Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Teil 07 - Frankreich Teil 2

2.2.5. Verbrauchersanierungsverfahren

2.2.5.1. Rechtliche Grundlage

Das französische Privatinsolvenzverfahren ist zurzeit in dem Verbrauchergesetzbuch geregelt. Die dritte Reform des Verbrauchersanierungsverfahrens vom Jahre 2003 wurde mit dem Gesetz, das den Namen „Programm für die Stadtentwicklung und urbane Erneuerung“ trägt, eingeführt. Dieses Gesetz hat dann, insbesondere unter dem Druck elsässischer Juristen, ein Verfahren der Restschuldbefreiung eingeführt, genannt „procédure de rétablissement personnel“.

Das französische Verbraucherinsolvenzverfahren führt nur in seltenen Fällen sofort zu einer Restschuldbefreiung. In den meisten Fällen wird vom Gericht zuerst versucht, einen Sanierungsplan anzuordnen, der auf bis zu 10 Jahre festgelegt werden kann.
Meistens geht das Gericht erst nach Scheitern der Erfüllung in die Restschuldbefreiung über.

2.2.5.2. Phasen des Verbrauchersanierungsverfahrens

Absatz 2 und 3 von § L330-1 des Verbrauchergesetzbuches legen die Phasen des Überschuldungsverfahrens, je nach der wirtschaftlichen Lage des Schuldners, fest.

2.2.5.2.1. Schuldner ohne Vermögen

Scheint die Situation unwiderruflich (unabwendbar) verloren, so sieht Absatz 3 ein Verfahren bis zur Restschuldbefreiung vor, „wenn es unmöglich erscheint, auf die Maßnahmen nach Absatz 2 zurückzugreifen“. Der Schuldner besitzt nichts außer den zur Deckung des laufenden Bedarfs nötigen beweglichen Sachen. Er kann unmittelbar die Eröffnung eines Schuldenbereinigungsverfahrens beantragen, was dazu führt, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse sogleich eingestellt und die Restschuldbefreiung am Ende dieses Insolvenzverfahrens erteilt wird. Die Laufzeit dieses Verfahrens beträgt meistens zwischen 9 und 18 Monate. Nach dem Verbrauchergesetz wird die Restschuldbefreiung bereits am Ende des Insolvenzverfahrens erteilt und ist nicht, wie in Deutschland, von dem Ablauf einer mehrjährigen Wohlverhaltensphase abhängig.


2.2.5.2.2. Schuldner mit Einkommen oder Guthaben

Verfügt der Schuldner über Einkommen oder Guthaben, dass es ihm bei Veräußerung erlauben würde, seinen Verpflichtungen nachzukommen, so sieht Absatz 2 vor, dass die Kommission Maßnahmen vorschlagen kann

  • in Form eines Tilgungsplanes ( L337-7)
  • in Form von gewöhnlichen
  • oder außergewöhnlichen „Empfehlungen“ ( L 331-7-1).

2.2.5.3. Verbraucherüberschuldungskommission

Falls der Schuldner über ein pfändbares Vermögen verfügt, wird mit seinem Antrag auf Ausarbeitung eines Sanierungsplanes eine Verbraucherüberschuldungskommission befasst. Gemäß Art.L.331-1 des Verbrauchergesetzes wird in jedem Departement mindestens eine Überschuldungskommission für Privatpersonen eingesetzt. Diese Kommission setzt sich zusammen aus:

  • dem Präfekten als Vorsitzenden (Vertreter des Staates im Departement)
  • dem Trésorier Payeur Général (der leitende Beamte des Finanzamtes im Departement)
  • dem lokalen Vertreter der Banque de France als Sekretär
  • 2 Personen, die vom Staat ernannt werden (eine auf Vorschlag des Verbandes für Kreditinstitute; die andere auf Vorschlag der Familien oder Verbraucherverbände).

2.2.5.3.1. Voraussetzungen für die Befassung der Kommission

Vier Bedingungen müssen erfüllt werden, um die Kommission zu befassen :

  • der Schuldner ist eine natürliche Person,
  • der Schuldner ist ein französischer Staatsangehöriger oder in Frankreich wohnhaft, oder ein französischer Staatsangehöriger, der bei einem in Frankreich etablierten Gläubiger nicht gewerbliche Schulden hat,
  • der Schuldner ist redlich (bonne foi),
  • es wird allgemein behauptet, es müsse Unmöglichkeit bestehen, die außerberuflichen Schulden zu tilgen, die bei in Frankreich etablierten Gläubigen eingegangen wurden.

Die örtliche Begrenzung, die systematisch in der Literatur aufgeführt wird, wurde von der Cour de Cassation als ungültig erklärt.
Die Gläubiger können die Überschuldung, die Redlichkeit des Schuldners oder die Erfüllung der anderen Bedingungen vor dem Vollstreckungsrichter rügen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Ein Vergleich der Insolvenzordnungen der Länder der EU" von Harald Brennecke und Eva Otépková, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-05-2.


 

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Stand: März 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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Telefon: 0721-20396-28

 


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