Abmahnung Teil 8: Beleidigung


Beleidigungen können an sich einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§241 II BGB) darstellen. Sie betreffen, sei es dass sie gegen einen Arbeitskollegen oder auch gegenüber einem Vorgesetzten ausgesprochen werden das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die gilt jedoch nicht per se für jede ehrverletzende Äußerung. Die Konkretisierung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 II BGB hat nämlich am Maßstab von Art. 5 I GG zu erfolgen. Es ist das verfassungsmäßige Recht eines jeden Individuums seine Meinung frei kundzutun. Dies muss bei der Frage danach, ob eine Verletzung vertraglicher Rücksichtnahmepflichten gegeben ist stets berücksichtigt werden. Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 II GG) beschränkt. Deshalb muss es in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesen gebracht werden. Diese einschränkenden Rechte sind namentlich die Rechte des Arbeitgebers auf seine Menschenwürde (Art. 1 I GG), sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) und auch seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, die durch Störungen des Arbeitsablaufes und des Betriebsfriedens berührt sein kann. Dementsprechend ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen. Dabei wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten müssen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung oder als eine Schmähung darstellt. Es ist also zunächst einmal genauestens zu prüfen, ob nach den genannten Grundsätzen überhaupt ein Verstoß gegen vertragliche Rücksichtnahmepflichten gegeben ist, oder nur ein Verhalten vorliegt, dass der Arbeitgeber im Lichte der Meinungsfreiheit seiner Angestellten hinzunehmen hat. Sollte jedoch ein solcher Verstoß festgestellt werden, wird auch eine Abmahnung entbehrlich sein, denn dem Arbeitnehmer müsste erkennbar sein, dass eine solch schwerwiegende Verletzung des Vertrauensverhältnisses vom Arbeitgeber keinesfalls toleriert werden wird.
Das LAG Frankfurt etwa hatte über die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers zu entscheiden, der seinem Arbeitgeber gegenüber das „Götzzitat“ geäußert hatte.
Das LAG Köln war in einem Fall aus dem Jahre 1997 zu dem Schluss gekommen, dass eine abfällige Bemerkung, die ein Arbeitnehmer gegenüber einem Arbeitskollegen über die Geschäftsführer der beklagten GmbH gemacht hatte, weder einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung, noch einen Verhaltenbedingten Kündigungsgrund darstellte. Das Gericht war der Ansicht, der Arbeitnehmer sei rechtlich nicht verpflichtet, Zuneigung zu seinem Arbeitgeber zu empfinden - auch nicht gegenüber Dritten seine Abneigung zu verbergen. Dem Kläger sei allenfalls vorzuwerfen, dass er den Hinweis auf seine Abneigung nicht in vorsichtige Worte gekleidet habe. Für eine grobe Beleidigung sei eine solche Äußerung jedenfalls nicht ausreichend. Dies gelte umso mehr, als er die betreffenden Personen nicht direkt angesprochen hatte. Im Kreise der Mitarbeiter müsse der Kläger auch nicht damit rechnen, seine Äußerungen würden an die betreffenden Personen weitergeleitet. Zugleich deutete das Gericht aber an, dass es sich zumindest um einen abmahnungsfähigen Sachverhalt gehandelt habe.
Ein ähnlich gelagerter Fall lag dem BAG zur Entscheidung vor. Hier hatte der Arbeitnehmer grobe Beleidigungen gegenüber seinem Vorgesetzten ausgesprochen. Allerdings geschah dies nicht in einem vertraulichen Gespräch im engeren Kollegenkreis, sondern gegenüber dem für das Personal zuständigen Vorstandsmitglied. Das BAG bestätigte zunächst die Auffassung, ein Arbeitgeber dürfe regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden nicht gestört bzw. das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht zerstört. Indem der Kläger jedoch die Äußerungen gegenüber dem für das Personal zuständigen Vorstandsmitglied getätigt hatte, hatte er damit den Bereich der vertraulichen kollegialen Kommunikation verlassen, da er zumindest damit rechnen musste, dass das genannte Vorstandsmitglied den Anschuldigungen nachgehen und die betreffenden Personen gegebenenfalls auch damit konfrontieren würde. Das BAG hielt daher das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber von irreparabel zerstört und bestätigte im Ergebnis die fristlose außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung.
In einem Verfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein hingegen ging es um eine angestellte Verkäuferin, die eine Kundin im Ladenlokal des Arbeitgebers beschimpft hatte. Das LAG war der Ansicht es habe sich bei der Äußerung der Verkäuferin um eine grobe Beleidigung der Kundin gehandelt, sodass es vor Ausspruch keiner Abmahnung mehr bedurfte. Die Verkäuferin konnte nicht überzeugend darlegen zuvor von der Kundin beschimpft worden zu sein. Für diese Situation wäre der Fall anders zu entscheiden gewesen.

? Konsequenz:
Grobe Beleidigungen, die sich als Angriff auf die Menschenwürde, als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen können einen Verstoß gegen vertragliche Rücksichtnahmepflichten und somit einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung bzw. einen Verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen. Einer Abmahnung bedarf es aufgrund des nachhaltig geschädigten Vertrauensverhältnisses dann nicht. Dies gilt sowohl für grobe Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber, gegenüber Kollegen, als auch gegenüber Kunden. Nicht davon betroffen sind Äußerungen, die der Arbeitnehmer in vertraulichen Gesprächen im engeren Kollegenkreis tätigt.

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Stand: 07/08


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