GmbH-Reform: Haftungsfallen für Gesellschafter und Geschäftsführer

Autor(-en):
Malte Seeger
Rechtsanwalt


Haftungsfallen für Gesellschafter und Geschäftsführer in der GmbH, Teil I

 

Die Reform des GmbH-und Insolvenzrechts durch das MoMiG vom 23.10.2008 ist zwar zum 01. November 2008 in Kraft getreten und damit seit nahezu 5 Jahren in Kraft. Doch sind die Änderungen nicht allein für Neugründungen sondern auch für bestehende GmbHs relevant, so dass sich immer wieder Fallkonstellationen und unerwartete Haftungsfallen in der Praxis ergeben, die den Beteiligten zuweilen erhebliche Schwierigkeiten bereiten. In der überarbeiteten Artikelserie sollen solche Fälle – getrennt nach Szenarien für Gesellschafter- und für Geschäftsführerhaftung – in loser Reihenfolge kurz thematisiert werden, um zur kritischen Prüfung im täglichen Geschäftsbetrieb und zur rechtzeitigen Einholung qualifizierten Rechtsrats zu sensibilisieren.

 

1. Gesellschafter:

Bestellung des GmbH-Geschäftsführers

Bis vor der Reform aus dem Jahr 2008 galt für die Bestellung des GmbH-Geschäftsführers der allgemeine Grundsatz, dass bei diesem die „drei Bs“ nicht vorliegen dürfen: Bankrottdelikte, Berufsverbot und Betreuung. Mit dem Argument, den Gläubigerschutz zu stärken, nahm der Gesetzgeber eine Verschärfung der Voraussetzungen vor. Eine Bestellung zum GmbH-Geschäftsführer ist seitdem auch bei zahlreichen weiteren Delikten für fünf Jahre ausgeschlossen. Zum Beispiel: Insolvenzverschleppung, Falschangaben bei der Gründung und Unternehmensdarstellung, diverse Betrugsdelikte (auch Computerbetrug, Subventionsbetrug und Kapitalanlagebetrug), Untreue sowie Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt. Die Gesellschafter sollten daher vor Bestellung eines Geschäftsführers die Voraussetzungen des § 6 GmbHG genau prüfen oder bei irgendwelchen Zweifeln anwaltlich prüfen lassen. Denn es besteht eine persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, sofern die Gesellschafter sehenden Auges einen Geschäftsführer bestellen, der aus einem der Gründe des § 6 GmbHG von der Übernahme des Geschäftsführeramtes ausgeschlossen ist. In Extremfällen kann zudem sogar die Auflösung der Gesellschaft durch die Verwaltungsbehörde (§ 62 GmbHG) riskiert werden.

Aber es muss nicht nur bei der Bestellung eines Geschäftführers aufgepasst werden, sondern auch während der Amtsausführung. Handelt der Geschäftsführer während seiner Amtsausübung im Sinne der relevanten Tatbestände gesetzeswidrig, erfolgt ein automatischer Amtsverlust. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Straftat privat oder geschäftlich verübt wurde. Begeht beispielsweise ein Geschäftsführer im privaten Umfeld einen Betrug und wird zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt, verliert er mit Rechtskraft des Urteils seine Befähigung als GmbH-Geschäftsführer. Dabei ist es unerheblich, ob die Gesellschafter Kenntnis vom Strafurteil haben oder nicht. Wissen oder müssten die Gesellschafter bei gehöriger Nachprüfung wissen, dass der Verurteilte nicht mehr als Geschäftsführer handeln darf, dulden dieses aber dennoch, so haften die Gesellschafter der Gesellschaft auf Schadenersatz. Ein durch den unqualifizierten Geschäftsführer also in irgendeiner Weise geschädigter Geschäftspartner oder Gläubiger kann daher bei nachweislicher Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Gesellschafter über eine Inanspruchnahme der Gesellschaft letztlich unter Umständen auch die Gesellschafter in Regress nehmen, soweit dies gesellschaftsvertraglich nicht verhindert wird. In diesem möglichen Durchgriff auf die Gesellschafter liegt ein erheblicher Risikozuwachs, der in der Praxis fast ausnahmslos übersehen wird.

2. Geschäftsführer:

Darlehen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern

Zahlungen von der GmbH an ihre Gesellschafter, welche das Stammkapital berühren, sind seit der GmbH-Reform von 2008 einfacher möglich. Im Rahmen des grundsätzlichen Auszahlungsverbotes nach § 30 Abs. 1 GmbHG gilt seitdem, dass kein generelles Tabu mehr für Leistungen besteht, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewährungsanspruch gedeckt sind (Aktivtausch). Gleichfalls von der Geltung des kategorischen Auszahlungsverbots ausgenommen sind Rückzahlungen der Gesellschaft auf ein Gesellschafterdarlehen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG).

Insbesondere aber sind Darlehensgewährungen an Gesellschafter bei vollwertigem Rückgewähranspruch grundsätzlich keine verbotenen Auszahlungen im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG. Der Geschäftsführer muss nach der neuen Gesetzeslage jedoch verantwortlich beurteilen, ob der Anspruch auf Darlehensrückzahlung vollwertig ist. „Vollwertigkeit“ des Rückzahlungsanspruchs beurteilt sich nach bilanziellen Kriterien. Darüber hinaus muss der Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch nach Marktkriterien bewertet und im sog. Fremdvergleich („at arm’s length“) den Wert der Darlehensleistung an den Gesellschafter decken. Bei einem Darlehen der GmbH an einen Gesellschafter muss der Geschäftsführer also prüfen, ob der Gesellschafter solvent ist, eine marktübliche Verzinsung vorliegt und ob ggf. Sicherheiten notwendig sind. Vernachlässigt der Geschäftsführer diese strengen Kriterien bei einer solchen Zahlung, so kann er sich gegenüber der GmbH persönlich und unbegrenzt ersatzpflichtig machen.

Doch endet die Sorgfalts- und Prüfungspflicht des Geschäftsführers nicht bei den Voraussetzungen für die Ausreichung eines Darlehens an den Gesellschafter. Er muss vielmehr, erhält er während der Laufzeit des Darlehens etwa Kenntnis von Tatsachen, die die Bonität des Gesellschafters und damit die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs der Gesellschaft tangieren, das Darlehen ggf. vorzeitig kündigen und die restliche Valuta zur sofortigen Rückzahlung fällig stellen. Notfalls ist er sogar zur gerichtlichen Geltendmachung der Rückzahlungsforderung gegen den Gesellschafter verpflichtet. Unterlässt der Geschäftsführer diese Maßnahmen, so ist er wiederum der Gesellschaft gegenüber persönlich und unbegrenzt schadensersatzpflichtig.

Für Geschäftsführer ergibt sich ausweislich der vorstehenden Beispiele generell bei Fallkonstellationen, die Zahlungsvorgänge zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern zum Gegenstand haben, ein besonderer Prüfungs- und Sorgfaltsbedarf, der oftmals eine qualifizierte rechtliche Beratung empfehlenswert macht.

 

Im Zuge der GmbH-Reform und weiterer Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre sind zahlreiche Regelungen geschaffen worden, welche die Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern betreffen. Auch die Rechtsprechung hat nach wie vor erheblichen Anteil an der Ausgestaltung und Präzisierung des gesellschaftsrechtlichen Haftungssystems. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken sollte in Zweifelsfällen stets anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden.

(Fortsetzung folgt.)

 


Autor(-en):
Malte Seeger
Rechtsanwalt


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Harald Brennecke hat im Wirtschaftsstrafrecht und angrenzenden Gebieten veröffentlicht:

  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl. ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, ISBN 978-3-939384-29-8, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, ISBN 978-3-939384-26-7, Verlag Mittelstand und Recht

sowie etliche weitere Veröffentlichungen im Gesellschafts- und Insolvenzrecht.

Weitere Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung, unter anderem:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht
  • Compliance
  • Insolvenzstraftaten

Harald Brennecke ist Dozent für Wirtschaftsstrafrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Im Bereich Wirtschaftsstrafrecht bietet er Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

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  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis


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