertrag (auch) das Rechtsverhältnis der Treugeber untereinander als eine gesellschaftsrechtliche Verbindung im Sinne einer Innengesellschaft, deren handelndes Organ im Außenverhältnis gegenüber der Fondsgesellschaft die Beklagte sei. Gemeinsam verfolgter Zweck der Anleger-Innengesellschaft sei die Wahrnehmung der der Anlegerversammlung im Treuhand- und Verwaltungsvertrag eingeräumten Rechte, die über die Rechte des einzelnen Anlegers unmittelbar gegenüber der Treuhänderin hinausgingen und sich von den Rechten der Gesellschafterversammlung der Gesellschafter der Fonds-Kommanditgesellschaft unterscheiden.

Der für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags erforderliche Rechtsbindungswille der Anleger ergebe sich aus der Unterzeichnung der Beitrittserklärung und dem darin liegenden Abschluss des Treuhand- und Verwaltungsvertrags.

Dem Vertrag sei hinreichend deutlich zu entnehmen, dass er auch das Rechtsverhältnis der Anleger untereinander regele. Für den Beitritt des einzelnen Anlegers sei es nicht erforderlich, dass er bei der Abgabe seiner Beitrittserklärung (auch) das Bewusstsein hatte, einer Innengesellschaft der Treugeber beizutreten. Der Annahme einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts stehe ferner nicht entgegen, dass den Anlegern im Treuhand- und Verwaltungsvertrag keine besonderen Förder- und Verwaltungspflichten auferlegt würden. Eine Gesellschaft komme zwar nur zustande, wenn alle Beteiligten Beitragspflichten übernehmen würden. Als Beitragspflicht genüge jedoch regelmäßig bereits die aus dem Halten der Beteiligung folgende Verpflichtung, den gemeinsamen Zweck zu fördern.

Eine andere Beurteilung ergebe sich für die Innengesellschaft der Treugeber einer Publikums-Kommanditgesellschaft nicht daraus, dass diese Kommanditgesellschaft körperschaftlich strukturiert ist und deshalb auf sie nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung weithin kapitalgesellschaftsrechtliche Regeln Anwendung finden.
Eine Übertragung der Regeln des Kapitalgesellschaftsrechts auf eine Personengesellschaft scheide aus, wenn die konkrete Ausgestaltung des zu beurteilenden Gesellschaftsverhältnisses dem entgegenstehe.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-28-1.


 

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Stand: November 2014


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Gericht / Az.: BGH, Urteil v. 11.01.2011
Normen: § 716 BGB

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